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Volume Nr. 16, 11. Februar 1982

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1981/82, 9. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

858 
Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
(A) 
(B) 
Präsident Rebsch: Zur Beantwortung Herr Senator Dr. 
Hassemer! 
Dr. Hassemer, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt 
schutz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 
Geschichte der Chemikalienfirma Ferak muß man zwei Pha 
sen unterscheiden. Bis 1979 produzierte die Firma Ferak 
Thiophosgen. Das ist ein Kampfstoff aus dem 1. Weltkrieg. 
Das Ende dieser Produktion wurde damals durch behörd 
liche Anordnungen erreicht. Die Aktivitäten der Behörden 
ergingen auf Grund von Hinweisen aus der Bevölkerung. 
Die Firma Ferak verstieß damals auch gegen Vorschriften 
über die Lagerung von Abfallstoffen aus dieser Thiophos- 
gen-Herstellung, indem sie die gefährlichen Abfallstoffe in 
ungeeigneten Metallfässern unter freiem Himmel und auf 
unbefestigtem Boden lagerte. 
Bis Anfang 1980 stellte die Firma Ferak außerdem auch 
Bromcyan her, auch ein Kampfstoff aus dem 1. Weltkrieg. 
Die Abwässer aus dem dafür benutzten Produktionsraum 
wurden über ein Regenfallrohr in die Entwässerung geleitet, 
die in den Teltowkanal führte. Danach wurde der Teltow 
kanal im Jahre 1980 durch cyanidhaltige Abwässer ver 
unreinigt. 
Dieser Sachverhalt der ersten Phase ist Gegenstand der 
Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom Dezember 1981. 
Man muß hiervon die zweite Phase unterscheiden: Bei einer 
Besichtigung der drei Neuköllner Betriebsniederlassungen 
der Firma Ferak am 15. Dezember 1981 durch das Bezirks 
amt und die Senatverwaltung für Stadtentwicklung und Um 
weltschutz wurden in dem Chemikalienlager in der Lahn 
straße rd. 2,5 Tonnen PCM und in der Friedrichsbrunner 
Straße 250 Gramm Thiophosgen entdeckt. Die am 1. Februar 
1982 erfolgte Beschlagnahme dieser Stoffe erging auf An 
ordnung der Staatsanwaltschaft zu Beweiszwecken wegen 
eines möglichen Verstoßes gegen das Kontrollratsgesetz 
Nr. 43. 
Um jetzt insbesondere auf die Fragen von Herrn Dr. 
Jänicke einzugehen: Ich meine, daß gerade im Fall des 
Thiophosgens erkannt werden kann, daß durch Maßnahmen 
der Behörden schließlich die Produktion eingestellt wurde. 
Ich meine darüber hinaus, daß in Berlin die Besonderheit 
des Kontrollratsgesetzes Gewähr dafür bietet, daß hier mit 
besonderer Sorgfalt darauf geachtet wird, daß keine für die 
Bevölkerung problematischen Stoffe hergestellt werden. 
Auf die Fragen, wie derartige Probleme in der Zukunft 
zuverlässig ausgeschlossen werden können, muß ich darauf 
hinweisen, daß Probleme in Zusammenhang mit der Herstel 
lung und Umfüllung von Chemikalien für alle Fälle und für 
alle Zukunft nicht absolut ausgeschlossen werden können. 
Allein die Firma Ferak bietet in ihrem Sortiment rd. 40 000 
Stoffe an, allein auf diesem Gelände lagern Tausende von 
Chemikalien. Als Konsequenz kann man nur ziehen, daß die 
jenigen Vorkehrungen getroffen werden müssen, die die 
Gefahren aus solcher chemischen Produktion möglichst 
stark mindern. Ich möchte dafür drei Arten von Konseqenzen 
andeuten: 
1. Es wird in erster Linie auf die gewerberechtliche Zuver 
lässigkeit der Betreiber ankommen. Die Verantwortung 
gerade solcher Betreiber ist außerordentlich groß. 
2. Es wird darauf ankommen, daß bei Verstößen entschie 
dene Maßnahmen ergriffen werden. In diesem Zusammen 
hang muß man — im Kontakt mit dem Problem der Firma 
Ferak — besonders auf die Aktivitäten der Staatsanwalt 
schaft hinweisen, die sicher Wichtiges und Sinnvolles in 
diesem Fall unternommen hat. 
3. Der Senat bekennt sich dazu, daß eine bessere Zuord 
nung der zuständigen Behörden sein Ziel sein muß. Diese 
bessere Zuordnung soll erreichen, daß nicht nur regelmäßig, 
sondern auch abgestimmt überwacht wird, daß jede Informa 
tion verwertet und daß das Notwendige schnell umgesetzt 
und in die Praxis gebracht werden kann. 
Wir bekennen uns zu dieser Aufgabe, können aber Ergeb 
nisse unserer Bemühungen heute noch nicht vorlegen. 
Präsident Rebsch: Das Wort für eine Zusatzfrage hat Herr 
Professor Dr. Jänicke. 
16. Sitzung vom 11. Februar i 
bgei 
Dr. Jänicke (AL): Herr Senator, Sie haben versucht, 
mit dem Hinweis auf die fürsorgliche Rolle der Behörde: 
zu beruhigen. Ich frage Sie: Warum wurden nicht bereit: !tS ' 
Maßnahmen im Jahre 1980 ergriffen, und wie beurteilt de: 
Senat überhaupt die Zuverlässigkeit einer Kontrollbehörde 
die sogar bei Kontrollgängen diese Mißstände übersehe: 
hat? Und wie beurteilt der Senat die Tatsache, daß Journj 
listen und aktive Bürger diese Mißstände aufgedeckt haben 
und aufdecken mußten? 
Präsident Rebsch: Zur Beantwortung hat Herr Senator D 
Hassemer das Wort. 
IPrä 
Dr. Hassemer, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt 1, 
schütz: Herr Professor Jänicke! Ich muß darauf hinweisen 
daß für das Jahr 1980 — deswegen habe ich die Vorgänger 
zwei Phasen unterteilt — die Behörden davon ausgehe: 
konnten und auch noch heute davon ausgehen können, dal | 
die Produktion dieser Kampfstoffe eingestellt war. 
Zweitens muß ich darauf hinweisen, daß die Aufdeckun: i 
der Einzelheiten in der Tat den Mitarbeitern der zuständige: 
Behörden zu verdanken ist. 
'unc 
:h ir 
Was die anwohnenden Bürger dazu beigetragen habet 
waren Hinweise im Jahre 1980 auf mögliche Gefahren, dii 
Geruchsbelästigungen betrafen. 
Präsident Rebsch: Zu einer Zusatzfrage - der Abgeord : 
nete Swinne! 
Swinne (F.D.P.): Herr Senator! Wie wird künftig sichet J 
gestellt, daß eine illegale Einleitung in die Kanalisation ode 
in offene Gewässer wie dem Teltowkanal durch Chemie 
firmen nicht passiert? Hält der Senat die Installierung ent 
sprechender Kontrollmeßgeräte für angebracht und wün 
sehenswert? 
Präsident Rebsch: Zur Beantwortung — Herr Dr. Hassemer 
Dr. Hassemer, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt 
schütz: Herr Abgeordneter Swinne, wir sind der Auffassung 
daß wir über die Gewässer-Gütemessung hinaus gerade be 
solchen Anlagen nur weiterkommen, wenn wir abgestimm 
und sorgfältig die Anlagen selbst überprüfen. Auch dabe 
muß ich darauf hinweisen, daß die Erkenntnis, daß Gifte ir 
den Teltowkanal eingeleitet wurden, sich nicht etwa aus de; 
Wasser-Gütemessung, sondern aus Oberprüfungsmaßnah- 
men der Wasserbehörde ergab. Die Wasserbehörde hat be; 
ihren Oberprüfungsmaßnahmen — damals zwar aufmerksam! 
gemacht durch die Umweltbehörde — erkannt, daß über 
Regenwasserkanal unsachgemäß Schmutzwasser aus Reini- 
gungsvqrgängen in den Teltowkanal abgeleitet wurden. Aud 
diese Überprüfungen der einzelnen Anlagen muß künftig 
forciert koordiniert werden. 
[Prä; 
:hol; 
Präsident Rebsch: Zu einer Zusatzfrage — der Abgeord- 
nete Städing! 
Sr zu 
Städing (SPD): Herr Senator, können Sie schon heuteii 
darüber Auskunft geben, ob Ihnen bekannt ist, daß chemi 
sche Endprodukte dieser Firma bewußt unter falscher 1| 
Namen verkauft und versandt wurden, um die Gefährlichkeil 
dieser Stoffe zu verschleiern? 
[Zuruf von der CDU: Woher wissen Sie denn das?] 
Präsident Rebsch; Herr Senator! 
Dr. Hassemer, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt 
schutz: Herr Städing, es tut mir leid, daß mir hierzu keine 
Erkenntnisse vorliegen. Ich kann aber hinzufügen, daß uns 
solche zusätzlichen Hinweise sehr nützen können. 
[Beifall bei der CDU]
	        
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