Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
2. Sitzung vom 25. Juni 1981
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(A) Stellv. Präsident Longolius: Meine Damen und Herren, wei
tere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit hat diese Große
Anfrage ihre Erledigung gefunden.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 4, Drucksache 9/29:
Große Anfrage der Fraktion der SPD über Neuord
nung der Geschäftsverteilung des Senats
(B)
1. Welche Erwägungen haben den Regierenden
Bürgermeister zu seinem Vorschlag über die Neu
ordnung der Geschäftsverteilung des Senats ver
anlaßt? Welche Vorteile erwachsen aus der Neu
ordnung für die Bürger? Welche Gründe waren
insbesondere dafür maßgebend,
— die für Berlin besonders bedeutsamen kultu
rellen Angelegenheiten nicht mehr in einem
selbständigen Ressort wahrnehmen zu lassen,
sondern einem durch die wissenschaftlichen
Angelegenheiten bereits voll ausgelasteten
Senator als Nebenaufgabe zuzuteilen?
— Die Zuständigkeit für Jugend- und Familien
angelegenheiten zu trennen?
— die bisherige Zuständigkeit des Senators für
Arbeit und Soziales auf verschiedene Ressorts
zu verteilen?
2. Welches Senatsmitglied ist künftig für folgende
Aufgabengebiete verantwortlich:
— Sozialversicherung,
— Ausbildungsförderung,
— Erziehungs- und Familienberatung,
— Drogenfragen,
— Förderung der außeruniversitären Forschung
und Entwicklung,
— Landes- und Stadtplanung, Verkehrsplanung,
— Stadterneuerung, einschließlich Modernisierung
und Instandsetzung sowie Abbau von Leer
ständen,
— Naturschutz,
— Wasserwirtschaft,
— Arbeitsschutz,
— Gewerbeaufsicht,
— Arbeitsmedizin?
3. Welche Dienststellen und Ämter oder Teile von
solchen sind von der Neuregelung betroffen?
Welche werden aufgelöst, eingeschränkt, verlegt
oder zusammengelegt? Wie viele Beamte, Ange
stellte und Arbeiter werden davon berührt?
4. Wie weit sind die Erörterungen der neuen Ge
schäftsverteilung mit dem Hauptpersonalrat ge
diehen? In wie vielen Dienststellen müssen die
Personalvertretungen neu gewählt werden? Für
wie viele Dienstkräfte — getrennt nach Beamten,
Angestellten und Arbeitern — muß zur Verwirk
lichung der neuen Geschäftsverteilung die vor
herige Zustimmung der Personalvertretungen ein
geholt werden? Welchen Stand haben diese Ver
fahren erreicht?
5. Welche Mehrkosten entstehen durch die neue Ge
schäftsverteilung? Welche Stellen müssen neu ge
schaffen werden? Welche können eingespart
werden?
6. Wann wird die neue Geschäftsverteilung rechtlich
wirksam? Was gilt bis dorthin? Wird die Neuord
nung bereits im Entwurf des Landeshaushalts 1982
berücksichtigt?
7. Welche Institutionen, Organisationen und Ver
bände hat der Regierende Bürgermeister von sei
nem Neuordnungsvorschlag gehört? Wie haben
sich diese geäußert?
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Schneider.
Schneider (SPD): Herr Präsident, meine sehr geehrten
Damen und Herren! Um am Anfang gleich einem Mißver
ständnis vorzubeugen: Niemand, auch wir nicht, bestreiten
dem Senat das Recht, neue Ressortaufgliederungen vorzu
nehmen und die Verwaltung umzustrukturieren. Jede Neu
gliederung einer Verwaltung, die dem Bürger dienen sollte,
muß sich an ganz bestimmten Kriterien messen lassen. Zum
einen muß die Verwaltung überschaubar sein und soll dar
über hinaus auch noch bürgernah sein,
[Zemla (CDU); Genau das ist der Punkt gewesen!]
Zweitens muß sie klare Verantwortlichkeiten erkennen las
sen. Es müssen ferner Reibungspunkte vermieden werden
und ein Höchstmaß an Effizienz erreicht werden. Das Prin
zip der Sparsamkeit muß stets beachtet werden. Gerade die
Verwaltung in einem demokratischen Staat sollte auch die
Rechte der betroffenen Mitarbeiter nicht übergehen. Ich
glaube, da sind wir uns alle einig. Schließlich muß sich ge
rade auch diese politisch bedingte Neugliederung der Ber
liner Verwaltung an dem messen lassen, was von der CDU
vor der Wahl gesagt worden ist.
Präsident Rebsch: Herr Abgeordneter Schneider, gestatten
Sie eine Zwischenfrage? — Bitte schön, Herr Abgeordneter
Diepgen!
Diepgen (CDU): Herr Kollege Schneider, ich wollte eigent
lich wissen, da Sie so überzeugend einzelne Kriterien auf
gelistet halsen, seit wann Sie zu dieser Überzeugung und
der Überzeugung zur notwendigen Umsetzung gekommen
sind?
Präsident Rebsch; Bitte, Herr Kollege Schneider!
Schneider (SPD): Herr Kollege Diepgen, zu dieser Über
zeugung bin ich wahrscheinlich gleichzeitig mit Ihnen ge
langt, weil wir etwa gleichaltrig sind. An der Umsetzung
dieser Überzeugung habe ich erst seit kurzem arbeiten kön
nen, weil ich diesem Abgeordnetenhaus noch nicht so lange
wie Sie angehöre.
[Beifall bei der SPD]
Die uns vorliegenden Informationen, die die Umgliederung
und Neustrukturierung der Berliner Verwaltung betreffen,
sind fast sieben Wochen nach der Wahl ziemlich dünn, dürr
und nicht aussagekräftig. Deshalb sahen wir uns zu dieser
Großen Anfrage mit den vielen Unterfragen veranlaßt. Ins
besondere bei den einschneidenden Veränderungen im Be
reich der für den Bürger wichtigen Leistungs- und Betreu
ungsverwaltung vermissen wir zur Zeit noch jegliche Kon
zeption, was sicher bei der fehlenden Verwaltungserfahrung
des Regierenden Bürgermeisters persönlich entschuldbar,
für unsere Stadt aber insgesamt schlecht ist. Was bisher an
die Öffentlichkeit drang, läßt den Eindruck des Zufälligen
oder — etwas schlimmer ausgedrückt — des Gefälligen
gegenüber den Forderungen einzelner Senatsmitglieder ent
stehen.
Es geisterte durch die Presse, daß die Schulsenatorin völ
lig ungeschminkt die Besoldungsgruppe A16 für ihren per
sönlichen Referenten forderte. Der Senatssprecher wird
schon vor dem Nachweis seiner Leistungsfähigkeit auf das
Ruhekissen eines Senatsdirektors befördert. Da werden
Referate hin- und Abteilungen wieder hergezerrt. Kurzum,
die Berliner Verwaltung bietet für den außenstehenden Be
trachter im Moment das Bild eines Selbstbedienungsladens
für Zugereiste.
[Adler (CDU): Da haben Sie ja Erfahrung!]
Wir haben zuallerletzt etwas gegen Bundespolitiker, die
gewillt sind, in Berlin politische Verantwortung zu überneh
men. Das ist durchweg möglich. Sie sollten aber ohne Wenn