Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
9. Sitzung vom 22. Oktober 19 \bgec
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(A)
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Preuss
Rabat
Wer derartige Erscheinungsformen immer wieder als typisch für die
heutige Jugend pauschaliert, der muß sich allerdings den Vorwurf
gefallen lassen, daß er den Dialog mit der Jugend in ihrer Gesamt
heit dadurch erheblich boykottiert. Und Sie können davon ausge
hen, daß wir uns als Fraktion immer leidenschaftlich dagegen ver
wahren werden und die Berliner Jugend hiervor schützen müssen.
Wenn der vorliegende Antrag nach den Vorstellungen des
Senats fragt, die Situation der Jugend mit dem Ziel des gesell
schaftlichen Friedens zu verbessern, so zeigt dies, wie ich meine,
deutliche Merkmale der schwerpunktmäßigen Befassung gerade
mit derartigen Minderheiten. Dies darf und kann jedoch nicht das
Hauptziel des Berichts sein. Wir verkennen dabei nicht, daß die
Probleme dieser Minderheiten und deren Ursachen meist nicht sehr
weit abweichen von den Problemen der Mehrheit der Jugendlichen
- und, wie ich übrigens meine, nicht nur der Jugendlichen.
Jugendliche Kritik ist nicht nur legitim, sie ist zutiefst natürlich.
Der Entwicklungsprozeß zu einer selbständigen Persönlichkeit ist,
geradezu dadurch gekennzeichnet, überkommene Werte in Frage
zu stellen. Die Ablehnung von Fremdbestimmung, der Widerspruch
oder auch unruhige und ungeduldige Kritik waren deshalb schon
immer äußere Zeichen der Jugend, und ich glaube, daß alle diejeni
gen, die hier im Hause versammelt sind, von sich selbst behaupten
können, daß sie auch ihre Jugend hiervon nicht ausnehmen können.
Gewalt und lauter Protest der einen dürfen allerdings nicht die
anderen Jugendlichen in der Wahrnehmung ihrer Rechte und
Rächten einengen. Wir erwarten deshalb vom angeforderten Be
richt, daß er die Situation der Jugend Berlins in ihrer Gesamtheit
darstellt.
„Die Jugend in Berlin“, dazu gehören insbesondere auch die Be
leuchtung der Ausbildungsplatzsituation und der Jugendarbeits
losigkeit, die Beschäftigung mit den Problemen der Sportjugend,
das Bemühen um die Jugendarbeit der Kirchen, der Gewerkschaf
ten und der Betriebe, die Auseinandersetzung mit den Sorgen der
Jugend in den Jugendverbänden freier Träger, die Situation in den
Familien und insbesondere auch deren Auswirkungen auf junge
Menschen, die Nöte der Studenten sowohl hinsichtlich der Ausbil
dung als auch hinsichtlich der Wohnraumsituation, aber auch die
Beurteilung der vielen autonomen Lebens- und alternativen Kultur
gemeinschaften, die sich nicht des lauthalsen Protestes bedienen.
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich das Gesprächsangebot, das
der Senat kürzlich an die Jugend dieser Stadt gemacht hat. Und
wenn Sie meinen, Herr Fabig, daß dies nicht hilfreich gewesen sei,
so bin ich der Meinung, daß jedes Gespräch hilfreich ist, und wir
sollten diesen ersten Ansatz gemeinsam positiv begrüßen.
Ich darf abschließend sagen, daß wir vom Bericht aber auch er
warten, daß die Vorstellungen des Senats sich nicht nur mit den An
sichten der Jugend dieser Stadt auseinandersetzen, sondern er
sollte uns allen auch Anlaß geben, uns selbst mit unseren Vorstel
lungen vom Zusammenleben in Staat, Wirtschaft und Kultur aus
einanderzusetzen. - Ich danke sehr.
[Beifall bei der CDU]
Präsident Rebsch: Das Wort hat nun der Abgeordnete Walter.
Walter (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ver
spreche, es tatsächlich kurz zu machen.
Meine Fraktion begrüßt den Antrag der F.D.P. an den Senat, einen
Bericht zur Situation der Jugend zu erstellen. Wir sind der Meinung,
daß es gerade aufgrund der Auseinandersetzungen mit Teilen der
jungen Generation nicht nur hier in Berlin, sondern auch in Teilen
der Bundesrepublik oder anderen westlichen Ländern, dringend
notwendig erscheint, alle Möglichkeiten zu nutzen, nicht nur die
Sprachlosigkeit, sondern auch das Nichtwissen über die Ursachen
und Motive des Protests und der Verweigerung durch ein Mehr an
Information zu überwinden. Wir sind daher der Ansicht, daß gerade
die gegenwertige Situation zum Anlaß genommen werden soll, das
im Frühjahr begonnene Gespräch mit der Eidgenössischen Kom
mission für Jugendfragen umgehend fortzusetzen.
[Beifall bei der SPD]
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Außerdem erscheint es uns angebracht, in dem Bericht des Sem /Vohm
darzulegen, welche Konsequenzen für die Politik in Berlin ausd knerke
Thesen des letzten Berichts der Schweizer Kommission „Stk fieser
Worte zum Dialog der Jugend“ zu ziehen sind. In diesem Berit ’ositic
heißt es unter anderem, daß Interessenkonflikte offen ausgetrag jiniert
werden sollten, Rücksicht zu nehmen sei, statt sich anzubieds 'on V<
und daß die Realpolitik mit etwas Utopie angereichert werden soll
Aufgrund der grundsätzlichen Aussagen in diesem Bericht hat
wir es für notwendig, dem F.D.P.-Antrag einen 4. Absatz mit folgt
dem Inhalt anzufügen: Im Bericht des Senats soll dargelegt werdAchaff
welche Konsequenzen für die Politik in Berlin aus den Thesen: iahen
Eidgenössischen Kommission für Jugendfragen und deren neu sagte,
lichem Kommissionsbericht mit dem Titel „Stichworte für den Dgasser
log mit der Jugend“ zu ziehen sind. Zur Vorbereitung dieses
richtsteils soll das im Frühjahr begonnene Gespräch mit der EidlL
nössischen Kommission für Jugendfragen und Experten aus d J
verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens Berlins in ai * el
loger Zusammensetzung unter Federführung des Präsidenten c
Abgeordnetenhauses fortgesetzt und umgehend zu einer net
Diskussionsrunde eingeladen werden.
Wir stimmen also dem Antrag der F.D.P.-Fraktion zu. Ebenso!
ten wir den Änderungsantrag der AL für hilfreich und ergänze: sehne
Wir bitten daher auch die anderen Fraktionen um Zustimmung )ame
unserem Änderungsantrag und sprechen uns dafür aus, den vor ‘
genden Antrag einschließlich der beiden Änderungsanträge ind
zuständigen Ausschuß für Jugend zu überweisen.
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[Beifall bei der SPD]
Präsident Rebsch: Das Wort hat der Abgeordnete Rabats
Rabatsch (AL): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!! [itimn
eben begründete Antrag der SPD-Fraktion wird von uns eben!: Chan
begrüßt; und deshalb muß ich doch noch auf die Worte des! [Ind 1
legen Fabig eingehen, der meinte, daß die Schweizer Überleg ijpppo
gen und Erkenntnisse doch offensichtlich aus einer anderen Vi |elinc
oder Gesellschaftsordnung kämen und deswegen nicht übertr: fernac
bar seien.
Keiner hier wird sicherlich bestreiten können, daß die politisef
und sozialen Verhältnisse in der Schweiz mit denen in Berlin k <ede
vergleichbar sind. Wenn man sich aber den Kern dessen angm P nde
was in diesem Bericht der Eidgenössischen Kommission drinste | one '
kommt man ganz genau auf das, was eigentlich die Grundlat |
sind, die zum Protest von Jugendlichen führen, aber nicht nurz
Protest, sondern auch zu einer sozialen Situation von Jugendlich i Da:
die sich nicht unbedingt protestierend äußern, aber die in ih
Lebensbedingungen und ihren Zukunftschancen so weit besch
ten werden, daß sie ein unzufriedenes Leben führen müssen,
noch einmal zu verdeutlichen, wie breit eigentlich die Basis:
wesen ist, die die Thesen der Eidgenössischen Kommission
April hier in Berlin hatten, möchte ich einmal den Herrn ausc
Senat zitieren, der ja auch gerade von hier aus am schärfsten k
siert wird. Da hat nämlich Herr Lummer am 27. April 1981 in:
„Welt“ gesagt, „dazu sei es dringend nötig, die Fähigkeit zum Dia
wiederzufinden“ - nämlich, um auf die Probleme der Jugend rea:
ren zu können „man könne damit anfangen, daß man jungen h'
sehen gewisse Felder zum Experimentieren überlasse, wo sie im
halb des gesellschaftlichen Systems ihren eigenen Weg finden:
neue Formen des Miteinanderlebens erproben könnten.“
[Beifall bei der CDU]
Prä
Rai
sich
Wenn man das, obwohl es mit der praktischen Politik dieses Ser
nicht in Übereinstimmung zu bringen ist, einmal so, wie es
steht, ernst nimmt, und dann auch noch das einbezieht, was
Preuss gesagt hat, daß er nämlich sehr wohl erkennt, wo die
bleme der Jugendlichen liegen, nämlich in den Faktoren ihrer so
len Lage, wozu die Arbeitslosigkeit gehöre, das Schulsystem,
Wohnungsbedingungen usw., usw. . Und dann komme ich'
die Aussagen der Eidgenössischen Kommission zurück, die d: ®sn<
einem Abschnitt über die Gewalt zu folgenden Feststeiluni
kommt. Sie schreibt, daß Lebensgeschichte und Äußerun:
gewalttätiger Jugendlicher zeigen, daß sie in besonderem Maß 1
walt erlebt hätten. Sie hätten direkte Gewalt zum Beispiel in der
milie, also der Erziehung, indirekt Gewalt am Arbeitsplatz, bei: