Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
39. Sitzung vom 24. Februar 1983
Dr. Neuling
blik Deutschland insgesamt mit dieser Wirtschafts- und Finanzpoli
tik setzen.
[Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD]
Nun eine kritische Anmerkung an den Senat; Wir werden den
Senat nicht daran messen, ob er jede Woche neue Ideen produ
ziert, sondern daran, inwieweit diese neuen Ideen tatkräftig umge
setzt werden. Wir werden ihn daran messen, inwieweit es gelingt,
auf Bundesratsinitiativen und wo auch immer den Gedanken der
flexiblen Altersgrenze wirklich umzusetzen. Wir werden ihn daran
messen, inwieweit es gelingt, eine spürbare Anhebung der Teilzeit
arbeit für Angestellte im öffentlichen Dienst zu verwirklichen. Wir
werden ihn daran messen, inwieweit es gelingt, eine wirksame Ein
schränkung der Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst wirklich zu
erreichen. Und wir werden ihn nicht zuletzt daran messen, inwieweit
eine erfolgreiche Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, den
sogenannten Zweiten Arbeitsmarkt, denn um diesen handelt es
sich, tatsächlich gelingt.
Wir haben in Berlin - das ist meine feste Überzeugung - derzeit
keinen Mangel an Ideen. Was wir brauchen ist eine tatkräftige Um
setzung der Ideen, die wir im Jahre 1982 auf die politische Reise
gebracht haben. Konzentrieren wir uns deshalb nicht an Mäkeleien,
wie sie vielleicht die SPD als Oppositionsfraktion unbedingt prakti
zieren muß, sondern konzentrieren wir uns, daß wir gemeinsam an
dieser Richtlinie festhalten und sie umsetzen. - Ich danke für Ihr In
teresse.
[Beifall bei der CDU und des Abg. Vetter (F.D.P.)]
Stellv. Präsident Franke: Nächster Redner ist der Abgeord
nete Wingefeld.
Wingefeld (SPD); Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Kollege Neuling! Ihren letzten Satz möchte ich nachdrücklich
unterstreichen, denn es geht nicht darum, neue Ideen zu ent
wickeln, sondern vorrangig um das tatkräftige Umsetzen dessen,
was an Ideen nicht nur erfunden und kreiert worden ist, sondern
auch, wofür es eine Solidarität aller im Abgeordnetenhaus vertrete
nen Parteien gibt, nur, genau daran mangelt es. Es ist überhaupt
sehr bezeichnend - jedenfalls ich empfinde dies als eine politische
Aussage -, daß in der Aktuellen Stunde, in der der Kollege Wagner
eine Reihe von konkreten Beispielen vorgetragen hat, die eindeutig
auf ein Versagen des zuständigen Wirtschaftssenators, auf den
Mangel an Umsetzung und Durchsetzung von Ideen zurückzufüh
ren ist —
[Boehm (CDU): Vielleicht nehmen Sie auch einmal
von den Zwischenbeiträgen Notiz . . .!]
- Herr Kollege Boehm, ich darf Sie darauf hinweisen: Ich habe
kein vorformuliertes Konzept, ich orientiere mich vielmehr aus
schließlich an den Diskussionsbeiträgen. - Ich will damit sagen,
daß es bezeichnend ist, daß nicht der Senator in der ersten Runde
dazu Stellung nimmt, der für die Wirtschaftspolitik, für ein Initiieren
wirtschaftlicher und unternehmerischer Tätigkeit, für die Sicherung
bestehender Arbeitsplätze zuständig ist und die Verantwortung
trägt, sondern derjenige Senator, der die Arbeitslosigkeit zu ver
walten hat Das, was hier vorgetragen worden ist, Herr Senator
Wronski, kann in vielen Punkten nicht befriedigen. Natürlich - und
das haben wir an anderer Stelle auch immer wieder gesagt - unter
stützen wir das, was an zusätzlichen Maßnahmen hinsichtlich der
Ausbildungsplatzsituation getan worden ist - uneingeschränkte Zu
stimmung und Unterstützung. Natürlich werden wir auch dort
Bereitschaft zeigen, Maßnahmen mitzutragen, wo keine andere
Lösung und wo keine andere Arbeitsplatzmöglichkeit vorhanden ist
und wo Menschen nach jahrelanger Arbeitslosigkeit eben nicht
ohne weiteres in den Arbeitsprozeß wieder eingliederbar, inte
grierbar sind, wo beispielsweise Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
durchaus als nützliches Instrument der Integration, der Ein
gliederung dienen können und zusätzliche Maßnahmen dieser Art
geschaffen werden. Es kann doch nicht Ziel politischer Aktivität
sein, einen krankhaften Prozeß mit Heftpflaster zu kurieren oder
kurieren zu wollen, der notwendigerweise in seiner Ursache ange
gangen werden muß. Wenn hier immer wieder versichert wird, daß
man zu unkonventionellen Ideen bereit ist, dann möge doch bitte (C)
dieser Senat in seiner Verantwortung auch bereit sein, unkonventio
nelle Ideen umzusetzen, wo eine akute Gefährdung von Arbeitsplät
zen vorliegt, wo im einzelnen auch ein Betrieb über die Runden
gebracht, gerettet werden kann; dies ist nicht immer nur eine Frage
der jeweiligen Kapazitäten oder eine Frage von nichtabsetzbaren
Produktionen des einzelnen Betriebes.
Ich darf daran erinnern, wenn wir in dieser Stadt nicht einige Kon
kursverwalter hätten, die den Mut haben, sich für eine gewisse Zeit
unternehmerisch zu bestätigen, Betriebsleitung und Unterneh
mensführung zu spielen, wäre darüber hinaus noch mancher Ar
beitsplatz zusätzlich gefährdet bzw. verlorengegangen. Was der
Konkursverwalter kann, kann das nicht zumindest initiierend auch
ein Wirtschaftssenator?
Für mich bleibt festzustellen: Dieser Senat sollte sich weniger als
Feuerwehr, weniger als Sanitätsgefreiter verstehen - es ist ja ehren
wert, wenn ein Wirtschaftssenator auf Betriebsversammlungen und
-kundgebungen auftritt -, aber es kommt doch wohl mehr darauf an,
daß zur Gesundung der Wirtschaft dieser Stadt grundsätzliche Ini
tiativen ergriffen werden. Auf Dauer können wir nicht - auch nicht
Sie, Herr Senator Pieroth - Managern den Federhalter führen, son
dern Sie müssen eine Politik betreiben, daß Manager auch wieder
zu dem befähigt werden, was sie tun sollen, nämlich unternehme
risch tätig zu werden.
[Beifall bei der SPD]
Stellv. Präsident Franke: Das Wort hat nunmehr Herr Senator
Pieroth.
Pieroth, Senator für Wirtschaft und Verkehr; Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedem Arbeitslosen
wieder zur Arbeit zu verhelfen, mindestens dabei mitzuhelfen, daß
er wieder Arbeit findet, ist unsere Hauptaufgabe. Das ist unser
erster politischer Auftrag, das ist unsere menschliche Bewährung,
das ist auch mein erster Grund, in Berlin mitzuarbeiten. Ich habe
aber eine Bitte - über alle Parteigrenzen hinweg Herr Wagner,
Herr Wingefeld, ich nehme Ihnen ja die Sorge ab, die Sie um die
arbeitslosen Menschen in Berlin äußern, machen Sie doch aber
bitte durch ein Aneinanderreihen von bedauernswerten negativen
Entwicklungen nicht das kaputt, was uns in Berlin an neuem Ver
trauen als Industriestadt zugewachsen ist.
[Beifall bei der CDU]
Es ist hier nicht meine Aufgabe, Herrn Wendt darüber zu belehren,
daß Firmen, die schon vor anderthalb Jahren mir als auf rote Zahlen
verdächtig von Herrn Wagner genannt worden waren, nicht schon
dadurch wieder in schwarze Zahlen kommen, daß der Bundeskanz
ler hier eine Konferenz durchgeführt hat - wenn Sie vorhin meinten,
die Wende hätte nicht stattgefunden.
Dieser Wirtschaftsgipfel vom 10. und 11. Dezember war ein psy
chologischer Wendepunkt für Berlin
[Zuruf von der AL: Wohin?]
und war ein erstes positives Zwischenergebnis unserer Politik. Das
ist von den verantwortlichen deutschen Wirtschaftsführern sehr
wohl verstanden worden, die das neue Selbstbewußtsein dieser
Stadt dokumentierten, nämlich ein Berlin als nationale Aufgabe, wie
es der Regierende Bürgermeister perspektivisch einordnete, und
ein Berlin, das auch was zu bieten hat, das auch Standortvorteile
hat. Hier ist nicht alles schlecht, hier ist auch vieles gut, und das
müssen wir nur entwickeln und nutzen.
[Beifall bei der CDU]
- Ich weiß nicht, warum Sie, Kollege Momper, dabei grinsen, wenn
ich sagte, daß hier auch vieles gut ist. Vielleicht ist über die Jahre
viel zu viel schlecht gemacht worden, und dadurch ist wirklich
manches schlecht geworden.
[Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD - Unruhe]
Die Wirtschaftsführer haben jedenfalls die Weichenstellungen regi
striert, sonst wäre es nicht zu Investitionsentscheidungen gekom
men, die Weichenstellung der Reform der Berlinförderung, des
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