Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
52. Sitzung vom 10. November 1983
(Ä) Präsident Rebsch: Herr Senator!
Fink, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie;
Nein, Herr Abgeordneter, das kann ich in keiner Weise
erkennen. Ich hatte bereits vorhin darauf hingewiesen,
daß die anderen Berliner Krankenkassen schon seit Jahr
und Tag solche Verträge haben, ohne daß es insofern
zu einer besonders großen Inanspruchnahme gekommen
wäre. Im Gegenteil, die Berliner Sozialstationen, die sich
in den Händen der freien Wohlfahrt befinden, haben
innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums die Zahl der ver
sorgten Patienten auf mittlerweile über 6 000 steigern
können — trotz dieser bereits mit anderen Krankenkas
sen bestehenden Verträge, auf die ich hingewiesen habe,
so daß ich daraus keinerlei Tangierung der Interessen
der Sozialstationen in Sachen häuslicher Krankenpflege
darin erkennen kann. Ich bin im Gegenteil außerordent
lich froh, daß die Leistungen der Sozialstationen in Ber
lin so großartig angenommen worden sind, und freue
mich darüber, daß mittlerweile der Kreis der Patienten,
die in häuslicher Krankenpflege versorgt werden, schon
etwa dem entspricht, was insgesamt in den Krankenhäu
sern für Chronischkranke in Berlin versorgt werden kann.
Präsident Rebsch: Eine weitere Zusatzfrage vom Ab'
geordneten Mertsch.
Mertsch (SPD): Herr Senator! Darf ich Ihre Antwort so
verstehen, daß Sie oder auch Ihr Kollege Wronski nicht
die Absicht haben, zum Schutz der Sozialstationen im
Wege der Aufsicht gegen die Kassen vorzugehen?
Präsident Rebsch: Zur Beantwortung — Herr Senator
Wronski!
Wronski, Senator für Arbeit und Betriebe: Herr Abge
ordneter Mertsch! Was die Absicht betrifft, wird der Kol
lege Fink etwas sagen. Ich möchte zum Rechtshinter
grund folgende Anmerkungen machen: Ihre Frage 1, Herr
Abgeordneter Mertsch, kann den Eindruck erwecken, daß
eine Beschränkung häuslicher Krankenpflege auf die So
zialstationen beabsichtigt sei. Tatsächlich sieht die Reichs
versicherungsordnung im §185 die häusliche Kranken
pflege als Teil der Krankenhilfe im Sinne des §182 RVO,
die wir alle perfekt beherrschen, vor, deren Durchführung
durch Kassenärzte, und die ihnen assistierenden Heil-
und Hilfspersonen vom Sicherstellungsauftrag der Ärzte
umfaßt ist. Mit anderen Worten: Jeder Kassenarzt kann,
soweit es ihm möglich ist und der Patient es wünscht,
die in §185 vorgesehene Leistung der häuslichen Kran
kenpflege ohne vertragliche Vereinbarung mit den Kran
kenkassen erbringen.
Für die Bewertung des Sachverhalts ist vielleicht noch
folgendes von Interesse: Die von Ihnen erwähnten Ver
handlungen beziehen sich lediglich auf besondere Verein
barungen des Entgelts. Eine derartige Vereinbarung zwi
schen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin einer
seits und der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin bzw.
dem Landesverband der Innungskassen besteht bereits
seit Jahren; das ist also nichts Neues. Entsprechende
Gespräche finden nun auch zwischen der Kassenärztli
chen Vereinigung Berlin und dem Landesverband der
Betriebskrankenkassen statt. Das ist der gegenwärtige
Sachstand älterer Art und neuerer Diskussionsrunde.
Präsident Rebsch; Zur weiteren Beantwortung — Herr
Senator Fink!
Fink, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie: Ich (C)
möchte unter Unterstreichung dessen, was der Kollege
Wronski gesagt hat und was ich bereits vorhin ausge
führt habe, auf eines hinweisen: Es gibt neben diesen
Sonderverträgen seit Jahr und Tag eine Reihe von Ver
trägen beispielsweise mit privaten Anbietern häuslicher
Krankenpflege, und zwar weit eher, als wir in Berlin die
Sozialstationen einrichten konnten. Dennoch haben sich
die Sozialstationen sehr wirkungsvoll durchgesetzt und
haben mittlerweile ein wirklich großartiges Angebot in
Sachen häuslicher Krankenpflege geschaffen. Wir sollten
nicht kleinmütig sein; die Leistungen der Sozialstationen
überzeugen die Berliner Bürger in einem solchen Maße,
daß wir keine unbegründeten Konkurrenzängste an den
Tag legen sollten.
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage — der Abge
ordnete Momper.
Momper (SPD): Kann mir der zuständige Senator bitte
die Zahl der im Rechnungsjahr 1982 geleisteten oder von
den Kassen entgoltenen Pflegestunden, vielleicht aufge
teilt auf die AOK und die übrigen Kassen, nennen und
mir sagen, von wann die Vereinbarungen zwischen den
übrigen Kassen und der Kassenärztlichen Vereinigung
datieren?
Präsident Rebsch: Bitte sehr, Herr Senator!
Wronski, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie:
Herr Abgeordneter Momper! Der zuständige Senator kann
das, aber nicht im Augenblick. Er wird Ihnen die Daten
ausliefern. ^
Präsident Rebsch: Nächste Zusatzfrage — Frau Brinck-
meier!
Frau Brinckmeier (SPD): Herr Senator! Ich frage Sie,
auch wenn Sie es zu einer allgemeinen Routinesache ma
chen wollen, als ob es gang und gäbe wäre, solche Ver
einbarungen zwischen den Kassen und bestimmten Trä
gern abzuschließen: Trifft es tatsächlich zu, daß es in
diesem Fall zu einer Vereinbarung nur deshalb noch
nicht gekommen ist, weil man eben doch befürchtet, un-
abgestimmt zu handeln und dadurch der Kassenärztlichen
Vereinigung in den Rücken zu fallen?
Präsident Rebsch: Bitte sehr, Herr Senator!
Fink, Senator für Gesundheit, Soziales und Familie:
Frau Abgeordnete, ich bitte Sie, in einem solchen Vor
gang, der schon seit Jahr und Tag mit den größten Kran
kenkassen von Berlin besteht, doch nichts Geheimnisvol
les, Hintergründiges, Angst Machendes zu sehen. Ich
sehe dafür überhaupt keinen Anlaß. Die Sozialstationen
sind in Berlin in einem so großartigen Maße angenom
men worden und haben durch ihre Leistungen so sehr
überzeugt, daß wir alle miteinander nicht bange sein
müssen. Ich freue mich aber darüber, Frau Kollegin, daß
Sie mittlerweile Ihr Herz für die Sozialstationen entdeckt
haben, nachdem Sie ursprünglich die Einrichtung der So
zialstationen abgelehnt haben.
[Beifall bei der CDU — Zuruf der Frau Abg.
Brinckmeier (SPD) — Momper (SPD): Sie erzählen
vielleicht einen Quatsch, Herr Fink! Sie müssen
sich mal besser informieren! — Dummdreiste
Sachen!]
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