Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
42. Sitzung vom 17. März 1983
Schmidt, Klaus-Jürgen
Lummer, dann finden Sie fast an jeder Ecke an irgendeinem Tag ein
paar Rentner, die Verkehrszählungen machen, die Verkehrsströme
untersuchen. Es ist also kein Argument, daß man dafür jetzt diese
Volkszählung braucht.
Ein zweiter Punkt, daß man unbedingt statistische Daten auf
grund dieser Volkszählung braucht, die Bauindustrie: Die Statistiker
haben erklärt, daß die Auswertung, die Erfassung der Rohdaten
dieser Volkszählung 18 Monate in Anspruch nimmt. Die Auswer
tung der Volkszählung von 1970, die Auswertung dieser Statistiken
und die Erstellung von konkreten Einzelstatistiken hat sich über
sechs bis acht Jahre hingezogen. Der Staatssekretär aus dem Bun
desbauministerium hat selbst vorgestern zugegeben in einem Ge
spräch mit der Deutschen Presseagentur, daß aufgrund der Volks
zählung keine politisch verwertbaren Planungsunterlagen für den
Baubedarf, für den Wohnungsbedarf erstellt werden. Diese Argu
mente sind also, bitte schön, wirklich nur sehr bedingt einsetzbar
und nur sehr bedingt richtig.
Die, Datenweitergabe: Herr Lummer, es geht bei diesem Punkt
doch nur sehr beschränkt darum, wo die Statistischen Landesämter
zählen, ihre Computerbögen speichern, sondern es geht auch dar
um, daß dann die statistischen Unterlagen auch an private Firmen
z. B. weitergegeben werden können. Es ist möglich aufgrund dieser
Volkszählung in Berlin, daß sich in einigen Jahren eine Wohnungs
baugesellschaft hinstellt und sagt, sie möchte die statistischen An
gaben über die Wohnquaiität, die ja mit dem Volkszählungsbogen
abgefragt wird, im Stadtteil X, Y haben,
[Böhm (CDU): Na und? Na und?]
und diese Angaben dann dazu führen können, daß Mietenspiegel
erstellt werden, Vergleichsmieten erstellt werden und die Leute in
diesem Gebiet mit Mieterhöhungen rechnen können. Auch das muß
man wissen, und das ist nicht nur eine theoretische Möglichkeit.
[Vetter (CDU): Schwätzer!]
Ich bitte deshalb wirklich, die Probleme des Datenschutzes, der
Sensibilität mit Daten, hier nicht herunterzuspielen. Und diesen
F.D.P.-Antrag, den kann ich nur als schlechten Witz bezeichnen,
[Vetter (CDU): Der Witz sind Sie! Sie sind der
Oberwitz!]
dem Antrag kann man nicht zustimmen, da steht nichts drin.
Präsident Rebsch: Das Wort hat der Kollege Hoffmann.
Hoffmann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Senator Lummer, Sie haben argumentiert, wie ich Sie eigent
lich selten in diesem Parlament gehört habe. Zunächst einmal
gehen Sie fälschlicherweise davon aus, daß es sich bei dieser Kritik
an der Volkszählung um einen Konflikt zwischen rechten und linken
gesellschaftspolitischen Schichten handele. Dies ist zunächst
schon deshalb falsch, weil dieser Konflikt durch die breiten Bevöl
kerungskreise überhaupt geht. Das ist der eine Punkt. Der zweite
Punkt ist, daß niemand der Kritiker etwa die Volkszählung in Frage
stellt, sondern hier geht es ausschließlich darum, wie die Volkszäh
lung durchgeführt werden soll. Und genau das ist der Punkt. Und
nun wird doch wohl niemand daran zweifeln, daß Veröffentlichun
gen beispielsweise in der „Quick“ richtig sind, daß ca. 74 % der Be
völkerung dieser Umfrage, dieser Volkszählung kritisch gegenüber
stehen. Und ich muß noch einmal für die SPD-Fraktion hier ganz
klar betonen: Wir sind natürlich für die Volkszählung, wir wollen,
daß der Staat nicht un- oder desinformiert ist, weil wir infrastruktu
relle, wirtschafts- oder gesellschaftspolitische Fehlentwicklungen
natürlich mit vermeiden wollen. Aber ich frage mich, ob Sie wirklich
so ganz überzeugt sind von dem, was Sie hier durchführen wollen
mit der Fragebogenaktion. Sie selbst haben davon gesprochen, bis
zum 27. April noch vertrauensfördernde Maßnahmen ergreifen zu
wollen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, was heißt
denn vertrauensfördernde Maßnahmen vier Wochen bevor die
Volkszählung durchgeführt werden soll? Das heißt doch mit an
deren Worten zunächst einmal, das vorhandene Mißtrauen ab
bauen, und erst dann könnten vertrauensfördernde Maßnahmen
eingeleitet werden. Und niemand wird wohl daran glauben, daß das (C)
bis zum 27.4. erreichbar ist
[Heiterkeit und Beifall bei der CDU]
- Ich bin da gar nicht so unsicher, wenn Sie anfangen zu klatschen.
Das kann nur bedeuten, daß Sie vielleicht unsicher sind.
[Simon (CDU); Nein, aber vielleicht werden Sie
dann kürzer!]
Ich will einmal an die vielen Zählerinnen und Zähler denken, die in
die kritische Bevölkerung gehen müssen, um die Fragebogen abzu
holen. Herr Lummer, haben Sie denn die Zähler vorbereitet? Wie
wollen Sie eigentlich die Zähler in die Haushalte schicken? - Diese
Fragen müssen hier beantwortet werden. Deshalb bitte ich, dem
Antrag der SPD-Fraktion, der den Antrag der Alternativen Liste
ersetzen soll, die Zustimmung zu geben.
[Beifall bei der SPD]
Präsident Rebsch: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir haben zwei Ersetzungsanträge vorliegen, einen von der SPD
und einen von der F.D.P. Ich lasse zunächst über den Antrag der
F.D.P. abstimmen, weil ich ihn für den weitergehenden halte. Wer
dem Änderungsantrag der F.D.P. seine Zustimmung zu geben
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke sehr! Die
Gegenprobe! - Damit ist dieser Antrag angenommen, und es
erübrigt sich die Abstimmung über die anderen Anträge.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Ich bitte, jetzt noch einmal zuzuhören: Hinsichtlich der mittelfristi
gen Finanzplanung ist die SPD-Fraktion davon ausgegangen, daß
der ursprüngliche Liberweisungsantrag der CDU aufrechterhalten
bleibt. Deswegen hat sie gebeten, daß nunmehr ihrem Begehren
auf Überweisung in den Hauptausschuß und in den Ausschuß für
Stadtentwicklung und Umweltschutz nachgekommen wird. Hat
jemand etwas dagegen? - Nein, dann werden wir so verfahren.
Nun hatten wir uns im Ältestenrat darauf geeinigt, daß die unstrit-
tigen Punkte der Tagesordnung jetzt abgestimmt werden. Ich bitte
deswegen noch für wenige Minuten um Ihre Konzentration und
glaube, daß wir dann mit den meisten Punkten, die wir hier erledigt
haben können, in die inoffiziellen Ferien gehen können.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 2, Drucksache 9/1072:
I. und II. Lesung der Vorlage - zur Beschlußfassung -
über Gesetz zur Übernahme von Gesetzen
Gemäß § 32 Abs. 3 der Geschäftsordnung verbinde ich die I. und
die II. Lesung. Wortmeldungen zur I. und II. Lesung liegen nicht vor.
Die Fraktion der AL hat beantragt, daß über die Gesetze einzeln ab
gestimmt werden soll. Deshalb rufe ich nacheinander die Gesetze 1
bis 7 auf. Wer dem Gesetz Nr. 1 seine Zustimmung zu geben
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke sehr! Die
Gegenprobe! - Das ist so beschlossen.
Wer dem Gesetz Nr. 2 zustimmen will, den bitte ich um das Hand
zeichen. - Danke sehr! Die Gegenprobe! - Das ist so beschlossen.
Wer dem Gesetz Nr. 3 zustimmen möchte, den bitte ich um das
Handzeichen. - Danke sehr! Die Gegenprobe! - Das ist so be
schlossen.
Wer dem Gesetz Nr. 4 zustimmen möchte, den bitte ich um das
Handzeichen. - Danke sehr! Die Gegenprobe! - Gegen die Stimm
en der Fraktion der AL so beschlossen.
Wer dem Gesetz Nr. 5 seine Zustimmung zu geben wünscht, den
bitte ich um das Handzeichen. - Danke sehr! Die Gegenprobe! -
Stimmenthaltungen? - Bei Stimmenthaltung der Fraktion der AL so
beschlossen.
Wer dem Gesetz Nr. 6 zustimmen möchte, den bitte ich um das
Handzeichen. - Danke sehr! Das ist einstimmig so beschlossen.
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