Path:
Volume Nr. 6, 24. September 1981

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1981/82, 9. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

I 
Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
6. Sitzung vom 24. September 1981 
267 
Spüler 
sei und - wie ich daraus entnehme - der Senat sich doch wohl erst 
3 in zweiter Linie verantwortlich fühle. Das knüpft in etwa an das an, 
was der Herr Regierende Bürgermeister in seiner Regierungserklä- 
J rung vom 2.Juli im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur 
r Sozialpolitik gesagt hat; er hat dort nämlich gesagt, der neue Senat 
n wolle bei der Behandlung sozialpolitischer Probleme ein grundsätz- 
it lieh anderes Prinzip zur Richtschnur wählen als die vorangegange- 
i. nen Senate, nämlich das Prinzip der Subsidiarität, 
n 
s 
e 
ät 
:e 
al 
är 
n. 
3- 
[Wischner (CDU): Richtig!] 
wonach die jeweils kleinere Einheit Vorfahrt haben solle vor der grö 
ßeren und die größere erst dann zum Zuge kommen solle, wenn die 
kleinere das Problem nicht mehr bewältigen könne. Ich habe ein 
wenig den Verdacht daß der Senat dieses Prinzip der Subsidiarität 
etwas eigenwillig interpretiert und sich des Problems der zentralen 
Verantwortung entledigen möchte. 
3r 
;h 
in 
in 
ie 
s- 
ie 
ür 
,ts 
an 
;ht 
ar- 
sn 
ng 
Stellv. Präsident Franke: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, 
Herr Kollege? 
Spüler (SPD): Ja, bitte! 
Stellv. Präsident Franke; Herr Kollege Schicks! 
Schicks (CDU): Herr Kollege Spüler, haben Sie wirklich den Ein 
druck nach den Ausführungen von Herrn Senator Fink, daß der 
Senator für Gesundheit, Soziales und Familie in der Sache der Asy 
lanten nichts getan hat? Ist es nicht so, daß er hier wirklich in der 
planerischen Arbeit aktiv tätig geworden ist und jetzt bei der Umset 
zung die Bezirke mit in die Verantwortung genommen werden 
müssen? Haben Sie nicht diesen Eindruck, daß das in den Ausfüh 
rungen von Herrn Fink wirklich deutlich geworden ist? 
Spüler (SPD): Ja, ich hätte mir das zum Teil etwas deutlicher ge 
wünscht. Mich hat insbesondere gestört, daß der Herr Senator 
keine präzisere Antwort geben konnte auf die Frage, warum ein 
Haus in Wedding und dort insbesondere in einer Ecke, die ohnehin 
einen ganz besonders hohen Ausländeranteil von rund 30% der 
Bevölkerung aufweist, genutzt werden soll zur Unterbringung von 
Asylanten, ohne daß eine Befristung dieser Verwendung des Ge 
bäudes von dem Herrn Senator in Aussicht gestellt worden ist. Der 
Herr Kollege Gierich hat hierzu vor einiger Zeit bereits eine Kleine 
Anfrage eingebracht. In deren Beantwortung hat der Senator sich 
nur dazu verstehen können, von einer vorläufigen Nutzung zu 
sprechen, ohne aber den Begriff „vorläufig“ zu erläutern. Ich glaube, 
daß die Bevölkerung, die dort betroffen ist, ein Anrecht hat zu erfah 
ren, was der Senat darunter versteht. 
[Beifall bei der SPD] 
Ich will noch einmal sagen, warum wir Sozialdemokraten die 
Behandlung von Asylantenproblemen nicht als Randproblem für die 
Berliner Stadtentwicklung ansehen. Die bloße Tatsache, daß es 
sich um eine soziale Randgruppe handelt, heißt ja nicht, daß man 
sie dilatorisch oder mit der linken Hand behandeln könnte. Ich glau 
be, daß die Ballung von sozialen Randgruppen in bestimmten 
Stadtvierteln vielmehr geradezu dabei ist, zu einem zentralen Pro 
blem der Berliner Stadtentwicklung in der Innenstadt zu werden, 
und da reicht es nicht aus, auf die Kompetenzen von Bezirken zu 
verweisen - es ist auch eine zentrale Aufgabe des Senats. Der 
Senat muß zumindest versuchen, im Einvernehmen mit den Bezir 
ken eine Lösung herbeizuführen, die nun tatsächlich Schluß macht 
Imit dem gegenwärtigen Zustand, daß die Asylsuchenden sich 
hauptsächlich in den Bezirken und Ortsteilen konzentrieren, die 
|ohnehin schon eine starke Belastung durch Ausländer haben und 
Wie wegen schlechter, veralteter Bausubstanz und sonstiger sozia 
ler Probleme weniger als andere Bezirke und Ortsteile in der Lage 
if^sind, mit diesen Belastungen fertig zu werden. 
loh weiß, daß auch in der Vergangenheit genügend Ansätze zur 
Kritik vorhanden waren. Aber ich möchte noch einmal das, was Herr 
Kollege Lorenz schon gesagt hat, unterstreichen: Wir Sozialdemo 
tont jkraten sind bereit, an einer gemeinsamen Lösung mitzuarbeiten, 
■de# IWir wünschen uns aber, daß diese Lösung dazu führt, daß die 
Innenstadt entlastet wird. Dies ist keine egoistische Position von 
Vertretern der Innenstadtbezirke, sondern es ist eine Haltung, die 
ganz wesentlich abzielt auf das Erscheinungsbild und das Lebens 
gefühl in Berlin. Ich glaube, wir müssen uns einfach vor Augen hal 
ten, daß nicht mehr viel Zeit übrig ist. Es gibt nicht die Zeit für lang 
fristige Lösungen. Wir müssen bald zu einer vertretbaren Verteilung 
der Lasten gelangen, denn sonst wird die Abwanderung der 
deutschen Bevölkerung aus den besonders belasteten Gebieten 
sich beschleunigen, und wir werden Entwicklungen haben, die bald 
nicht mehr umzukehren sind. 
[Beifall bei der SPD] 
Stellv. Präsident Franke: Das Wort für die CDU-Fraktion hat 
Frau Abgeordnete John. 
Frau John (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Verehrter Herr Lorenz! Sie haben zu Beginn Ihrer Erläuterungen an 
die CDU appelliert, dieses Thema nicht politisch zu mißbrauchen 
und uns zu bemühen, Gemeinsamkeiten zu finden. Ich halte das für 
selbstverständlich. Die CDU macht immer Politik für Menschen 
und nicht gegen Menschen. 
[Beifall bei der CDU] 
Ihre Befürchtung, wir könnten die Ausländerfrage mißbrauchen 
für das politische Geschäft, geht also ins Leere. 
Und nun zur Sache. 
[Mertsch (SPD): Sie geben also zu, 
daß es bisher unsachlich war!] 
Ich halte es für eine Illusion, daß mit den vorgeschlagenen Maß 
nahmen wesentliche Änderungen bei dem jetzigen Asylantenpro 
blem erreicht werden können. Es wird auch nach dem Bau von 
Sammelunterkünften, es wird auch nach einer problemgerechten 
Verteilung von Asylanten auf die einzelnen Bezirke und es wird 
auch nach der Verstärkung des Personals in der Asylantenstelle 
weiterhin unlösbare Probleme geben. Ja, es kann durchaus der Fall 
eintreten, daß alle diese Aktivitäten wirkungslos bleiben, weil sich 
inzwischen die Zahl der Asylanten wieder so unerhört erhöht. 
Ich will Ihnen nur die Entwicklung der letzten Jahre vorführen: Wir 
hatten 1977 ca. 10 000 Asylanten, 1978 waren es bereits 15 000, 
dann ging die Zahl 1979 auf 10 000 zurück, 1980 auf ca. 9 500 und 
bis zum August dieses Jahres sind es bereits wieder 9 000. Der Zu 
strom von Asylanten nach Berlin hängt doch in keiner Weise von 
unseren eigenen Entscheidungen und Maßnahmen ab, sondern er 
bestimmt sich durch Umstände, auf die wir überhaupt keinen Ein 
fluß haben. Es wird und kann keinem Senat gelingen, wie auch 
keiner anderen Landesregierung, den Wettlauf mit der Hoffnung 
von Menschen auf ein Leben ohne Angst und ohne Hunger und 
auch auf ein Leben mit mitteleuropäischem Lebensstandard zu ge 
winnen. Das im Grundgesetz verankerte Asylrecht, vor allen Dingen 
natürlich das praktizierte Asylverfahren ermöglicht es doch erst ein 
mal allen, die hier bei uns Sicherheit und Wohlstand suchen, sei es 
nun begründet oder unbegründet, herzukommen. Mit dieser Grund 
voraussetzung werden alle Landesregierungen unter Zugzwang 
gesetzt. Die können eigentlich dieses Problem nur anständig ver 
walten, mehr nicht Genau das versucht auch dieser Senat wie es 
auch sein Amtsvorgänger versucht hat. Ich erinnere Sie an die Ab 
schiebungsflüge 1977, an die Pakistani, die plötzlich zu Tausen 
den nach Berlin kamen. Ich erinnere Sie an die Einführung der Miß 
brauchsprüfung, die ja jetzt bedauerlicherweise durch höchstrich 
terliche Entscheidung wieder zurückgenommen werden mußte. Es 
muß uns allen, so habe ich Sie ja auch verstanden, doch um das 
gehen, was ich jetzt aus den Leitlinien des Senats von 1980 zitiere 
- ich könnte genausogut aus der Regierungserklärung des jetzigen 
Senats zitieren -: 
Es muß uns darum gehen, alle rechtsstaatlichen Mittel auszu 
schöpfen, um den Zustrom von unberechtigt Asylsuchenden 
sowie illegal nach Berlin Kommenden zu unterbinden. 
Das wird aber immer nur in Ansätzen gelingen, solange die Bundes 
regierung die fällige Gesetzesnovellierung des Asylverfahrens mit 
dem Ziel, den Rechtsweg zu straffen, verzögert. Deshalb war es 
auch richtig, die Tamilen zu bewegen, freiwillig in die Heimat zu-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.