Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
33. Sitzung vom 8. Dezember 1982
Kollat
(A) „Juwelen“ getan werden muß im Hinblick auf die Ausstrahlungskraft
unserer Stadt. Anerkennung von uns, Unterstützung von uns. Aber,
meine Damen und Herren, man muß ja nicht das eine tun und das
andere lassen, zumal noch eines aussteht, und ich glaube, das
sollte die Aufgabe der kommenden zwölf Monate sein, nämlich ein
mal die Theaterplatzsituation in dieser Stadt zu überprüfen. Wir
haben den Eindruck, wir müssen mal wissen, wie es mit der Zahl
dieser Plätze aussieht, und zwar im Sinne einer vernünftigen Be
schränkung.
Der langen Rede kurzer Sinn; Wir hielten uns hier für verpflichtet
von seiten der SPD, diese Dinge noch einmal anzusprechen und
werden uns Vorbehalten - ich denke u. a. an die 750-Jahrfeier -, zu
gegebener Zeit konkret einzusteigen, damit wir nicht nur beim Ver
balen bleiben, sondern zum Aktiven kommen. - Ich danke!
[Beifall bei der SPD -
Landowsky (CDU): Stimmen Sie nun zu oder nicht?]
- Diese Frage, lieber Kollege Landowsky, ist doch von Ihrer Seite,
nehme ich an, nur eine rhetorische!
Präsident Rebsch: Nächste Wortmeldung - Herr Finger!
Finger (AL): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um diese
Zeit, fünf Minuten nach halb zwölf, und bei diesem Auditorium hier
sollte man wahrscheinlich eher von einer „Kneipen-Kultur“ und
nicht von einer Kulturpolitik des Abgeordnetenhauses sprechen.
[Widerspruch - Momper (SPD); Wir sind hier
nicht in der Kneipe, aber die anderen!]
Ich meine, Sie brauchten sich gar nicht so angesprochen zu fühlen,
es war gar nicht so böse gemeint, daß Ihre Kollegen jetzt im Kasino
sitzen; um diese Zeit sitzen wir doch aber sehr gern in einer wirklich
gemütlichen Berliner Kneipe, um dort in Ruhe über Kultur zu disku
tieren, wobei wahrscheinlich mehr herauskommt als bei dieser Sit
zung des Abgeordnetenhauses, weil wir um die Zeit schon aus dem
Theater zurück sind und uns darüber unterhalten können, wie
schön oder wie schlecht dieses oder jenes Theaterstück war. Und
dann wird sicherlich mehr über Kulturpolitik in dieser Stadt geredet
als hier im Abgeordnetenhaus. Also haben Sie nur nicht solche
Angst, daß ich Sie „anmachen“ will, Herr Dr. Biewald, ich mache
das doch nicht jeden Tag. Ich meine, man sollte doch, wenn man
sich den heutigen Tag einmal ansieht - und ich habe seit zwölf Uhr
hier mehr oder weniger gesessen -, trotzdem ein bißchen lustig
sein um fünf Minuten nach halb zwölf.
[Heiterkeit und Beifall]
Ja, meine Damen und Herren, ich meine —
[Schicks (CDU): Jetzt ist er von seinem Konzept
abgekommen!]
- Nee, nee, warum, Herr Schicks? Über Sie werden wir ja morgen
noch im Vermögensausschuß reden.
[Heiterkeit]
Die Caritas ist nämlich morgen dran, Herr Schicks.
Meine Damen und Herren, ich habe ja Anfang des Jahres anläß
lich der Beratung des Haushalts 1982 bereits Kritik geübt an dem
eklatanten Mißverhältnis - Herr Lehmann-Brauns hat es ja dankens
werterweise schon angesprochen - zwischen der Förderung der
etablierten Kulturinstitutionen einerseits und der Ignoranz - so sehe
ich das, Herr Lehmann-Brauns - gegenüber den verschiedensten
kulturellen Initiativen von unten, die in dieser Stadt existieren, an
dererseits. Verantwortlich gemacht dafür habe ich die Konzeption
des Kultursenators, die darin besteht - und das habe ich ja auch
schon in mehreren Sitzungen des Kulturausschusses dargelegt -,
Repräsentativkultur für wichtiger zu halten als basisbezogene For
men kultureller Praxis. Die letzte Haushaltsperiode nun hat uns ge
nügend Gelegenheit gegeben zu erkennen, daß diesem Senat kul
turelles Repräsentatiergehabe nicht nur Selbstzweck ist, sondern
daß ihm immer auch daran gelegen ist, ganz bestimmte Inhalte re
präsentiert zu sehen. Die diesjährige Arbeit des Kulturausschusses
ist ein Lehrstück dafür gewesen.
Es wird ja oft von einem Skandal gesprochen - ich weiß nicht, ob
man das auch heute in dieser Weise darin sehen kann -, wenn man
sich daran erinnert, daß wir es waren, die im November 1981 einen
Antrag ins Abgeordnetenhaus eingebracht hatten, der sich beschäf
tigt mit dem Jahr 1983. Man muß sich mal überlegen - und das geht
sicherlich nicht nur an den jetzigen Senat, sondern auch an den
Vorgänger-Senat der SPD und F.D.P., die beide offensichtlich nicht
in der Lage waren, für das Jahr 1983 frühzeitig Aktivitäten zu ent
wickeln -, daß der neue Senat unter Führung der CDU und mit Tole
rierung der F.D.P. - jedenfalls im Moment noch, Herr Rasch, man
redet ja viel über Sie und Herrn Oxfort -, es bis jetzt nicht ver
mochte, Vorsorge dafür zu treffen, daß in einem ausreichenden Maß
Aktivitäten entwickelt wurden, um im Jahre 1983 Dinge vorzeigen
zu können, die sicherlich für die deutsche Geschichte von über
ragender Bedeutung gewesen wären und heute sicherlich auch
sind,
[Dr. Biewald (CDU): Das ist eine Diffamierung
des Kuiturratsl]
- Eine Diffamierung des Kulturrats! Sie müssen ja sehen, ich habe
es im Kulturausschuß mehrfach angesprochen, Herr Kollege, als
wir im November 1981 diesen Antrag eingebracht haben, habe ich
von jüdischen Mitarbeitern des Kultursenats im Dezember 1981 er
fahren, daß der Senat versucht, genau diese Aktivitäten an die
Wand zu drücken, von jüdischen Mitarbeitern des Kultursenats!
Und nur durch die Aktivitäten, die gemeinsam entstanden sind mit
dem Kulturrat im Februar 1982, ist der Senat erst, Herr Dr. Biewald,
letztlich in eine Situation gedrängt worden, wo er nicht mehr davon
abkam, auch von sich aus Aktivitäten zu entfalten. Nur, was wird ent
faltet? - Das einzige ist die Sitzung am 30. Januar 1983! Alles an
dere ist nicht vom Senat initiiert, sondern von anderen Institutionen
und vom Kulturrat, eben von unten, eingeleitet worden und wird
auch durchgeführt ohne die finanzielle Unterstützung des Senats.
Das müssen Sie doch einmal sehen, Herr Dr. Biewald; die Frage,
die müssen Sie sich heute hier auch noch gefallen lassen.
Sie wissen, Herr Dr. Biewald, es gibt eine beträchtliche Anzahl
von Projekten, die von Galerien, Theatergruppen, Musikgruppen,
Chören etc. für 1983 geplant sind.
[Kraetzer (CDU); Gott sei Dank nicht alles
von Staatswegen!]
- Ja, Herr Kraetzer, nur wäre es doch ganz schön, wenn man sich
überlegt, daß wir eine Preußen-Ausstellung hinter uns haben mit
mindestens 15 Millionen, wovon allein 5 Millionen nur für Öffent
lichkeitsarbeit rausgeschmissen wurden, wenn man sich dann
überlegt, daß hier Bürger Projekte in einem Finanzvolumen von ca.
3 Mio DM tatsächlich zustandebringen, bedeutet das, wenn Sie das
hochrechnen und wenn wir uns zum Beispiel nur einmal die Lü
becker Straße ansehen, was dort der Kultursenat an Haushaltsmit
teln reinbuttern will und meint, daß das dazu gehört, allein an Perso
nalmitteln, dann würde das doch, wenn diese freien Gruppen ihre
Finanzaufstellung nach dem Haushaltsrecht machen würden, diese
3,2 Mio DM, die diese Leute dafür ausgeben, teilweise mit Unter
stützung des Senats mit 1,2 Millionen DM, zumindest das Doppelte
kosten! Sie müssen sich doch einmal überlegen, was da für Arbeit -
unbezahlte Arbeit - in diesen Projekten drinsteckt, die im nächsten
Jahr, unabhängig vom Senat, durchgeführt werden. Das müssen
Sie sehen!
[Dr. Biewald (CDU): Das ist das lebendige Berlin!]
- Das ist das lebendige Berlin, das Sie eben genau wie wir sehen,
auch innerhalb des Haushalts offensichtlich nicht stützen.
[Kraetzer (ÖDU); Da sieht man doch,
wie das Subsidiaritätsprinzip funktioniert!]
- Ich habe Zeit, wir haben insgesamt drei Stunden, wir können das
verlängern, Herr Kraetzer. - Wir haben das doch gesehen, Herr
Kraetzer, was ist denn am Rande? Ich meine, wenn man über den
Haushalt 1983 redet, dann muß man doch über vergangene
Sachen reden, um vielleicht auch Fehler - und nicht nur Fehler - in
der Zukunft zu vermeiden! Wenn man das gesehen hat am Rande -
und ich muß Ihnen sagen, selbst wenn man heute in der Politik von
politischer Moral nicht mehr sprechen will und auch nicht mehr
sprechen kann -, was ich gerade am Rande von diesen Projekten
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