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Volume Nr. 12, 10. Dezember 1981

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1981/82, 9. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

-r 19; pgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
12. Sitzung vom 10. Dezember 1981 
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ständige Senator in diesem Raum wieder nicht anwesend ist, 
ihn das nicht interessiert? 
[Zurufe: Herr Lummer ist da!] 
Frau Kantemir (AL); Vielleicht ist er geistig etwas abwesend - 
ls ist möglich. 
[Unruhe - Glocke des Präsidenten] 
raktie iilch möchte Sie einmal fragen: Wohin schicken Sie denn diese 
brige: sländischen Jugendlichen, wenn man hier sagt, man schicke 
ations '■ in d ie ..Obhut ihrer Heimat“? Am Beispiel Türkei; Sie wissen, 
bstirr, ß in der Türkei eine Militärdiktatur herrscht, daß es dort weder 
rteien gibt noch Gewerkschaften, daß es dort keine Möglich- 
iten der politischen Arbeit gibt. Arbeitsmöglichkeiten schon 
erhaupt nicht. Die Jugendlichen, die man zurückschickt, ste 
ll in ihrem Heimatland buchstäblich auf der Straße - ohne An- 
ehörige, ohne Familie, ohne Unterkunft. 
[Zuruf der Frau Abg. Dr. Besser (CDU)] 
georcfi 
«-»Doch, Frau Dr. Besser, das ist so! Nennen Sie mir dann Bei- 
piele. wo das anders sein soll - wenn sie keine Angehörigen zu 
lause haben. Aus meiner Sicht möchte ich dazu sagen: Ich habe 
(ich zwei erwachsene Kinder, die 17 und 19 Jahre alt sind. Ich 
errer ||i der Meinung, wenn sie schon aus dem Hause sind, daß sie 
itzdem auch hin und wieder meiner Hilfe bedürfen, daß sie hin 
id wieder zu mir kommen und mich um Rat und Hilfe bitten. Das 
jssen wir auch den ausländischen Jugendlichen gestatten. 
[Beifall bei der AL und der SPD - Feilcke (CDU): 
Das bestreitet doch niemand!] 
e können nicht allein irgendwo stehen und niemanden mehr 
ben! Glauben Sie denn, daß Sie mit der Ausweisung der Ju- 
endlichen aus der Verantwortung für diese jungen Menschen 
(lassen sind? 
[Vereinzelter Beifall] 
) Veii 
je haben sicherlich alle Briefe und Erklärungen bekommen, wo- 
|p die Leute ihre Sorgen und ihre Betroffenheit ausgedrückt 
aben. Ich hoffe, daß Sie sich diese ein wenig zu Herzen nehmen 
mde; pd noch einmal darüber nachdenken, was Sie mit diesem Aus- 
ange ändererlaß angerichtet haben - nicht Sie, sondern der Senat. 
|Wenn Sie sagen, diese Ängste wären unbegründet, dann frage 
Sie: Wie konnte Herr Lummer am Tage der Verkündung des 
jsländererlasses triumphierend verkünden, es würden Tausen 
den Jugendlichen die Stadt verlassen müssen. Hinterher hat 
das etwas revidiert, aber ich begreife nicht, daß er dies am sel- 
in Tag so verkünden konnte. Auch die Wortwahl, die er dabei 
braucht hat, konnte bestimmt nicht dazu beitragen, die Emotio- 
m ein wenig herabzuschrauben. Wenn Sie uns emotionale Ra 
tionen vorwerfen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben 
ch dazu beigetragen, daß die Stimmung in dieser Stadt ange 
izt wurde, 
[Vereinzelter Beifall bei der AL und der SPD] 
|h glaube auch jetzt nicht, daß nur wenige, zum Beispiel 50 Leu- 
, davon betroffen sind. Selbst wenn es nur 50 sind, dann sind es 
nod |>en 50 Leute zuviel. 
r 3P [Beifall bei der AL] 
Dann habe ich auch noch eine Frage: Wenn Sie nun von den 
aus 1 riterien, die angewendet werden sollen, ausgehen, daß die zum 
n( ^i eispiel von dem Erlaß ausgenommen werden, wenn mit einer 
Jetzt aldigen Arbeitsaufnahme zu rechnen ist, oder wenn sie der be 
vor] 
nat' 
eits 
s 3nderen Fürsorge der Familie bedürfen: Wer soll denn diese Kri- 
t den ansetzen und woher sollen die Jugendlichen sich eventuell 
* ne Bescheinigung holen, daß sie der besonderen Fürsorge der 
• amilie bedürfen? Es interessiert mich sehr, ob dies die Auslän- 
(ferpolizei bestätigt, indem ein Jugendlicher hinkommt, der nicht 
gtegriert ist usw. Einerseits ist er nicht integriert, bedarf aber der 
'agi| ürsor 9 e . andererseits soll er aber integriert sein; das wider 
spricht sich. Wenn Sie glauben, daß Sie auf diese Art und Weise 
Wer in der Stadt Arbeitsplätze schaffen, dann möchte ich Ihnen 
len l'dersprechen. Es gibt seit Jahr und Tag die Bestimmung, daß 
sna!p r Arbeitsplätze nur Deutsche in Frage kommen, das heißt also, 
wenn Deutsche für einen Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, wer 
den zunächst die Deutschen genommen, und wenn kein Deut 
scher sich bereit erklärt, diese Arbeit zu übernehmen, dann darf 
auch mal ein Türke oder ein Grieche usw. diesen Arbeitsplatz in 
Anspruch nehmen, und insoweit glaube ich Ihnen nicht, daß Sie 
damit Arbeitsplätze schaffen. Ich garantiere Ihnen, auch wenn 
Tausende Jugendliche die Stadt verlassen, wird es keine Arbeits 
plätze geben, denn die werden ja wegrationalisiert und durch ge 
sunde Pleiten der Firmen beseitigt. 
Ich habe im Ausländerausschuß um Zahlen gebeten über die 
Kinder, die noch erwartet werden. Dort konnte mir die Innenver 
waltung keine Antwort geben. Diese Zahlen liegen aber vor, und 
zwar bei der Kindergeldkasse, denn für die Kinder wird seit Jah 
ren Kindergeld gezahlt, also besteht darüber auch statistisches 
Material. Ich begreife nicht, wenn einerseits mit Zahlen jongliert 
wird, daß ein Zustrom von Tausenden von Jugendlichen noch in 
diese Stadt kommt, daß Sie sich andererseits wiederum weigern, 
darüber irgendwelche Zahlen bekanntzugeben - die Sie angeb 
lich nicht haben. 
[Beifall bei der AL] 
Mit dieser abschließenden Debatte im Abgeordnetenhaus hätte 
man zumindest warten sollen, bis diese Zahlen voriiegen. 
Jetzt komme ich zum Thema Eheschließung, von der Christ 
lich-Demokratischen Union als „Zuheirat“ bezeichnet. Man mutet 
den ausländischen Ehepartnern zu, daß sie jahrelange Wartefri 
sten in Kauf nehmen. Deutschen Eheleuten würde man das nie 
mals zumuten. Ausländische Studenten werden ganz und gar 
zum Zölibat verdonnert. Ich glaube nicht, daß deutsche Studen 
ten unter solchen Bedingungen zum Studium überhaupt bereit 
wären. Die Bundesrepublik Deutschland ist entweder der freiheit 
lich-demokratischste Staat, den wir jemals auf deutschem Boden 
hatten, 
[Simon (CDU): So ist es! - Beifall 
bei der CDU] 
dann haben aber auch alle ausländischen Mitbürger die gleichen 
Rechte wie die Deutschen, 
[Beifall bei der AL] 
oder wir geben diesen Anspruch endlich auf und schaffen uns 
hier ein Heer von Arbeitssklaven, mit denen wir machen, was wir 
wollen. 
Der Ausländererlaß bedeutet, auch in seiner Neufassung, eine 
faktische Herabsetzung des Einreisealters für Kinder auf 13 Jah 
re. Das sollte man hier auch einmal bedenken: nicht 16 Jahre, 
sondern es geht darum, daß Kinder jetzt mit 13 Jahren zwar ein- 
reisen können, aber mit 18 Jahren werden sie wieder rausge 
schmissen! Mit 13 Jahren! Das sind noch nicht einmal Jugendli 
che! Jetzt fängt man also schon an, bei den Kindern Beschrän 
kungen einzuführen. 
[Beifall bei der AL] 
Ich verstehe nicht: Wenn Sie sich hier dauernd auf das Grundge 
setz berufen, dann sollten Sie es endlich einmal ernst nehmen. 
Sie sollten es auch hinsichtlich der ausländischen Mitbürger 
ernst nehmen. 
[Buwitt (CDU): Verstehen muß man es aber 
auch!] 
Ich bilde mir allerdings ein, daß ich es verstehe. Sie sollten mir 
nicht unterstellen, daß ich dazu zu dumm bin, oder was Sie sonst 
damit meinen! 
[Feilcke (CDU): Aber uns unterstellen Sie, 
daß wir es nicht ernst nehmen!] 
- Das unterstelle ich Ihnen! Ganz energisch! 
Dieser Erlaß, der mit Hilfe der F.D.P.-Fraktion mal wieder über 
die Runden kommt, ist keine Basis für die Integration der auslän 
dischen Jugendlichen und ihrer Familien. Der F.D.P.-Fraktion 
möchte ich einmal sagen, daß sie während des Wahlkampfs an 
getreten ist für einen Vogel/Brunner-Senat. Ich kann mich an die 
(C) 
(D)
	        
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