Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
52. Sitzung vom 10. November 1983
Sen Fink
(A) Berufsspektrum von Mädchen zu erweitern, Frau Abge
ordnete Korthaase, bereits im Bericht über die Situation
der Frauen in Berlin sowie im 3. Bericht über die Ausbil
dungsplatzsituation und die Beschäftigung von Jugend
lichen in Berlin vom 21.1.1983 dargestellt worden. Las
sen Sie mich hier nur feststellen, daß der Senat sich vor
allem darauf konzentriert, das Interesse und die Fähig
keiten der Mädchen in diesen von ihnen bisher kaum be
rücksichtigten Bereichen zu fördern. Wenn Mädchen noch
relativ selten eine Ausbildung in gewerblich-technischen
Berufen antreten, so ist dies nicht zuletzt auch auf eine
fehlende Nachfrage und auf andere Berufswünsche der
Mädchen zurückzuführen, die sich nach wie vor zu einem
ganz großen Teil für die sogenannten traditionellen
Frauen-Berufe entscheiden.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich die Frage 4
mitbeantworten: Der Präsident des Landesarbeitsamtes
Berlin hat mitgeteilt, daß in der Berufsberatung den Mäd-
und Jungen die ganze Vielfalt der erreichbaren Ausbil
dungswege aufgezeigt wird. Auch die berufskundlichen
Materialien der Bundesanstalt für Arbeit seien so aufbe
reitet, daß alle Berufe grundsätzlich in männlicher und
weiblicher Form aufgeführt würden. Im Bereich der Ar
beitsvermittlungstätigkeit seien die Arbeitsämter per
Runderlaß aus den Jahren 1977 und 1979 angewiesen, für
Stellenangebote, für die vom Arbeitgeber nur Frauen oder
nur Männer angefordert würden, grundsätzlich Frauen und
Männer gleichermaßen vorzuschlagen.
Zwischenergebnisse aus dem Modellversuch zur Er
schließung gewerblich-technischer Ausbildungsberufe für
Mädchen in der Berliner Elektroindustrie zeigen, daß die
Firmen mit den Ausbildungsleistungen der Mädchen zu
frieden sind; sie haben ihr Interesse bekundet, auch über
das Modellprogramm hinaus Mädchen in diesen Berufen
(B) auszubilden. Auch außerhalb der Modellversuche ist eine
steigende Tendenz der Beteiligung von Mädchen an bis
her sogenannten männertypischen Ausbildungsberufen
wie Werkzeugmacher, Mechaniker, Maler, Lackierer zu
verzeichnen. Auch im Berufsamt des Landes Berlin wird
ein großer Teil der weiblichen Auszubildenden in für
Frauen eher atypischen Berufen wie Teilezurichter, Me
chaniker, Tischler, Lackierer, Fräser, Stahlformenbauer
und Buchbinder ausgebildet.
Wie sehr Vorurteile, Mädchen seien für manche „Män-
ner-Berufe“ nicht geeignet, unbegründet sind, zeigen
schließlich die jüngsten Ergebnisse im Leistungswettbe
werb der Handwerksjugend: Bei den Kfz-Mechanikern,
bei den Fleischern und bei den Konditoren waren jeweils
Mädchen Landessieger. Ich gratuliere ihnen im Namen
des Senats auf das allerherzlichste dazu,
[Beifall bei der CDU, der SPD und der F.D.P.]
Beschäftigungssituation im öffentlichen Dienst — da
mit komme ich zur Frage 2. Die Beschäftigungssituation
von Frauen im öffentlichen Dienst des Landes Berlin ist
insgesamt nicht ungünstig: Der Anteil der Frauen im
Berliner Landesdienst beträgt 44%; ein erheblicher Teil
der Frauen ist im höheren und gehobenen Dienst tätig.
Gleichwohl anerkennt der Senat seine Verpflichtung, noch
bestehende Benachteiligungen von Frauen abzubauen und
durch aktive Fördermaßnahmen Signale zu setzen, ln
Wahrnehmung seiner Vorbildfunktion wird der Senat in
Kürze „Leitlinien für die Förderung der weiblichen Be
schäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Berlin“ ver
abschieden. Damit sollen alle Dienststellen konkrete Maß
stäbe an die Hand bekommen
1. bei der Besetzung von Stellen,
2. bei der Beförderung,
3. bei ihrer Fortbildung und
4. bei der Wiedereingliederung nach Zeiten des fami- (C)
lienbedingten Ausscheidens oder der Beurlaubung.
Benachteilungen von Frauen können schon vor einer
Einstellung erfolgen, indem Bewerberinnen die rechtlich
zulässige Frage über das Vorliegen einer Schwangerschaft
gestellt wird. Ich halte dies im Bereich des öffentlichen
Dienstes nicht in jedem Falle für erforderlich und habe
deshalb die bisherige Praxis meiner Senatsverwaltung
bei Einstellungsverhandlungen mit weiblichen Bewerbern
geändert.
[Sehr gut! bei der CDU]
In Zukunft sollen nur noch Frauen befragt werden, die in
Bereichen arbeiten, in denen zum Schutz der Frauen das
Bestehen einer Schwangerschaft bei der Zuweisung eines
Arbeitsplatzes berücksichtigt werden muß. Ich bin der
Auffassung, daß insbesondere in der gegenwärtigen Ar
beitsmarktsituation das Interesse eines öffentlichen Ar
beitgebers an einer kontinuierlichen Besetzung eines Ar
beitsplatzes zurückstehen muß gegenüber dem Interesse
einer schwangeren Frau, bei der Verteilung der knappen
zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze beteiligt zu wer
den.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Ich habe meinen Senatskoliegen empfohlen, auch für
ihren Bereich eine entsprechende Verfügung zu treffen.
Der Senat will für eine wesentliche Verbesserung der
Beschäftigungsmöglichkeiten dadurch Sorge tragen, daß
das Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen — das sich allein
in den vergangenen 6 bis 7 Jahren um mehr als 100 %
von etwa 9 000 auf 18 000 gesteigert hat — noch erwei
tert wird. Er hat in Anbetracht der arbeitsmarktentlasten- (D)
den Wirkung kürzerer und flexiblerer Arbeitszeiten mit
dem „1. Programm für arbeitsmarktentlastende Sonder
maßnahmen im Land Berlin“ vom November 1982 und mit
seinem jüngst verabschiedeten Arbeitsmarkt- und Struk
turprogramm erfolgreiche Bemühungen um eine Auswei
tung des Angebots an freiwilliger Teilzeitarbeit im öffent
lichen Dienst und bei den Eigenbetrieben eingeleitet.
Dabei steht im Vordergrund, den bei einem beachtlichen
Teil der beschäftigten Vollzeitkräfte vorhandenen und
wegen überkommenen Arbeitsplatz- und Arbeitszeitstruk
turen bisher nicht realisierten Wünschen nach einer Teil
zeitarbeit großzügig entgegenzukommen. Zielvorstellung
des Senats ist, daß Teilzeitbeschäftigung sich im Laufe
der Zeit zu einer der Vollzeitbeschäftigung als gleich
wertig angesehenen Beschäftigungsform entwickelt, die
Frauen und Männern weit besser als vorher die Verein
barkeit konkreter familiärer Bedürfnisse mit beruflichen
Wünschen und Notwendigkeiten erlaubt.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Um den Wünschen der Beschäftigten nach flexibler Ar
beitszeitgestaltung entgegenzukommen, werden sehr un
terschiedliche Teilzeitmodelle praktiziert. Der tägliche
Wechsel oder unterschiedliche Formen der Aufteilung
während einer oder zwei Wochen bei Mitarbeitern, die
sich eine Stelle teilen, ist ebenso möglich wie die Auftei
lung etwa von zwei Stellen auf drei Mitarbeiter usw.
Ich sage hier mit allem Nachdruck und in allem Ernst;
Wir müssen heraus aus dem Kolonnendenken. Wahlfrei
heit erfordert, daß man auch wählen kann. Hier wird Wahl
freiheit im besten Sinne des Wortes ermöglicht.
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.]
Ich komme damit zur Beantwortung der Frage 3 — Wie
dereingliederung —; Es kann den Frauen, die sich für die
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