11. Sitzung vom 26. November 1981
1981
Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
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Frau Kantemir
Ausländerbehörde geübt wird! Die Unsicherheit unter den aus
ländischen Mitbürgern ist ungeheuer groß. Wir verlangen vom
Senat auch dazu ein Wort, damit die Leute jetzt wissen, wie
die Sache nunmehr gehandhabt wird. Wir verlangen bindende
Zusagen des Senats, daß es keine Aufforderungen zur Aus
reise gibt, die sich auf die neuen Regelungen des Erlasses
stützen; und zwar wenigstens so lange nicht, bis wir darüber
im Ausländerausschuß beraten haben. Die Unsicherheit muß
genommen werden! Über alle weiteren Fragen des Erlasses
‘soll dann im Ausländerausschuß beraten werden. Das ist das
Niedrigste, dem wir von der AL zustimmen können. Ich habe
dabei Bauchschmerzen, die ganze Fraktion hat Bauchschmer
zen, und alle Ausländer wahrscheinlich auch; aber ich sehe, es
igibt hier keine andere Möglichkeit; ich möchte sagen, ich fühle
Smich förmlich erpreßt.
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j Präsident Rebsch:
»Lummer.
AL
Das Wort hat nunmehr Herr Senator
Lummer, Bürgermeister und Senator für Inneres: Herr Präsi
dent! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung,
ß ich noch einmal im Rahmen von Begründungen mich hier
iu Worte melde. Veranlassung dafür ist gegeben worden
‘durch eine Bemerkung von Frau Kantemir, die mir allerdings
(vorher schon bekannt gemacht worden ist, daß nämlich die
Ausländerbehörde in den letzten Tagen gemäß dem neuen
Erlaß Entscheidungen getroffen habe.
[Dr. Vogel (SPD): Wo ist er eigentlich, der neue Erlaß?
Warum liegt er nicht geschrieben vor?]
- Aber natürlich, Herr Dr. Vogel! Sie müssen nur ein wenig
Geduld haben!
[Dr. Vogel (SPD); Wo ist er denn schriftlich?]
i- Aber seit wann wird denn ein Erlaß vorher dem Parlament
Ischriftlich zur Kenntnis gegeben? Im Regelfälle, Herr Justiz
minister a. D., werden die Erlasse in der Bundesrepublik
‘Deutschland in allen Bundesländern überhaupt nicht veröffent
licht! Wir haben es getan, trotz allem!
Nun zur Sache. Ich habe gegenüber der zuständigen Be
hörde deutlich gemacht und sichergestellt, daß bis zu der
klärenden Weisung, die ich heute dem Parlament vorgetragen
|habe, die beanstandete und in der Kritik stehende Bestim
mung 7.1.2.3 des Erlasses nicht angewendet wird. Der zustän
dige Leiter der Behörde hat mir noch heute früh versichert,
|daß so verfahren wird. Wenn also eine solche Entscheidung,
sdie ich bedaure, Frau Kantemir, ergangen ist —
der j
[Frau Kantemir (AL); Mehrere!]
ge
|- Wenn es mehrere sind, werde ich morgen früh dieses so korri-
Igieren, wie es meiner Anweisung entspricht. Ich bedaure dies
fund darf noch einmal klarstellen, was ich heute dem Parla
ment bezogen auf den Stichtag des 20. November vorgetragen
|habe. Das ist gültig, und zwar bezogen auf eben dieses Datum,
wenn Sie so wollen, auch rückwirkend.
H '
[Beifall bei der CDU]
Id
Präsident Rebsch: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ditt-
|berner.
iter
Dr. Dittberner (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
jHerren! Ich habe den Dringlichkeitsantrag der Fraktion der
r.O.P. über Ausländererlaß und Fortsetzung der Integrations-
Ipolitik zu begründen. Der Antrag spricht im Grunde für sich
fselbst. Ich will nur einige Stichworte anfügen: Wir wollen mit
|diesem Antrag erreichen, daß bis zum 20. November nach
: Berlin gekommene Ausländer von dieser neuen Regelung
I nicht erfaßt werden. Das ist der eine Punkt.
I Die neue Regelung — das ist der zweite Punkt — darf
J hinsichtlich der Ausweisung solange nicht praktiziert wer
den — ich knüpfe an das an, was der Innensenator hier eben
I gesagt hat —, bis im Ausschuß und dann abschließend im
Parlament die Beratung über diese neue Regelung stattge
funden hat. Und wenn die neue Regelung bereits hinsicht
lich der Ausweisung in dem einen oder anderen Fall tatsäch
lich gegen die Anweisung des Innensenators stattgefunden
haben sollte, wenn die neue Regelung praktiziert wurde,
dann erwarten wir, daß innerhalb der Verwaltung dies unverzüg
lich geklärt und korrigiert wird, so wie es jetzt eben hier auch vom
Innensenator betont und noch einmal zugesichert worden ist.
Wir wollen auch nachher im Ausschuß über diese neue
Situation ausführlich diskutieren, und wir verlangen dafür,
daß wir vom Senat einen überschaubaren Bericht, eine Unter
lage bekommen, die tatsächlich die neuen Regelungen ganz
klar den Abgeordneten deutlich macht, damit man weiß,
worüber hier überhaupt zu reden und zu entscheiden ist. Also,
der Ausschuß verlangt ordentliche Unterlagen.
[Beifall des Abg. Momper (SPD)]
Ein weiterer Punkt; Wir sind mißtrauisch und wollen des
wegen — das ist der zweite Teil unseres Antrages — einen
regelmäßigen Bericht vom Innensenator bzw. von seinen
Mitarbeitern, dem Leiter der Ausländerbehörde beispiels
weise, über die Praktizierung dieses Erlasses. Denn wir alle
wissen, daß nicht nur jetzt, sondern auch schon in der Ver
gangenheit dort manchmal der Anschein entsteht, als ob
Politik auf eigene Rechnung gemacht wird, und dies wollen
wir verhindern, und wir meinen, daß ein regelmäßiger Be
richt über die Verfahren im Ausschuß hier sozusagen ein
Gegengewicht darstellen kann.
Schließlich beantrage ich förmlich, daß dieser unser Antrag
in den Ausschuß für Ausländerfragen überwiesen wird.
[Beifall bei der F.D.P.]
Präsident Rebsch: Das Wort hat der Abgeordnete Hoff-
mann.
Hoffmann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Zunächst stelle ich fest, daß das, was vom Innen
senator soeben nach der Begründung des AL-Antrages aus
geführt worden ist, nicht zur Klarheit beigetragen hat. ich
kann mir nicht vorstellen, daß es künftig so sein muß, daß
ein Innensenator bei der Herausgabe eines Erlasses immer
dem Parlament im nachhinein erklärt, am nächsten Tag
werde für Klarheit in den Behörden gesorgt. Ich glaube, das
ist nicht der Umgang, den wir uns hier künftig gefallen las
sen dürfen.
[Beifall bei der SPD und der AL]
Zurückkommend auf die von Herrn Lummer in der Aktuel
len Stunde gemachte Äußerung, er wolle zur sachgerechten
Debatte beitragen, darf man sich wohl die Feststellung er
lauben, daß gerade er mit seiner Entscheidung vom 20. No
vember eine sachgerechte Debatte zu diesem Problem ver
hindert hat. Denn bevor die sachgerechte Debatte überhaupt
in Bewegung gekommen war, war der Erlaß bereits da, und
ein Parlament wurde vor vollendete Tatsachen gestellt.
[Beifall bei der SPD und der AL]
Selbst der Senat, wie die Presse berichtete, Beiträge der
CDU-Fraktion im Ausschuß und heute in der Aktuellen
Stunde haben deutlich gemacht, daß nicht nur die Opposi
tionsfraktionen überfahren worden sind. Offensichtlich war
diese hektische Eile deshalb geboten, weil meine Fraktion
einen ausgewogenen Antrag zur Begrenzung des weiteren
Zuzugs von Ausländern nach Berlin eingebracht hatte. In
zwischen scheint allerdings selbst der Innensenator einzu
sehen, daß er mit seiner naßforschen Art in einem so
empfindlichen Gebiet wie dem der Ausländerpolitik wird
scheitern müssen.
Mit dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag meiner Fraktion
erneuern wir unser Angebot, die notwendigen Regelungen
zur Steuerung des weiteren Zuzugs von Ausländern ge
meinsam auf vernünftiger Basis zu regeln. Dabei lassen wir
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