Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode
4. Sitzung vom 16. Juli 1981; A
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(A)
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Landowsky
nicht ankommen - das müßte Sie doch hellhörig machen. Sie ver
nichten mit einer derartigen Politik potentiell Tausende von Arbeits
plätzen in dieser Stadt - das wissen Sie doch.
[Beifall bei der CDU und Zurufe: So ist es!]
Lassen Sie mich ein letztes Wort sagen.
[Glocke des Präsidenten]
Präsident Rebsch: Herr Landowsky!
Landowsky (CDU): Die materiellen Ausführungen des Kollegen
Schneider habe ich gern zur Kenntnis genommen. Ich hätte mir ge
wünscht, daß in der gleichen Deutlichkeit, den Terror gegen einzel
ne betreffend, auch Ihr Fraktionsvorsitzender rechtzeitig Stellung
genommen und nicht immer versucht hätte, die CDU dafür mit
verantwortlich zu machen.
[Widerspruch bei der SPD - Beifall bei der CDU]
Herr Schneider, bitte, nehmen Sie uns eines ab, und das ist der ern
ste Zorn
Präsident Rebsch: Herr Landowsky, die Redezeit ist beendet.
Landowsky (CDU): Ja, Herr Präsident, der letzte Satz. - Den
Schrott, den wir jetzt beseitigen, haben Sie uns durch jahrzehnte
lange Politik hinterlassen,
[Widerspruch bei der SPD - Beifall bei der CDU]
Präsident Rebsch: Das Wort hat für die Fraktion der SPD der
Abgeordnete Pätzold.
Pätzold (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! In Berlin hat sich am letzten Wochenende Schlimmes
zugetragen. Nicht nur am letzten Wochenende und auch nicht nur
in Berlin erleben wir Entwicklungen, die bedrohlich erscheinen. Ich
verweise nur auf die jüngsten Vorkommnisse in England. Man kann
sich die besorgte Frage vorlegen, ob Demokratie - wie wir immer
glaubten - wirklich in jedem Fall zum inneren Frieden führt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Fraktionskollege
Schneider hat hier schon den Dank der SPD-Fraktion an die Polizei
dafür abgestattet, daß die Bürger geschützt worden sind, daß die
Polizei - was nicht in allen Ländern so ist - sich besonnen verhal
ten hat und daß sie diesen Schutz für die Bürger unserer Stadt
unter dem Einsatz der eigenen Person geleistet hat. Und ich denke,
daß gerade unsere jungen Polizisten in diesen Wochen und Mona
ten eine tragische Erfahrung machen: Sie müssen bis zur Selbst
verleugnung Zurückhaltung üben, obwohl es zum Teil auch um das
eigene Leben, um die eigene Gesundheit geht, während andere das
Recht brechen, und die Polizei muß sich - auch, wenn es um die
eigene Person geht - dennoch der rechtsstaatlichen Ordnung beu
gen. Das ist notwendig im Interesse unserer freiheitlichen Ordnung.
Wir wissen, daß diese freiheitliche Ordnung - Gott sei Dank - ins
gesamt sehr weite Grenzen und damit auch sehr weite Grenzen für
Menschen zieht, die anders denken und vielleicht auch anders han
deln bis zur Gewalt hin, aber ich sage auch gleich dazu: Derjenige,
der nicht nur anders denkt, sondern anders handelt bis in den Be
reich der Gewalt, muß auch wissen, daß Gewalttaten die ganze
Härte des Gesetzes, der staatlichen Gewalt, finden müssen.
[Beifall bei der SPD]
Vor diesem Hintergrund appellieren wir an die jungen Demon
stranten: Zeigen Sie weiter Engagement, demonstrieren Sie gegen
soziale Ungerechtigkeit, leisten Sie etwas, damit sich die Dinge
ändern, aber jedes noch so hohe Engagement darf keine Gewalt
rechtfertigen!
[Beifall bei der SPD]
Wir müssen den jungen Menschen sagen: Trennt Euch von denen,
die Gewalttaten - aus Prinzip oder auch aus ihrer Veranlagung her
aus - üben, denn die freiheitliche Ordnung ist eine sehr sensible
Errungenschaft, für die viele Demokraten ihr Leben gelassen
haben! Sie ist mit Fehlern behaftet; kein geringerer als Churchill hat j d
gesagt: Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, außer allen; | b
übrigen! Aber diese Staatsform sichert auch die Bürgerrechte des j 81
einzelnen gegen den Staat, und sie sichert die Chance auf Verän- } »
derung. So berechtigt die sozialen Anliegen, die Kritik an sozialen; J
Mißständen sind, so wenig ist dies eine Rechtfertigung für Gewalt; |
denn wir haben allzulange - gerade in Deutschland - erlebt, daO I w
man die eigenen Vorstellungen entwickeln und anderen vermitteln; G
darf, aber daß man andere Menschen nicht mit Gewalt glücklich •
machen darf, daß man seine Überzeugungen nicht etwa anderen | s1
wider deren besseres Wissen aufdrängen darf. Es hat seinen guten; | m
Grund in der Entwicklung der Zivilisation, daß nur der Staat Gewal! 1 61
üben darf, und dies auf strenger gesetzlicher Grundlage und streng | Q
kontrolliert. Niemand darf sich selbstgerecht im eigenen Namen ,: zl
oder im Namen anderer wieder ein Faustrecht zusprechen - das ; rL
wäre das Ende jeder Zivilisation, das wäre das Ende der Freiheit | F-
und das wäre vor allen Dingen das Ende des Schutzes des Schwa- |b
cheren. D
Deshalb appelliere ich auch an die AL - gerade auch nach den |
heutigen Rede des Kollegen Finger; Verurteilen Sie Gewalt eindeu c ,
tig; sich davon zu distanzieren, genügt nicht! Tragen Sie, bitte, Ihre: j
Verantwortung vor Ihrer Wählerschaft Rechnung! Ich bin auch gan; i
sicher - obwohl ich mir diese Sorgen nicht für mich machen muß - -;.-q
daß Sie einen großen Teil Ihrer Wählerschaft nicht damit beeinJL (
drucken werden, daß Sie hier keine klare Position zu Gewalttäter: | s(
beziehen. Sie haben im übrigen als Abgeordnete auch eine Ge v
Samtverantwortung - wie jeder Abgeordnete sonst - für die ganzt j
Stadt, und ich bitte Sie: Nehmen Sie diese Verantwortung wahr |di
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[Beifall bei der SPD, der CDU und der F.D.P.]
Aber mir liegt auch daran, das Dreieck von Ursachen und Wirkurr |w
gen noch einmal anzusprechen. Da gibt es einmal soziale MiE Sin
stände - wer wollte die leugnen? -, da gibt es als falsche Antwo' |bi
darauf Gewalt nach Demonstrationen, und dann kommt als dritte!Ire
hinzu, daß der Staat richtig und besonnen darauf reagieren muf |Si
Jede Überreaktion im politischen Raum ist zwar nicht Ursache - |se
wie uns unterstellt worden ist als Äußerung gegenüber dem CDU lde
Senat -, aber sie ist ein verstärkendes Element und Ursache fii |sc
Solidarisierungen. Hier stehen Sie in der Pflicht, und hier sind Sr |P*
gefordert! Leider ist das Ergebnis der vergangenen Wochen, da|R'
es mehr Krawalle gibt, weniger Verhandlungschancen zur Bese-fei.
zerszene hin, falsche Solidarisierung in einem Ausmaß, wie wir da |ui
bisher nie gekannt haben. Wir führen das darauf zurück, daß Sie di |Ki
„Berliner Linie“ leider nicht so eingehalten haben, wie Sie es jefc|nf
versprochen haben. f3
Präsident Rebsch: Herr Abgeordneter Pätzold, die RedezeititPi
Pnrlo
zu Ende.
Pätzold (SPD): Herr Präsident, ich komme zum letzten Satz. • f 11
Ich bitte Sie deshalb auch, zum falschen Zeitpunkt nicht über Dinoj 3t
zu reden, Herr Senator Lummer, die die Situation nur anheizen kö; ; Ä
nen - Beispiele dafür sind genannt worden. Auch Ihr letzter Beitrag
war leider nicht so, daß er nach mehr Zurückhaltung aussah. Aue 1 ® 1
wenn Sie uns hier zu verteufeln suchen, indem Sie davon spreche#'
daß wir die rechtsstaatliche Gemeinsamkeit verlassen würden, - If*
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Präsident Rebsch:
Satz.
Herr Abgeordneter, das war mehr als e|
Pätzold (SPD): kann uns das nicht beirren! Wir werden G|
walt verurteilen, wir werden jedem helfen, der diesen Staat schütz^
will, aber wir bitten auch, sensible und behutsame Lösungen anr|
streben!
[Beifall bei der SPD]
Präsident Rebsch: Das Wort hat für die Alternative Liste i
Abgeordnete Sellin.