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Volume Nr. 14, 22. Januar 1982

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1981/82, 9. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
14. Sitzung vom 22. Januar 193; 
AI 
752 
(A) 
(B) 
Dr. Vogel 
liarden zu operieren; die Vorverlegung wird sich allenfalls bei 
zweistelligen Millionenbeträgen bewegen. 
Wir sagen: Das ist ungenügend! Alle fordern konkrete Maßnah 
men; das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, alle Partei 
en im Bundestag, auch die Wissenschaftler haben sich dieser 
Forderung angeschlossen. Wir haben uns nicht mit Forderungen 
begnügt, wie diesen Forderungen entsprochen werden kann; wir 
haben Alternativen vorgelegt. In Abstimmung und Übereinstim 
mung mit den Berliner Gewerkschaften haben wir dieses Konzept 
entwickelt. 
Unser Programm sieht folgende Maßnahmen vor: Zusätzliche 
Investitionen, nicht nur vorgezogene, Energiesparmaßnahmen 
und Ausbau der Fernwärmeversorung, zusätzliche Maßnahmen 
zur Verkehrsberuhigung und Verkehrssicherheit und vor allem Fi 
nanzhilfe für Innovationsbetriebe, hier mit dem Schwerpunkt auf 
den mittleren und den kleineren Betrieben. Außerdem verstärkte 
Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung Jugendlicher und zur 
Verbesserung ihrer Ausbildungsplatzsitualion. 
Wir werden den Antrag weiter konkretisieren, wir werden ihn 
alsbald einbringen, wir werden zu einer neuen Diskussion über 
diese neuen konkreten Maßnahmen auffordern. Wir haben aber 
auch einen dankbaren Weg für die zusätzliche Finanzierung sol 
cher Maßnahmen vorgelegt durch Belegung eines Volumens von 
einer Milliarde. Der Kern ist die Erhöhung der Gewerbesteuer um 
50 Punkte; dies macht gut die Hälfte der Summe aus. 
Sie haben diesen Vorschlag der Gewerbesleuererhöhung kriti 
siert. Ihre Argumente, meine Damen und Herren vom Senat und 
von der Mehrheitsfraktion, sind nicht überzeugend! Inzwischen 
erwägt Herr Kollege Genscher als F.D.P.-Vorsitzender Steuerer 
höhungen; er erklärt sie für erwägenswert. 
[Glocke des Präsidenten] 
Oberbürgermeister Rommel, ein hervorragender CDU-Kommu- 
nalpolitiker, 
[Beifall bei der CDU] 
fordert derartige Erhöhungen, und hier wird ihm für diese Forde 
rung Beifall geklatscht, 
[Beifall bei der SPD] 
Das ist ein weiteres Zeichen der Hoffnung. 
[Allgemeine Heiterkeit] 
Machen Sie andere Vorschläge, wenn Sie diesen Weg nicht für 
gangbar halten! 
Präsident Rebsch: Herr Kollege Vogel! Ihre Redezeit ist been 
det. 
Dr. Vogel (SPD): Schon jetzt sage ich voraus: Es wird so wer 
den, wie bei allen wichtigen Problemen, Sie werden erst nein sa 
gen, dann werden Sie sich langsam und dann immer schneller in 
der von uns vorgeschlagenen Richtung bewegen. So war das bei 
der Berlinförderung, so ist es bei der Mietpreisbindung, so wird es 
auch bei konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslo 
sigkeit sein. 
[Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU] 
Präsident Rebsch: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Sellin. 
Sellin (AL): Ende Dezember 1981 hatte Berlin 61421 oder 
7,7% registrierte Arbeitslose. Ein Jahr zuvor waren es 4,8%. Die 
Arbeitsmarktsituation hat sich so verschärft, daß es notwendig ist 
- und die Alternative Liste ruft selbst auch dazu auf -, dem Aufruf 
des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu folgen und an der 
Kundgebung am Dienstag, dem 26. Januar, für qualifizierte Ar 
beitsplätze in Berlin teilzunehmen. 
Arbeitslosigkeit darf kein individuelles Schicksal sein. Die Tat 
sache gehört in die Öffentlichkeit und erst recht die Diskussion 
über die Strategien ihrer Bekämpfung. Die AL hat im November 
letzten Jahres ein beschäftigungspolitisches Sofortprogramm der 
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Öffentlichkeit vorgestellt. Ich will das bei dieser Diskussion wirk 
lieh einmal in den Mittelpunkt rücken - mit der Betonung auf so 
fort. Uns war die Brisanz der Lage auf dem Arbeitsmarkt längs 
klar. Daher ist es um so mehr verständlich, daß der CDU-Sena 
einen Etat verabschieden läßt, der zu vermehrter Arbeitslosigke 
beitragen wird. Dafür stehen die Stellenkürzungen. Die vorzeitig ( 
Freigabe der Mittel für neuzubeginnende Bauten im Auftrags 
des Landes Berlin hat die Alternative Liste im Hauptausschuf 
unterstützt. Wir kritisieren hingegen das Vorhaben von Senate 
Pieroth, die erste Teilerrichtungsgenehmigung für das Kraftwer! 
Reuter-West für den 1.3.1982 angekündigt zu haben. Bei diesen 
Mammut-Investitionsvorhaben der Bewag-Aktiengesellschaft, wi 
das Land Berlin Mehrheitsaktionär ist, handelt es sich um einein 
frastrukturelle Fehlinvestition, da der Steuerzahler durch Investi 
tionszulage und der Stromzähler als Kunde des Monopolisten Be 
wag die Rechnung bezahlen werden für ein zu großes Angebot a; 
Strom für den unter betriebswirtschaftlichen, emissionsrelevan 
ten und kraftwärmekopplungsmäßigen, also unter energiewirt 
schaftlichen Kriterien nicht geprüften Bau im Ausmaß eines Ener 
gie-„ICC“ - und die Bürger werden zur Kasse gebeten. 
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Die AL-Fraktion ist für ein mindestens gleichgroßes Ausmaß ai 
Investitionsvolumen, aber zur Modernisierung der alten Kraftweifcda 
ke, zum Beispiel des alten Kraftwerkes Reuter-West. Diese Krall || er 
werke aus den 50er Jahren sind wesentlich für die Smog-Situ; 
tion in der Stadt verantwortlich. Die AL ist für die Nutzung der Ab 
wärme aus vorhandenen Kraftwerken und für den Ausbau de:, 
Fernwärmenetzes. Dieser Ausbau muß aber unter den Kriterier | La 
der Wirtschaftlichkeit geschehen, und zwar energiewirtschaftlicti l - a 
betriebswirtschaftlich, emissionsmäßig und von der Standort 
möglichkeit in West-Berlin. Dazu gehören eben mehrere Stander 
te und die Dezentralisierung. Dabei muß man sich eben über di« 
Größenordnung unterhalten. 
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In der Debatte um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit spiel 
das Thema Arbeitszeitverkürzung in Relation zum Thema Be 
schäftigungsprogramm eine unterbelichtete Rolle, Die Gewerk-JJ m£ 
schäften täten gut daran, wenn sie ihrerseits die Forderung nact l Le! 
allgemeiner Arbeitszeitverkürzung in den Vordergrund ihrer De f' 
batte rücken würden. 
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(Beifall bei der AL] 
Eine auf stetiges Wachstum des realen Bruttosozialprodukte; 
orientierte Politik, von wem auch immer sie formuliert wird, h, 
nicht die Chance einer Unterstützung durch die Alternative Liste 
Uns geht es um die Entwicklung von gesellschaftlichen Lebens 
Verhältnissen zugunsten von mehr Demokratie und bessere; 
Umweltverhältnissen und nicht um ein kurzfristiges Strohfeim 
eines Beschäftigungsprogramms zur Anheizung der Konjunktur 
Überzeugende Investitionsentscheidungen auf dem Energiesek 
tor, hinsichtlich der Wasserreinhaltung, im Müll-Recycling, in de; 
Wohnungsinstandsetzung und Wärmedämmung, im S-Bahn- unc 
U-Bahn-Bau - die finden unsere Unterstützung, und da sind wi: 
auch für Staatsverschuldung, das sagen wir ganz offen. 
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Fehlerhafte infrastrukturelle Entscheidungen, schädliche Ent 
scheidungen für die Menschen, finden auch bei vorhandener Ar- 
beitslosigkeit unsere Ablehnung. Das Berlinförderungsgesetz, 
das auch von Herrn Landowsky in den Mittelpunkt gerückt wurde 
wird von uns kritisiert. Auf die Veränderung der Berlinförderunc 
werden einfach Hoffnungen gesetzt. Tatsache ist, daß in der Ver- 
gangenheit das Volumen von ca. 6 Milliarden DM im Jahr nich' 
vermocht hat, den rasanten Arbeitsplalzabbau in der Berliner In 
dustrie aufzuhalten. Allein in den letzten 12 Monaten sind ca 
10 000 Arbeitsplätze in der Industrie verlorengegangen. 
Der vorgelegte Novellierungsentwurf des Senats zur Berlinför 
derung der Unternehmen wird dem Ziel nicht gerecht, daß das 
Kassieren von Subventionen an die Schaffung und Erhaltung vor 
qualifizierten und umweltverträglichen Arbeitsplätzen gebunden 
wird. Selbst der Zustand, daß Unternehmen zum Teil mehr Sub 
ventionen kassieren können, als sie Löhne und Gehälter zahlen 
[Glocke des Präsidenten] 
ist durch die beabsichtigte Änderung der Berlinförderung nicht si 
chergestellt, Alle Unternehmen haben einen Kalkulationsvorteü 
von mindestens 7,2% gegenüber dem Bund. Wenn das nicht
	        
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