Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
14. Sitzung vom 22. Januar 195;
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Dr. Kremendahl
durch bestimmte Vorgänge an der FU. Ich halte auch dies für pro
blematisch; wir sollten, wenn wir über die Zusammensetzung von
Hochschulgremien reden, generelle Betrachtungen anstellen und
nicht auf derzeitige und auch seit kurzem erst bestehende, in
einigen Gremien zumindest, Mehrheitsverhältnisse schauen.
Dies ist sicherlich ein falscher Ansatz.
Das dritte ist; Wir Sozialdemokraten halten fest an der Politik
der Hochschulreform, wie sie seit mehr als zwölf Jahren in dieser
Stadt mit den Senatoren Werner Stein, Gerd Löffler, Peter Glotz
und Günter Gaus betrieben wurde. Wir halten insbesondere am
Grundsatz der Gruppenuniversität fest, und das heißt ganz kon
kret an der Mitbestimmung aller Hochschulangehörigen, der Pro
fessoren, der wissenschaftlichen Mitarbeiter, der Studenten und
der sonstigen Mitarbeiter, funktional gewichtet, je nach der Ent
scheidungssituation, aber nach dem Grundsatz einer Mitbestim
mung, die diesen Namen verdient.
Wir halten weiterhin fest am Grundsatz der sozialen Öffnung
der Hochschulen in Verbindung mit der Ausweitung ihrer Aufgabe
der Weiterbildung. Dies zielt auf einen spezifischen Novellie
rungsvorschlag hin; wir halten an dem Grundsatz fest, daß die
Universitäten ein Stück Reform der Gesellschaft mit voranzubrin
gen haben, daß wir sie in Forschung und Lehre dazu instand
setzen müssen und daß von da her ein dauerndes Zerreden der
universitären Strukturen nicht sinnvoll ist und von uns auch nicht
gebilligt wird.
Viertens: Wir erwarten mit großer Spannung, ob die Fraktion
der Freien Demokraten der bislang in dieser Stadt gemeinsam
getragenen Hochschulpolitik auch Ausdruck geben wird und,
wenn es um die Entscheidung geht, zu dieser Hochschulpolitik
stehen wird, oder ob - wie wir es am Beispiel der Mietpreisbin
dung, am Beispiel der Tarife für die Kindertagesstätten und auch
am Beispiel des Auslandererlasses des Innensenators erlebt
haben - letztlich dann doch beim Entscheidungsverhalten das
Motiv durchschlägt, den-jedenfalls von der Mehrheit der F.D.P.-
Fraktion in diesem Hause gestützten - Senat nicht im Regen ste
hen zu lassen. Ich bin nicht so sehr darauf gespannt, was Herr
Kollege Dr, Dittberner, dessen Auffassung ich kenne, gleich von
diesem Mikrofon aus erklären wird, ich bin sehr viel mehr ge
spannt darauf, wie es dann in der II. Lesung im Plenum dieses
Hauses aussehen wird.
Meine Damen und Herren, zu den wichtigsten Vorschlägen,
nicht zu allen, die die CDU-Fraklion hier eingebracht hat: Wir So
zialdemokraten lehnen die Streichung des § 9 des Berliner Hoch
schulgesetzes ab. Wir tun das nicht nur, weil wir dieses in der
Vergangenheit vertreten haben, weil es Peter Glotz war, der in
besonderer Weise Wert darauf legte, daß dies so im Berliner
Hochschulgesetz auftrilt, sondern wir tun es vor allen Dingen,
weil wir die Perspektive einer Hochschulplanung in dieser Stadt
auf eine mittel- bis längerfristige Veränderung der Hochschul
landschaft in dieser Stadt offenhalten wollen und weil wir auch
uns selbst und die jeweils politisch Verantwortlichen nicht aus der
Pflicht für diese Reformausgabe entlassen wollen.
Wir sind der Auffassung, daß unsere Fachhochschulen - wir
haben dies hier diskutiert, und ich kann es daher nur stichwortar
tig sagen - dringend einer Strukturveränderung bedürfen, bei der
die Perspektive Gesamthochschule hilfreich sein kann.
Wir sind zweitens der Auffassung, daß auch die übrige Berliner
Hochschullandschaft einer Überprüfung längerfristiger Art be
darf, ob die Strukturen so richtig sind oder ob nicht mit der Hilfe
des Gesamthochschul-Gedankens sinnvolle Veränderungen
möglich sind. Wir sind gegen die Streichung des § 9, und wir wer
den als Sozialdemokraten auch durch eigene Initiativen diese un
sere Haltung untermauern und hier unsere Vorstellungen weiter
voranbringen.
Wir halten fest an der Viertel-Parität im Konzil. Es gehört zum
Grundsatz der Gruppenuniversität, daß in einem Gremium, das
die Hochschulleitung wählt und das nicht durch das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts und das Hochschulrahmengesetz
auf ein Übergewicht einer bestimmten Gruppe, nämlich der Pro
fessoren, festgelegt ist, alle Mitglieder der Hochschule gleichbe
rechtigt repräsentiert sind. Bei der Wahl des Präsidenten und der
übrigen Hochschulleitung halten wir dieses für ein Gebot. Von da
her keine veränderte Zusammensetzung des Konzils aus unsere
Sicht, keine Zusammensetzung aus der Gesamtheit der Fas>
bereichsräte!
Die Absicht, dem Kuratorium das Vorschlagsrecht für den Prj.
sidenten allein zu überantworten, ist ebenfalls problematisch. Vft
Sozialdemokraten haben immer die Position vertreten, daß die
Kuratorialverfassung der Berliner Universitäten Ausdruck de:
• Tatsache ist, daß Staat und Hochschule gemeinsam handelt
müssen, daß Hochschulaufonomie nicht Abschottung von de:
Gesellschaft bedeutet und daß in den Hochschulen eben auch
eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrgenommet
wird.
Wir sind jedoch nicht der Auffassung, daß ein Präsident, de:
von einer Mehrheit von Nichthochschulangehörigen bindend
ohne daß da andere Vorschläge gemacht werden können, vorge
schlagen wird, seine Aufgabe sachgerecht erfüllen könnte.
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Der Vorschlag der CDU, den Akademischen Senat in einer Ut-
wähl zu wählen und um vier Fachbereichssprecher zu ergänzen
ist ebenfalls nicht sinnvoll. Ich gestehe gerne zu, Herr Kollege Dt
Heyden, daß es bei der gegenwärtigen Struktur der Fachbereichs
Verzerrungen gibt - dort gibt es kleinere, dort gibt es größere -. dis
beim gegenwärtigen das gleiche Gewicht haben. Ich weise Sie
aber darauf hin, daß es bei einer Urwahl, wo sozusagen eine ge
samte Hochschule den Wahlkörper bildet, ebenfalls Verzerrun
gen geben kann. So würde sich an der Freien Universität ein nich!
hinnehmbares Übergewicht des medizinischen Sektors aufgrund
der dort vorhandenen Personalstärke ergeben. Und die Ergän
zung um vier Hochschullehrer aus dem Bereich der Fachbe
reichssprecher wäre nicht nur - und darauf weist Herr Präsiden:
Lämmert gerne hin - eine Unzumutbarkeit gegenüber de;
ohnehin vorhandenen Arbeitsbelastung dieses Personenkreises
sondern es würde auch der Gruppe der Professoren im Akademi
schen Senat ein derartiges Übergewicht geben, daß die Mitbe
stimmung der anderen Gruppen, der wissenschaftlichen Mitar
beiter, der Studenten und der sonstigen Mitarbeiter, nur noch
Staffage wäre. Das würde unserem Grundsatz der Gruppenuni
versität widersprechen.
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Nun zum Medizin-Kanzler. Wir halten es nicht für sinnvoll, ein
dahinter stehendes, denkbarerweise löbliches Sparvorhaben da
mit zu beginnen, daß man eine neue hochdotierte Stelle schafft
Wir sind für die Stärkung der Rolle der Verwaltungsleiter in den
Klinika, und wir sind - und das werden wir in der nächsten Sit
zung in Form von einigen Anträgen deutlich machen - dafür, dal
der medizinische Bereich durchleuchtet wird und geprüft wird
unter dem Gesichtspunkt sinnvoller Einsparungen.
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Aber wir wollen dies nicht erkaufen mit einem unerträglicher
Kompetenzgerangel an der Universitätsspitze, das sich durch
zwei Kanzler darstellen würde. Wir wollen auch nicht mit dem Me
dizin-Kanzler einen halbherzigen Schritt in Richtung Medizini
sche Hochschule tun. Wenn Sie schon in die Überlegungen mit
einbeziehen - das könnte eine Perspektive sein, offene Frage,
ich habe dazu keine feststehenden Antworten die Medizin län
gerfristig aus dem Hochschulverbund herauszulösen und zt
einer eigenständigen Medizinischen Hochschule zu kommen,
dann beschließen Sie doch einen Prüfauftrag in dieser Richtunc
und lassen Sie uns mittelfristig bis längerfristig darüber reden,
aber bringen Sie nicht so eine kurzatmige Angelegenheit wie der
Medizin-Kanzler, wo meines Erachtens der Schaden und die
Kompetenzkonflikte, die dadurch entstehen, sehr viel größer sine
als der Nutzen.
Meine Damen und Herren, Hochschulreform ist eine ständige
Aufgabe der Universitäten und des Landes Berlin, so will es det
Gesetzgeber, so wollen wir es als Sozialdemokraten. Wir sine
von da her auch als Oppositionspartei durchaus bereit, über Ver
besserungen im Hochschulbereich nachzudenken, konstruktive
Vorschläge zu machen und Fehlentwicklungen, dort wo sie auf
getreten sind, abzustellen. Es sollte zum Beispiel geprüft werden,
ob der zu Recht häufig oekiagten FunKtionsiosigkeit, der häufi
gen Beschlußunfähigkeit der Hochschulkonzilien nicht auf ganz
andere Weise begegnet werden könnte, nämlich dadurch, daß
man diesen zentralen Wahlgremien durch Stärkung ihrer Kompe-