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Volume Nr. 10, 12. November 1981

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1981/82, 9. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
10. Sitzung vom 12. November isbi ab 
502 
(A) 
(B) 
Sen Wronski 
eine nützliche Basis für jeweils aktuelle Diskussionen sein. Wenn 
gleich auch die Ausführlichkeit der Antwort die Bemühungen 
unseres Ältestenrats fördern dürfte, die Form der Behandlung 
Großer Anfragen zu straffen oder gar auf neue Formen zu kommen. 
[Heiterkeit und Beifall] 
Dies war aber nicht die Absicht meines Vortrags, diese wünschens 
werten Bestrebungen zu fördern. Wenn es ein Nebeneffekt gewe 
sen sein sollte, um so besser. 
Die Absicht meines Hauses war es in der Tat, Ihnen pflichtgemäß 
auf gestellte Fragen sorgfältige Antworten zu geben. Ich möchte zu 
rückkommen auf meine Eingangsworte, wie ich, wie dieser Senat 
Arbeitsmarktpolitik sieht, nämlich immer im Zusammenhang und 
vor dem Hintergrund von Wirtschaftspolitik. Deshalb fasse ich kurz 
wie folgt zusammen. 
[Gelächter des Abg. Baetge (F.D.P.) - Heiterkeit] 
- Es sind wirklich nur vier Sätze! 
Erste Bemerkung: Arbeitsmarktpolitik ist keine abgrenzbare Spe 
zialsparte, sondern untrennbar mit Wirtschaftspolitik, genauer: mit 
dem Wohl und Wehe der Wirtschaft selbst, verbunden. 
Zweite Feststellung: Die Gesamtsituation unserer deutschen 
Wirtschaft wird von allen politischen Kräften übereinstimmend als 
schlecht bezeichnet. Gesellschaftlicher Sprengstoff ist offensicht 
lich. 
Dritte Feststellung: Die Reaktion der öffentlichen Hände, insbe 
sondere der Bundesregierung, zeigt deutlich genug die derzeit be 
grenzten Einflußmöglichkeiten des Staates - das gilt auch für den 
Berliner Senat - auf Investitionsanstöße und Arbeitsplätze. 
Schließlich meine vierte Feststellung: Umso dringlicher - nun 
schwenke ich völlig in den Bereich der Wirtschaftlichkeit über - ist 
es, das in Deutschland nach wie vor vorhandene „private“ Investi 
tionspotential endlich durch Beseitigung bestehender politischer 
Hemmnisse freizusetzen. Die unmittelbare positive Reaktion auf 
den Arbeitsmarkt würde dann sehr schnell entlastend spürbar wer 
den. - Jeder weiß, woran ich denke. Die Form meines Ausdrucks, 
die moderate Art soll den sachlichen Grundkonsens in diesem 
Hause unterstreichen. Ich hoffe darauf, daß die Diskussion in 
diesem Grundkonsens geführt wird. - Schönen Dank für Ihre Auf 
merksamkeit! 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Stellv. Präsident Franke: Meine Damen und Herren! Ich freue 
mich, daß ich nunmehr die Besprechung eröffnen kann. Das Wort 
hat der Abgeordnete Wagner für die SPD-Fraktion. 
Wagner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr 
Senator! Ich möchte mit einer Übereinstimmung anfangen. Ich 
stimme mit Ihnen überein, daß Sie uns eine sehr ausführliche Dar 
stellung gegeben haben. Ich denke auch, daß wir bei der sachlichen 
Art bleiben sollten. Das Thema ist ernst genug. Ich will eine weitere 
Übereinstimmung an den Anfang stellen, nämlich die, daß auch wir 
der Meinung sind, daß Arbeitsplatzfragen, Arbeitsmarktfragen ein 
Teil der Diskussion über Wirtschaft sind; über Wirtschaften. Was 
mich an einigen Ihrer Ausführungen ein bißchen verwunderte, war 
die starke Betonung des Staates im Rahmen dieser Wirtschaft. Ihre 
Bewegung „nichts mehr drin in der Hand“ läßt ja den Rückschluß 
zu, daß Politik überhaupt nur möglich ist gegenüber der Wirtschaft, 
wenn der Staat der Gebende ist und die freien Unternehmer die 
Empfangenden. Wenn das so ist, dann sollte man das aussprechen. 
[Dr. Neuling (CDU): So ist es genau nicht! - 
Feilcke (CDU): Da haben Sie ihn mißverstanden!] 
Ich meine, unsere Wirtschaftsordnung stellt den Unternehmern 
eine wesentliche Aufgabe. Die Politik soll Rahmenbedingungen 
schaffen. Es wäre sehr interessant zu hören, in welcher praktischen 
Art und Weise dieser Senat eben bei den Unternehmen Einfluß neh 
men will und wird, um mehr Arbeitsplätze in der Berliner Wirtschaft 
zu schaffen. 
Herr Wronski, Sie beklagen, daß es so furchtbar schwer sei, 
branchenspezifische Aussagen zu treffen, weil Sie vom Landes- 
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arbeitsam! nicht die notwendigen Zahlen bekommen haben. Ici 
würde das auch beklagen; ich finde, es ist unerträglich. Das ist ja 
nicht nur eine Klage, die Sie vortragen; es ist unerträglich, daßwi 
immer wieder feststellen müssen, daß auf dem Gebiet der Statistik 
über Arbeitsmarktfragen so geringe Aussagefähigkeit Vorhände: 
ist. 
[Feilcke (CDU): Sehr gut!] 
Das gilt auch in anderen Bereichen im gleichen Zusammen lies 
hang. Ich erinnere daran, daß wir uns seit Jahren darum bemühen ” " 
Aussagen über die Wanderungsbewegung Berlin: Westdeutsch 
land ein bißchen ernsthafter und glaubhafter zu machen. Es wäre 
eine außerordentlich lohnende Aufgabe für den Senat, hier mehl 
Licht in das Dunkel zu bringen und uns verläßliche Auskünfte zy 
geben. Ich meine aber auch, daß es gut wäre, wenn die immer 
wieder in die Debatte geworfene Dunkelzifferfrage bei den Jugend 
lichen aufgeklärt wird, die eben nach Schulabgang in keiner Stati 
stik mehr erscheinen. 
Ich bin allerdings ein bißchen überrascht, wie wenig aussage 
fähig das Landesarbeitsamt sich Ihnen gegenüber stellte bei der ^ er 
branchenspezifischen Analysen. Ich weiß, daß die einzelnen 
Facharbeitsämter ja doch immerhin eine bis ins einzelne gehende 
in die Berufssparten gehende Erfassung der Arbeitslosigkeil 
haben. Ich weiß es als ein Mitglied eines Verwaltungsausschusses. 
Ich weiß, daß Sie vom Arbeitsamt heute genau den Beleg bekom 
men, daß unter anderem jetzt in zunehmendem Maße Facharbeiter 
zu den Arbeitslosen gehören. Das läßt sich sogar bis in die einzel 
nen Berufe hinein verfolgen. Warum man Ihnen das vorenthalten 
hat, Herr Senator, das darf man doch sehr verwundert fragen 
Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, ist sicher eine Frage 
in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaften. Es ist auch eine ganz ent 
scheidende, sehr persönliche und gesellschaftliche Frage, und |esti 
damit auch eine politische. 
Der innere Frieden in der Bundesrepublik Deutschland ist in Ge 
fahr. Über eine Million Menschen will arbeiten und darf das nicht 
tun. Alle Prognosen lassen einen weiteren Anstieg der Arbeitslosig 
keit befürchten. Die Wissenschaftler prognostizieren für 1972 1,6 
bis 1,7 Millionen Arbeitslose. 
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[Feilcke (CDU): Sie meinen 1982!] 
- Ja, ich meine im nächsten Jahr. - Das bedeutet doch, daß wirb 
diesem Land in der Spitze im nächsten Jahr zwei Millionen Arbeits 
lose haben werden. Das wird der Fall sein, wenn nichts geschieht 
Es liegt auch an uns, daß es nicht dazu kommt. Hier sind - da 
stimme ich mit Ihnen überein, Herr Dr. Neuling - alle Demokraten 
gefordert. Ich meine die Bundesregierung ebenso wie die Landes 
regierungen und die Opposition, aber letztendlich auch die Unter 
nehmer und die Gewerkschaften. 
Die Dringlichkeit dieses Problems, meine Damen und Herren, 
scheint jetzt doch jeder zu begreifen. Gestern abend gab es in Bonn 
das Gespräch beim Bundeskanzler. Heute vormittag diskutierte der 
Bundestag, und nun sprechen wir über dieses Thema. Meine Frak 
tion begrüßt es ausdrücklich, daß wir uns heute in Berlin mit dem 
gleichen Themenkomplex befassen. Es darf aber nicht nur beim 
Reden bleiben, was not tut, ist das Handeln. Schließlich ist es dafür 
- so meinen wir alle - allerhöchste Zeit. 
Lassen Sie mich das Thema für einen Moment politischer ange- 
hen, als es bei Herrn Senator Wronski im letzten Teil - zuminde- 
stens bei der Auflistung und Beantwortung der Fragen - klang. 
Massenarbeitslosigkeit führte in diesem Land schon einmal in eine 
politische Katastrophe. Es mag heute vieles anders sein als damals. 
Das gilt für das politische wie für das wirtschaftliche Umfeld. Doch 
auch im Jahr 1929 begann das Unheil nicht mit sieben Millionen 
Arbeitslosen. Es hatte auch einen Anfang. Wir sollten uns vor den 
Fehlern hüten, die damals gemacht worden sind. Die Politik des 
knappen Geldes darf nicht übertrieben werden. Ich kann nur drin 
gend vor der Absicht warnen, die Arbeitslosenunterstützung zu 
kürzen. 
[Beifall bei der SPD] 
Wir sollten das soziale Netz nicht antasten, weil es am ehesten 
geeignet ist, den sozialen Frieden in diesem Lande zu erhalten. Es_ 
ist notwendig in dieser Stunde daran zu erinnern, daß die nicht be- wd
	        
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