Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
6. Sitzung vom 24. September 1981
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Die von der ZSA nicht mit Unterkunftsplätzen versorgten Asyl
bewerber erhalten eine Barbeihilfe aus Sozialhilfemitteln und be
schaffen sich im Wege der Selbsthilfe ein Unterkommen. Insbeson
dere größeren Familien gelingt dies jedoch im allgemeinen nicht.
Diese werden deshalb von der ZSA nach einem zwischen den Be
zirksämtern abgesprochenen Verfahren auf die übrigen Bezirks
ämter verteilt.
Für die im Juli 1981 in Turnhallen und Notunterkünften unter
gebrachten Tamilen mußten bis zum Ende der Schulferien kurz
fristig andere geeignete Unterkünfte gefunden werden. Es bot sich
hierfür das ehemalige Ledigenheim in der Schönstedtstraße im
Bezirk Wedding an. Dieses Haus konnte mit dem verhältnismäßig
geringen Kostenaufwand von 60 000 DM für die Aufnahme von
260 Asylbewerbern hergerichtet werden. Der Senat hat keinen Ein
fluß darauf, daß dieses Gebäude im Bezirk Wedding gelegen ist.
Die Betreuung der Asylbewerber hat das DRK übernommen, die
Kosten trägt die ZSA Tiergarten. Das Bezirksamt Wedding ist also
insoweit nicht belastet.
In dem Gebäude Schönstedtstraße könnten insgesamt mehr als
500 Asylbewerber untergebracht werden. Der Senat hat hierauf
jedoch mit Rücksicht auf den Bezirk Wedding ausdrücklich ver
zichtet.
Die Asylbewerber, die ihr Asylverfahren im Land Berlin durchfüh
ren, weil sie dem Land Berlin zugeteilt worden sind, wurden bisher
nach einem Gleichverteilungsverfahren, in Zukunft aber nach einem
von mir entwickelten, mit den Bezirksstädträten der Abteilung
Sozialwesen in der vergangenen Woche abgesprochenen und von
diesen ohne Gegenstimmen gebilligten Verteilverfahren auf die
Bezirksämter verteilt, wobei die Bezirke Tiergarten, Wedding und
Kreuzberg, die bereits einen überdurchschnittlichen Ausländer
anteil - gemessen an der deutschen Bevölkerung - haben, aus
genommen bleiben. Ich werde diesen Verteilerschlüssel noch im
Rat der Bürgermeister einbringen.
Der Schlüssel berücksichtigt den bereits vorhandenen Auslän
deranteil in den Bezirken in der Weise, daß Bezirken mit geringe
rem Ausländeranteil relativ mehr Asylbewerber zugewiesen werden
als den Bezirken mit höherem Ausländeranteil. Danach werden die
relativ meisten Zuweisungen in Zukunft die Bezirke Tempelhof,
Reinickendorf und Steglitz, die relativ wenigsten Zuweisungen die
Bezirke Schöneberg, Charlottenburg und Neukölln erhalten.
Die Bezirksämter betreuen gegenwärtig ca. 6 000 Asylbewerber,
die ihr Verfahren in Berlin betreiben, mit Sozialhilfemitteln, Die
Sozialhilfeaufwendungen betrugen einschließlich der der ZSA im
Jahre 1980 ca. 41 Mio. DM, sie werden in diesem Jahr zwischen 50
und 60 Mio. DM liegen.
Um der ZSA Tiergarten bei der Unterbringung der Asylbewerber
behilflich zu sein - und damit habe ich auch gleichzeitig eine Frage
von Herrn Lorenz beantwortet -, hat der Senat in seiner Sitzung am
11. August 1981 beschlossen, Durchgangsheime für Asylbewerber
in Fertigbauweise mit insgesamt ca. 1 000 Plätzen auf geeigneten
Grundstücken zu errichten. Die Grundstücke sind von den Bezirken
benannt worden. Der Rat der Bürgermeister hat sich einverstanden
erklärt. Die neuen Unterkünfte sollen in Bezirken entstehen, die
einen relativ geringen Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung
haben. Konkrete Objekte sind in den Bezirken Steglitz und Tempel
hof vorhanden. Die Durchführung dieses Beschlusses ist jedoch
zeitaufwendig, weil vielfältige Hindernisse zu überwinden sind. So
gestaltet sich zum Beispiel bei der Bodenknappheit in Berlin allein
die Beschaffung geeigneter Grundstücke äußerst schwierig, weil
unter anderem anderweitige Prioritäten - zum Beispiel die Nutzung
als Gewerbefläche -, baurechtliche Vorschriften - zum Beispiel
verbindliche Bebauungspläne -, anderweitige Nutzungswünsche
der Bezirksämter und nicht zuletzt Widerstände aus den Bezirken
und der Bevölkerung zu beachten bzw. zu überwinden sind. Der
Senat hofft jedoch, daß die ersten Unterkünfte in Fertigbauweise
spätestens im Frühjahr nächsten Jahres bereitgestellt werden kön
nen. Bei der Masse der Asylbewerber, die in Berlin zu betreuen
sind, und dem gegenwärtigen Umfang der Neuzugänge sieht der
Senat keine Möglichkeit, die Zusammenballung vorhandener Unter
künfte und Einrichtungen für Asylbewerber in einigen Innenstadt
bezirken kurzfristig zu beseitigen, gleichwohl bemüht er sich nach
Kräften, unter anderem auch durch das erwähnte Verteilverfahren,
langfristig eine Entzerrung zu erreichen. Der Senat hat darüber hin- s
aus die Bezirksämter wiederholt - zuletzt in der Sitzung des Rats j r
der Bürgermeister am 20. August dieses Jahres - gebeten, Unter- w
künfte für Asylbewerber in eigener Zuständigkeit zu schaffen und n
vorzuhalten. Die Zuständigkeit liegt bei den Bezirken, nicht bei der g
Hauptverwaltung; der Senat hilft, aber die Zuständigkeiten dürfen w
nicht verwischt werden. Die Innenstadtbezirke müssen entlastet |j
werden, aber die anderen Bezirke müssen dies auch ermöglichen, n
Ich komme damit zur Beantwortung der Frage 4. Der Senat von
Berlin ist für das Verfahren der Ausländerbehörde zuständig. Das
Anerkennungsverfahren selbst ist Sache des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Der Polizeipräsident hat
innerhalb des Referats „Ausländerangelegenheiten“ eine getrennte
Abfertigung für die Asylbewerber eingerichtet, die zum ersten Mal
vorsprechen. Dadurch ist eine Herausiösung dieser Antragsteller
aus dem Gesamtaufkommen der Asylbewerber erreicht worden.
Ferner hat der Polizeipräsident diesen Bereich durch interne Maß
nahmen um 17 Mitarbeiter und einen für die Aufrechterhaltung der
äußeren Ordnung benötigten Wachpolizisten verstärkt. Schließlich
soll für das Asylsachgebiet ein Neubau am Friedrich-Krause-Ufer in
unmittelbarer Nähe zur Sozialhilfestelle für Asylbewerber in
Schnellbauweise errichtet werden. Neben den Räumen für die
Bearbeiter sind große Warteräume zur Bewältigung des Publikums
verkehrs vorgesehen. Das Baugelände ist inzwischen baureif; die
Bauplanungsunterlagen sind erstellt und werden vom Senator für
Bau- und Wohnungswesen geprüft; die Finanzierung des Objekts
soll in dem ersten Nachtragshaushaltsplan 1982 vorgenommen
werden.
[Schicks (CDU): Das ist ja ausgezeichnet!]
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All diese organisatorischen Vorkehrungen sind notwendig, echt
helfen kann aber nur eine Änderung des Asylverfahrens. Hier erwar
ten alle Bundesländer, vor allem Berlin, rasche Abhilfe durch den
Bundesgesetzgeber. Der Senat hofft hierbei auf die Unterstützung
seiner Bemühungen durch die Fraktionen dieses Hohen Hauses.
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[Schicks (CDU): Das ist völlig richtig!]
Meine Damen und Herren, wer politisch verfolgt wird, der soll bei
uns Zuflucht und Heimat finden. Lassen wir es aber nicht zu, daß
dieses fundamentale Recht durch Mißbrauch in Verruf gebracht
wird!
[Beifall bei der CDU]
Stellv. Präsident Franke: Schönen Dank! - Das Wort in der
Besprechung hat der Abgeordnete Spüler für die SPD-Fraktion,
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Spüler (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will ®
die letzte Bemerkung des Herrn Senators zunächst einmal aufgrei
fen: Es ist sicher richtig, daß eine grundsätzliche Änderung oder
Teillösung des Problems nur dann zu erwarten ist, wenn auch der
Zustrom von Asylbewerbern durch Änderungen der Gesetzes
vorschriften zumindest begrenzt werden kann. Das ist sicher richtig, g
nur enthebt es uns hier in Berlin ja doch nicht der Notwendigkeit g
Lösungen zu finden innerhalb der Stadt; denn selbst dann, wenn j
das Asylverfahren verkürzt werden kann aufgrund gesetzlicher
Änderungen, l
[Frau John (CDU); Dann kommen nicht mehr so viele!]
sind wir hier in Berlin mit Sicherheit auch künftig mit dem Problem
konfrontiert, zumindest vorübergehend eine größere Zahl von Asyl'
suchenden unterzubringen.
Ich will mich hier nicht hinstellen und behaupten, daß die voran
gegangenen Senate da schon überall Patentrezepte und hervor
ragende Lösungen gehabt hätten, und deswegen will ich auch
keine Vorwürfe erheben gegenüber dem jetzigen Senat, aber ich
glaube, es muß erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß die Zielset
zung, die der Herr Senator bei seiner Politik eben beschrieben hat
doch vielleicht noch etwas verdeutlicht werden könnte von ihm oder
vielleicht auch korrigiert werden sollte durch dieses Haus. Ich wü
zumindest noch einmal unterstreichen, woran uns Sozialdemokra
ten liegt.
Der Herr Senator hat gegen Schluß seiner Ausführungen betont
daß die Zuständigkeit in erster Linie bei den Bezirken angesiedeltpV