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Volume Nr. 17, 25. Februar 1982

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1981/82, 9. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

17. Sitzung vom 25. Februar 1982 
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Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
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Dr. Vogel (SPD), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr ver- 
ebftfjrten Damen und Herren! Herr Senator Scholz als einziger Vertre- 
er des gesamten Senats! 
[Pätzold (SPD): Das gab’s noch nie, Herr Kollege Dr. Vogel! 
Bisher war es gute Übung, daß alle Mitglieder des Senats 
bei Berichten des Petitionsausschusses anwesend waren! - 
Rasch (F.D.P.); Das war in guten, alten Zeiten!] 
Herr Kollege Pätzold, ich bitte um Verständnis dafür, daß ich mich 
gjj ion dieser Stelle in dieser meiner Eigenschaft zu diesem Vorgang 
glicht äußere. 
[Sellin (AL): Sie können ja mal eine Petition schreiben!] 
h habe in einer sehr turbulenten Zeit dem Vortrag der Kollegin 
3reiff als Vorsitzenden des Ausschusses von der ersten bis zur letz 
en Minute zugehört, weil ich diesen Bericht für wichtig gehalten 
iahe. 
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[Beifall bei der SPD] 
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Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, mit dem Peti- 
ionswesen ist es wie mit manchen anderen parlamentarischen und 
temokratischen Prinzipien: Alle loben und preisen dieses Petitions- 
vesen bei festlichen Gelegenheiten, und auch in den Informations- 
jroschüren fehlt der Hinweis auf dieses wichtige Recht nicht - in 
ier täglichen Praxis sieht es dann meist ein bißchen anders aus: 
3er politische Stellenwert des Ausschusses wird dann eher zurück- 
n C lallend beurteilt, das Interesse an seiner Arbeit ist unterschiedlich, 
' nt vächst aber allmählich, und der Informationsstand über den Um- 
ang und die Ergebnisse der Arbeit muß wohl auch als unterschied- 
ich bezeichnet werden. Nach § 12 des Petitionsgesetzes ist im 
nc #-lalbjahresabstand über die Arbeit zu berichten. Dies ist schriftlich 
jeschehen, ich nehme aber die Gelegenheit wahr, noch einige 
mündliche Erläuterungen zu geben. 
Das Petitionsrecht ist ein Individualgrundrecht. Es ist der Verfas 
sungsbewegung des 19. Jahrhundert nicht kampflos in den Schoß 
gefallen, sondern gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt Wor 
ten. Es findet sich erstmals in der Paulskirchen-Verfassung von 
es P [ 1849. Es hat zwei Zielrichtungen: einmal die Hilfe und den Schutz 
ür den einzelnen Bürger und die einzelne Bürgerin, und zum an- 
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^ fern ist es eine Informationsquelle für das Parlament - ein wichtiger 
erti : aktor. Im Vordergrund der Arbeit stand nach wie vor die Hilfe für 
ten einzelnen Bürger. Der einzelne Bürger wendet sich an das Par 
ament, weil er sich in seinen Rechten verletzt oder zumindest in 
seinen Interessen gekränkt und beeinträchtigt fühlt. Er will, daß das 
T,eit Parlament als sein Fürsprecher auftritt; er will, daß sich das Parla 
ment, die von ihm gewählten Abgeordneten, seiner persönlichen 
vl6 Sache annehmen; er will meistens eine Änderung einer schon ge 
raffenen Entscheidung. Daß er sich mit dieser seiner Sorge an das 
Parlament wendet ist aber gleichzeitig auch ein Zeichen des Ver 
trauens, das er in die von ihm gewählte Volksvertretung setzt 
Im vergangenen halben Jahr haben 2000 Berlinerinnen und Ber 
liner von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. In fast 30 % der 
Fälle konnte ganz oder teilweise geholfen werden. Sie finden im Be- 
Ijegi rieht unter Ziffer 1 bis 3 typische Fälle, wie diese Hilfe aussieht und 
ech was sie für den einzelnen bedeutet. Ich gestatte mir als Fußnote die 
ia tj Anmerkung, daß da und dort natürlich für den Ausschuß schon die 
^ g! Frage auftaucht, warum die schließlich gefundene und auch von der 
ns Verwaltung unterstützte Lösung erst nach Einschaltung des Peti 
tionsausschusses möglich war, warum sie nicht schon im ersten 
iAnlauf gefunden wurde. Das gilt insbesondere für das erste Bei 
spiel, das ich Ihrer Aufmerksamkeit in besonderer Weise empfehle. 
In anderen Fällen konnte der Ausschuß in dieser Weise nicht hel 
fen. Es bedeutet aber auch eine Hilfe für das Klima in unserer Stadt, 
Wenn Bürgern die Überzeugung vermittelt wird, sie seien gerecht 
behandelt worden, die Verwaltung habe sie so behandelt, wie es 
der Rechtslage und den Gegebenheiten entspricht. Wir haben 
zwei, drei Fälle auch als Beispiele unter IV, die Ihnen zeigen, aus 
welchen Gründen Hilfe nicht möglich war, wo der Ausschuß an 
seine Grenzen stößt. 
Die Zahl der querulatorischen Eingaben - und manche denken ja, 
wenn von Petitionen die Rede ist, eigentlich nur an das Stichwort: 
Querulanten - ist erfreulich gering, wobei ich unter „querulatorisch“ 
eigentlich nur die Fälle verstehe, wo jemand etwas völlig Unmög 
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rusa 
liches oder in ständiger Wiederholung immer wieder ein und das 
selbe verlangt Im übrigen sollte man bei dieser Gelegenheit nicht 
außer Acht lassen, daß querulatorische Verhalten oft darauf zurück 
zuführen ist, daß in einem frühen Stadium dem Betreffenden ein Un 
recht widerfahren ist - auch Michael Kohlhaas wurde erst zu Mi 
chael Kohlhaas, weil ihm Unrecht geschehen ist und dieses Un 
recht nicht behoben wurde. 
[Zuruf von der SPD: Sehr richtig!] 
Es gibt natürlich unter den Eingaben auch eine ganze Anzahl von 
solchen, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht. Hier 
haben wir im Ausschuß unterschieden: Wenn es sich um solche 
handelte, die vom Parlament bereits getroffene Entscheidungen an 
sprechen, dann haben wir auf die Entscheidungen hingewiesen. Es 
kann nicht die Aufgabe des Petitionsausschusses sein, als zweites 
Plenum zu fungieren und getroffene Entscheidungen dort noch ein 
mal zur Diskussion zu stellen. Das galt für viele Eingaben zur Er 
höhung der Hundesteuer, den Streudienst betreffend, auch viele 
Eingaben etwa die Kita-Gebühren betreffend. Hier haben wir ge 
sagt: Wenn die zuständigen Ausschüsse und das Plenum die Ent 
scheidung vorbereiten, dann kann der Petitionsausschuß nicht ein- 
g reifen. 
Ein anderes Problem, dem wir häufig begegnen; daß Bürger sich 
am Abschluß eines ganz langen Planungsprozesses, wenn alle Ent 
scheidungen gefallen sind, an den Petitionsausschuß wenden. In 
diesen Fällen haben wir, wenn nicht ganz besondere Gründe Vor 
lagen, darauf verzichtet, die Sache noch einmal von uns aus aufzu 
greifen - das kann auch nicht der Sinn der parlamentarischen Be 
fassung des Petitionsausschusses sein. 
Wir haben weiter Fälle gehabt, in denen nicht wir, sondern an 
dere Ausschüsse sachlich zuständig waren; und ich darf mit Dank 
vermerken, daß aufgrund solcher Anregungen andere Ausschüsse 
in einer ganz bemerkenswerten Anzahl von Fällen zu positiven Ent 
scheidungen gekommen sind. Ich erwähne das merkwürdige Pro 
blem, das mir erst in Berlin begegnet ist, daß für Segelführer 
scheine in Berlin sowohl ein amtlicher Führerschein verlangt wird 
als auch - unter besonderen Voraussetzungen für sportliche Wett 
bewerbe - ein vereinseigener Segelführerschein. Wir haben durch 
unseren Anstoß bewirkt, daß der zuständige Ausschuß nunmehr 
dem Senat empfohlen hat, es - so wie in anderen Bundesländern 
auch - bei den verbandseigenen zu belassen - unter Aufsicht der 
zuständigen Senatssteile. Ich würde die Bitte des Verkehrs 
ausschusses unterstreichen, daß dies bald zu einem Ende kommt. 
Weniger erfolgreich waren wir in der Frage der Seniorensperr 
zeit Hier hat der geäußerten Bitte, wenigstens hinsichtlich des 
Nachmittags einer Streichung entgegenzutreten, der Verkehrs- und 
Betriebe-Ausschuß nicht zu folgen vermocht, aus finanziellen Grün 
den. Wir haben uns damit zufrieden gegeben, aber wir haben uns 
vorgenommen, die Sache nach einem halben oder dreiviertel Jahr 
erneut aufzugreifen, weil wir hier in Berlin tatsächlich eine schlech 
tere Regelung haben als eine ganze Anzahl vergleichbarer Städte. 
Und das Anliegen erscheint uns an sich berechtigt. 
Stellv. Präsident Longolius; Gestatten Sie eine Zwischen 
frage? 
Dr. Vogel (SPD): Bitte sehr! 
Wendt (AL): Herr Kollege Vogel! Ist Ihnen bekannt und würden 
Sie es diesem Hause zur Kenntnis geben, daß im Ausschuß für Be 
triebe die Beratung all dieser Petitionen, es waren, glaube ich, an 
die dreißig, keine fünf Minuten gedauert hat? Sie wurden mit dem 
Hinweis abgetan, daß das schon vor einigen Jahren mal behandelt 
worden ist. 
Dr. Vogel (SPD): Dies, Herr Kollege, ist mir nicht bekannt; dar 
um kann ich es auch schwerlich mitteilen. Ich würde es aber positiv 
aufgreifen und den Ausschuß bitten, wenn der Petitionsausschuß 
erneut an ihn mit dieser Sache herantritt, es dann gründlicher und 
eingehender und mit besonderer Sorgfalt zu behandeln. 
[Allgemeiner Beifall] 
(C) 
(D)
	        
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