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Volume Nr. 9, 22. Oktober 1981

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1981/82, 9. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
9. Sitzung vom 22. Oktober 19 \bgec 
440 
(A) 
(B) 
Preuss 
Rabat 
Wer derartige Erscheinungsformen immer wieder als typisch für die 
heutige Jugend pauschaliert, der muß sich allerdings den Vorwurf 
gefallen lassen, daß er den Dialog mit der Jugend in ihrer Gesamt 
heit dadurch erheblich boykottiert. Und Sie können davon ausge 
hen, daß wir uns als Fraktion immer leidenschaftlich dagegen ver 
wahren werden und die Berliner Jugend hiervor schützen müssen. 
Wenn der vorliegende Antrag nach den Vorstellungen des 
Senats fragt, die Situation der Jugend mit dem Ziel des gesell 
schaftlichen Friedens zu verbessern, so zeigt dies, wie ich meine, 
deutliche Merkmale der schwerpunktmäßigen Befassung gerade 
mit derartigen Minderheiten. Dies darf und kann jedoch nicht das 
Hauptziel des Berichts sein. Wir verkennen dabei nicht, daß die 
Probleme dieser Minderheiten und deren Ursachen meist nicht sehr 
weit abweichen von den Problemen der Mehrheit der Jugendlichen 
- und, wie ich übrigens meine, nicht nur der Jugendlichen. 
Jugendliche Kritik ist nicht nur legitim, sie ist zutiefst natürlich. 
Der Entwicklungsprozeß zu einer selbständigen Persönlichkeit ist, 
geradezu dadurch gekennzeichnet, überkommene Werte in Frage 
zu stellen. Die Ablehnung von Fremdbestimmung, der Widerspruch 
oder auch unruhige und ungeduldige Kritik waren deshalb schon 
immer äußere Zeichen der Jugend, und ich glaube, daß alle diejeni 
gen, die hier im Hause versammelt sind, von sich selbst behaupten 
können, daß sie auch ihre Jugend hiervon nicht ausnehmen können. 
Gewalt und lauter Protest der einen dürfen allerdings nicht die 
anderen Jugendlichen in der Wahrnehmung ihrer Rechte und 
Rächten einengen. Wir erwarten deshalb vom angeforderten Be 
richt, daß er die Situation der Jugend Berlins in ihrer Gesamtheit 
darstellt. 
„Die Jugend in Berlin“, dazu gehören insbesondere auch die Be 
leuchtung der Ausbildungsplatzsituation und der Jugendarbeits 
losigkeit, die Beschäftigung mit den Problemen der Sportjugend, 
das Bemühen um die Jugendarbeit der Kirchen, der Gewerkschaf 
ten und der Betriebe, die Auseinandersetzung mit den Sorgen der 
Jugend in den Jugendverbänden freier Träger, die Situation in den 
Familien und insbesondere auch deren Auswirkungen auf junge 
Menschen, die Nöte der Studenten sowohl hinsichtlich der Ausbil 
dung als auch hinsichtlich der Wohnraumsituation, aber auch die 
Beurteilung der vielen autonomen Lebens- und alternativen Kultur 
gemeinschaften, die sich nicht des lauthalsen Protestes bedienen. 
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich das Gesprächsangebot, das 
der Senat kürzlich an die Jugend dieser Stadt gemacht hat. Und 
wenn Sie meinen, Herr Fabig, daß dies nicht hilfreich gewesen sei, 
so bin ich der Meinung, daß jedes Gespräch hilfreich ist, und wir 
sollten diesen ersten Ansatz gemeinsam positiv begrüßen. 
Ich darf abschließend sagen, daß wir vom Bericht aber auch er 
warten, daß die Vorstellungen des Senats sich nicht nur mit den An 
sichten der Jugend dieser Stadt auseinandersetzen, sondern er 
sollte uns allen auch Anlaß geben, uns selbst mit unseren Vorstel 
lungen vom Zusammenleben in Staat, Wirtschaft und Kultur aus 
einanderzusetzen. - Ich danke sehr. 
[Beifall bei der CDU] 
Präsident Rebsch: Das Wort hat nun der Abgeordnete Walter. 
Walter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ver 
spreche, es tatsächlich kurz zu machen. 
Meine Fraktion begrüßt den Antrag der F.D.P. an den Senat, einen 
Bericht zur Situation der Jugend zu erstellen. Wir sind der Meinung, 
daß es gerade aufgrund der Auseinandersetzungen mit Teilen der 
jungen Generation nicht nur hier in Berlin, sondern auch in Teilen 
der Bundesrepublik oder anderen westlichen Ländern, dringend 
notwendig erscheint, alle Möglichkeiten zu nutzen, nicht nur die 
Sprachlosigkeit, sondern auch das Nichtwissen über die Ursachen 
und Motive des Protests und der Verweigerung durch ein Mehr an 
Information zu überwinden. Wir sind daher der Ansicht, daß gerade 
die gegenwertige Situation zum Anlaß genommen werden soll, das 
im Frühjahr begonnene Gespräch mit der Eidgenössischen Kom 
mission für Jugendfragen umgehend fortzusetzen. 
[Beifall bei der SPD] 
;ur Lö 
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iteher 
Außerdem erscheint es uns angebracht, in dem Bericht des Sem /Vohm 
darzulegen, welche Konsequenzen für die Politik in Berlin ausd knerke 
Thesen des letzten Berichts der Schweizer Kommission „Stk fieser 
Worte zum Dialog der Jugend“ zu ziehen sind. In diesem Berit ’ositic 
heißt es unter anderem, daß Interessenkonflikte offen ausgetrag jiniert 
werden sollten, Rücksicht zu nehmen sei, statt sich anzubieds 'on V< 
und daß die Realpolitik mit etwas Utopie angereichert werden soll 
Aufgrund der grundsätzlichen Aussagen in diesem Bericht hat 
wir es für notwendig, dem F.D.P.-Antrag einen 4. Absatz mit folgt 
dem Inhalt anzufügen: Im Bericht des Senats soll dargelegt werdAchaff 
welche Konsequenzen für die Politik in Berlin aus den Thesen: iahen 
Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen und deren neu sagte, 
lichem Kommissionsbericht mit dem Titel „Stichworte für den Dgasser 
log mit der Jugend“ zu ziehen sind. Zur Vorbereitung dieses 
richtsteils soll das im Frühjahr begonnene Gespräch mit der EidlL 
nössischen Kommission für Jugendfragen und Experten aus d J 
verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens Berlins in ai * el 
loger Zusammensetzung unter Federführung des Präsidenten c 
Abgeordnetenhauses fortgesetzt und umgehend zu einer net 
Diskussionsrunde eingeladen werden. 
Wir stimmen also dem Antrag der F.D.P.-Fraktion zu. Ebenso! 
ten wir den Änderungsantrag der AL für hilfreich und ergänze: sehne 
Wir bitten daher auch die anderen Fraktionen um Zustimmung )ame 
unserem Änderungsantrag und sprechen uns dafür aus, den vor ‘ 
genden Antrag einschließlich der beiden Änderungsanträge ind 
zuständigen Ausschuß für Jugend zu überweisen. 
Ich 
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Nover 
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[Beifall bei der SPD] 
Präsident Rebsch: Das Wort hat der Abgeordnete Rabats 
Rabatsch (AL): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!! [itimn 
eben begründete Antrag der SPD-Fraktion wird von uns eben!: Chan 
begrüßt; und deshalb muß ich doch noch auf die Worte des! [Ind 1 
legen Fabig eingehen, der meinte, daß die Schweizer Überleg ijpppo 
gen und Erkenntnisse doch offensichtlich aus einer anderen Vi |elinc 
oder Gesellschaftsordnung kämen und deswegen nicht übertr: fernac 
bar seien. 
Keiner hier wird sicherlich bestreiten können, daß die politisef 
und sozialen Verhältnisse in der Schweiz mit denen in Berlin k <ede 
vergleichbar sind. Wenn man sich aber den Kern dessen angm P nde 
was in diesem Bericht der Eidgenössischen Kommission drinste | one ' 
kommt man ganz genau auf das, was eigentlich die Grundlat | 
sind, die zum Protest von Jugendlichen führen, aber nicht nurz 
Protest, sondern auch zu einer sozialen Situation von Jugendlich i Da: 
die sich nicht unbedingt protestierend äußern, aber die in ih 
Lebensbedingungen und ihren Zukunftschancen so weit besch 
ten werden, daß sie ein unzufriedenes Leben führen müssen, 
noch einmal zu verdeutlichen, wie breit eigentlich die Basis: 
wesen ist, die die Thesen der Eidgenössischen Kommission 
April hier in Berlin hatten, möchte ich einmal den Herrn ausc 
Senat zitieren, der ja auch gerade von hier aus am schärfsten k 
siert wird. Da hat nämlich Herr Lummer am 27. April 1981 in: 
„Welt“ gesagt, „dazu sei es dringend nötig, die Fähigkeit zum Dia 
wiederzufinden“ - nämlich, um auf die Probleme der Jugend rea: 
ren zu können „man könne damit anfangen, daß man jungen h' 
sehen gewisse Felder zum Experimentieren überlasse, wo sie im 
halb des gesellschaftlichen Systems ihren eigenen Weg finden: 
neue Formen des Miteinanderlebens erproben könnten.“ 
[Beifall bei der CDU] 
Prä 
Rai 
sich 
Wenn man das, obwohl es mit der praktischen Politik dieses Ser 
nicht in Übereinstimmung zu bringen ist, einmal so, wie es 
steht, ernst nimmt, und dann auch noch das einbezieht, was 
Preuss gesagt hat, daß er nämlich sehr wohl erkennt, wo die 
bleme der Jugendlichen liegen, nämlich in den Faktoren ihrer so 
len Lage, wozu die Arbeitslosigkeit gehöre, das Schulsystem, 
Wohnungsbedingungen usw., usw. . Und dann komme ich' 
die Aussagen der Eidgenössischen Kommission zurück, die d: ®sn< 
einem Abschnitt über die Gewalt zu folgenden Feststeiluni 
kommt. Sie schreibt, daß Lebensgeschichte und Äußerun: 
gewalttätiger Jugendlicher zeigen, daß sie in besonderem Maß 1 
walt erlebt hätten. Sie hätten direkte Gewalt zum Beispiel in der 
milie, also der Erziehung, indirekt Gewalt am Arbeitsplatz, bei:
	        
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