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Volume Nr. 42, 17. März 1983

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1982/83, 9. Wahlperiode, Band III, 33.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
42. Sitzung vom 17. März 1983 
Ulrich 
(A) Fraktionen beim Parlamentspräsidenten und ein neues Senatoren 
amt vorgeschlagen werden. 
[Beifall bei der SPD - Rasch (F.D.P.): Das ist doch 
ein Witz!] 
Flat man sich wirklich bei dem schnellen Abschluß der Verhandlun 
gen intensiv mit den drückenden Problemen dieser Stadt beschäf 
tigt? - Wir verstehen, Flerr Regierenden Bürgermeister, das Ziel 
Ihrer Anstrengungen. Sie wissen sehr wohl, daß alle Umfragen Ihrer 
Partei kein Chance für eine absolute Mehrheit geben. Zum Macht 
erhalt brauchen Sie also Mehrheitsbeschaffer. Das ist der nackte 
Kern dessen, was hier vorgetragen worden ist 
[Feilcke (CDU): Sie reden aus Erfahrung!] 
Und da ganz bestimmte Kreise Ihr Interesse teilen, muß ein ange 
paßter Partner her, und nicht zu sehr aus aktuellen Gründen, denn 
mit der Duldung der fünf Anhängsel der F.D.P. ließe sich, wie sie ja 
bewiesen haben, komfortabel leben; und es ließ sich - wenn man 
nur wollte - auch regieren. Es geht aber um den Machterhalt 1985. 
Die F.D.P. als Partei konnte nur dann zu einem verläßlichen An 
hängsel werden, wenn man ihre innerparteilichen Mehrheiten ver 
änderte. Um jeder von uns in Berlin weiß, wie das gelaufen ist, wie 
Mehrheiten teilweise nach rechts manipuliert wurden. 
[Rasch (F.D.P.): Das ist ja sehr seltsam!] 
Ich kann nicht verhehlen, daß es mir politisch wehtut, Flerr Kollege 
Rasch, wenn ich mit ansehe, wie gerade in Berlin die F.D.P. zur 
CSU der Berliner CDU wird. 
[Beifall bei der SPD] 
Ich hoffe sehr, daß alle beteiligten Freien Demokraten sich dar 
über im klaren sind, daß die manipulierte Veränderung in der F.D.P. 
ganz bewußt zur Stabilisierung einer rechten konservativen Regie 
rungsmehrheit eingesetzt wird. Die F.D.P. hat ihre eigenständige 
liberale Funktion aufgegeben. Ihre Rolle beschränkt sich darauf, in 
einigen kleineren Streitpunkten den Eindruck der Eigenständigkeit 
(B) zu erwecken, um dann 1985 die große Hürde der Fünf-Prozent- 
Klausel zu überspringen. Die F.D.P., wie sie heute durch Herrn 
Vetter und Herrn Oxfort im Senat repräsentiert wird, ist leider nur 
noch ein Machterhaltungskartell. 
[Beifall bei der SPD] 
Die Liberalen sind entweder aus der Partei herausgedrängt oder ins 
Abseits gestellt worden. Niemand wird doch wohl ernsthaft behaup 
ten wollen, daß im Weizsäcker-Senat die Herren Vetter und Oxfort 
ein liberales Korrektiv sind. 
[Beifall bei der SPD] 
Er würde sich ja lächerlich machen. Beide Herren könnten ohne 
Schwierigkeiten in die rechte CDU integriert werden. Sie hätten 
weder mit ihrem politischen Selbstverständnis noch mit ihrem un 
mittelbaren politischen Anhang auch nur die geringsten Schwierig 
keiten. 
[Beifall bei der SPD] 
Es ist doch kein Wunder, wenn dann in den Koalitionsverhandlun 
gen die Rede von politischer Harmonie ist. 
Gibt es etwa außer Allgemeinplätzen konkrete Ansätze für eine 
liberale Rechtspolitik in der Koalitionsvereinbarung? 
[Pätzold (SPD): Rechts ja!] 
Ist irgendwo eine liberale Handschrift von Herrn Oxfort erkennbar? 
- Ich finde nichts darin. Ich weiß nur, daß die politische Verwandt 
schaft von Herrn Oxfort und von Herrn Lummer sehr viel enger ist 
als die zu dem ehemaligen liberalen Bundesminister Baum. 
[Beifall bei der SPD] 
Der Schub in das rechtskonservative Lager ist durch die Neuerwer 
bung im Senat sehr viel größer geworden. 
Ich hoffe nicht - ich sage das ganz vorsichtig -, daß der rechts 
lastige Teil des Nachwuchses bei der Jungen Union und bei den 
Jungen Liberalen jetzt einen kräftigen Aufschwung erhält. 
[Buwitt (CDU): Sehr vorsichtig war das nicht, 
was Sie gesagt haben!] 
Ich warne vor einer geistig-politischen Koalition, die das offene li 
berale Klima unserer Stadt verändert. 
[Beifall bei der SPD] 
Herr Regierender Bürgermeister, Sie waren doch in einer starken 
Stellung. Die Vetter-Fraktion brauchte doch Ihr Koalitionsangebol, 
sie hat richtig darum gebettelt. Sie hätten die Kraft haben sollen, ein 
überzeugendes Sachkonzept mit einem überzeugenden Personal 
konzept zu verbinden. Jetzt ist es aber nur noch ein Personalkon 
zept für die Unterbringung von Herrn Vetter. Das Sachkonzept ist in 
aller Eile zusammengeschustert und durch die Parteigremien gejagt 
worden. Es verdient seinen Namen nicht. 
[Beifall bei der SPD] 
Das Kulturressort, dessen zentrale Bedeutung wir immer betont 
haben, ist nicht als wichtige politische Aufgabe verstanden worden, 
sondern wurde eine Verlegenheitslösung, nachdem die ebenso 
konzeptionslose Teilung des Innenressorts durch die massive 
Unterstützung aller Lummer-Freunde gegen Sie verhindert worden 
ist. Und auch die von Ihnen selbst in seiner Bedeutung vor zwei 
Jahren besonders herausgehobene Aufgabe der Stadtentwicklung 
und des Umweltschutzes ist jetzt demontiert. Sie haben damit die 
Bedeutung von zwei wichtigen Ressorts und von zwei zentralen 
Aufgaben beschädigt. 
[Beifall bei der SPD] 
Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Regierender Bürgermeister, 
daß Sie das wichtige Kulturressort, in das man eigentlich einen pro 
filierten Kulturpolitiker berufen müßte, Herrn Hassemer als politi 
sches Erprobungsfeld überantworten, sozusagen als Bewährungs 
gebiet für Nachwuchs. Nichts gegen Herrn Hassemer, aber das hat 
das kulturelle Berlin nun wirklich nicht verdient. 
[Beifall bei der SPD] 
Ich brauche nicht mehr zu fragen, welchen politischen Sinn der 
Wechsel im Amt des Stadtentwicklungs- und Umweltsenators hat. 
Kein vernünftiger Mensch wird wohl behaupten, daß dadurch die 
Qualität der Arbeit verbessert wird oder daß damit eine sogenannte 
liberale Akzentsetzung sichtbar würde. Ich will diesen Vorgang hier 
nicht weiter ausbreiten, Herr Regierender Bürgermeister, er ist für 
Berlin peinlich und er beschädigt Ihr politisches Ansehen. Wir 
hätten Herrn Vetter in seinem eigenen Interesse geraten, nun nicht 
unbedingt ein Senatorenamt anzustreben. Wir werden trotz unserer 
Überzeugung, daß das eine Fehlentscheidung ist, uns auch ihm 
gegenüber um eine faire und konstruktive Opposition bemühen, die 
seine sachliche Arbeit anerkennt. 
Eine Berliner Zeitung kommentierte die Senatsbildung wie folgt: 
Dies ist ein Triumph für die immer stärker werdende Rechte in 
der CDU, aber eine Schlappe für Richard von Weizsäcker, der 
-so scheint es - mit seinen Gedanken schon auf dem Bun 
despräsidentensessel in Bonn weilt. 
[Buwitt (CDU); Berliner Stimme?!] 
Ich weiß nicht, Herr Regierender Bürgermeister, wo Ihre Gedanken 
weilen. Sicher werden Sie nicht Bundespräsident und Sie wollen es 
wohl auch gar nicht werden. Es ist auch müßig, darüber zu spekulie 
ren oder andere spekulieren zu lassen. Worüber sich die Berliner 
Gedanken machen, und was sie erwarten: Wir brauchen einen 
Regierungschef, der sich vom Olymp der schönen Worte runterbe 
gibt in das harte Alltagsgeschäft der politischen Realitäten, der Ent 
scheidungskraft hat, 
[Beifall bei der SPD - Buwitt (CDU): Wir brauchen 
Richard von Weizsäcker!] 
und der diese nicht nur mit Worten beschwört. 
Dafür möchte ich nur ein kleines, aber ein bezeichnendes Bei 
spiel stellvertretend für viele, viele Vorgänge liefern. Bis heute ist 
nicht abschließend entschieden, ob die Kongreßhalle nun aufge 
baut oder nicht aufgebaut wird. Jeder Tag der Entscheidungsunklar 
heit kostet viele tausend DM an Steuergeldern. Nicht einmal anläß 
lich der jetzigen Koalitionsvereinbarungen haben Sie, Herr Regie 
render Bürgermeister, die Entscheidungskraft aufgebracht, um end 
lich den Knoten durchzuhauen. Und das ist leider typisch für Ihren 
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