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Volume Nr. 18, 11. März 1982

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1981/82, 9. Wahlperiode, Band I, 1.-18. Sitzung (Public Domain)

18. Sitzung vom 11. März 1982 
198! Abgeordnetenhaus von Berlin - 9. Wahlperiode 
1049 
3r. Dittberner 
« Ich meine nun allerdings, wir sollten es uns nicht zu ein- 
n ach machen und dies alles auf die ewige Intoleranz der 
putschen allem Fremden gegenüber zurückführen oder gar 
- on einem Wiederaufleben vorfaschistischer Konstellatio- 
en sprechen, wie das manchmal getan wird. Denn zum 
r inen ist es ganz offensichtlich so, daß die große Mehrheit 
nserer Bürger immer noch bereit ist, in jedem Ausländer 
unächst einmal den Menschen zu sehen. Und zum anderen 
. auch dies muß hier einmal ausgesprochen werden — sind 
bjektive Schwierigkeiten beim Zusammenleben zwischen 
n (eutschen und Ausländern nun einmal schlichtweq vorhan- 
'■ len. 
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e Die Schwierigkeiten beginnen zum Beispiel mit der ver 
wenden Vielfalt individueller und kollektiver Art, die bin 
ar der Pauschalbezeichnung „Ausländer“ steht: Gastarbei- 
d ;r, politisch Verfolgte und sogenannte Wirtschaftsasylanten, 
h lationalitäten und hierzu wiederum Minoritäten, Alte und 
n unge, Rechte und Linke, vielfältige Glaubensrichtungen — 
'• (er blickt da eigentlich noch durch? Und ich frage Sie, 
n sicher deutsche Normalbürger kann dies in der Tat alles 
egreifen und analysieren? Ich meine, es ist zwar nicht ver 
änderlich, wenn alle in einen Topf geworfen werden, aber 
it ieser Pauschalbetrachtung muß begegnet werden. Dazu 
nter anderem soll der vorliegende Antrag dienen. 
Es ist weiterhin nicht überraschend, wenn bei fortschrei- 
j jnder Arbeitslosigkeit geargwöhnt wird, „die Ausländer“ 
ehmen uns die Arbeitsplätze weg. Es ist nicht überra- 
chend, wenn solche Meinungen aufkommen, sondern im 
' äegenteil, es ist naheliegend. Also muß man dieser Reak- 
g :on durch gezielte Informationen über das bisherige Ar- 
eitsverhalten gerade der länger hier lebenden Ausländer 
ntgegenwirken. 
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Kann man sich — um ein weiteres Beispiel zu nennen — 
gentlich erheben, frage ich Sie, meine Damen und Herren, 
egenüber jenen älteren Deutschen, bei denen die stei- 
ende Ausländerkriminalität Furcht erzeugt und bei denen 
iese Furcht dann häufig auch in Haß umschlägt? Kann man 
ich über diese Menschen erheben? Hier hilft nach meiner 
inschätzung kein Moralisieren, sondern es helfen nur In- 
jrmationen darüber, daß es vielfach doch unsere eigene 
iesellschaft ist, die die hier geborenen arbeitslosen Ju- 
endlichen, Nachkommen der Gastarbeiter, in die Krimi- 
ialität treibt. Und ich meine, auch hierüber sind Informatio- 
ten notwendig. Lassen Sie mich aber eines noch hinzufügen: 
liejenigen Deutschen haben nach meiner Meinung recht, 
ie bei den zugewanderten Schwerkriminellen, insbesondere 
ei Rauschgifthändlern, die unverzügliche Verweisung aus 
em Lande fordern! 
|Muß man sich — um ein letztes Beispiel zu nennen — 
® s her die alteingesessenen Kreuzberger wundern, die sich 
’ trgern, statt nun in einem Altberliner Kiez in einem Türken- 
iertel zu wohnen? Auch ihnen muß man deutlich machen, 
laß es letzten Endes eine bestimmte Unternehmenspolitik 
on deutschen Hausbesitzern gewesen ist, die diese Situa- 
|on herbeigeführt hat. 
i Ich meine also mit den Beispielen vom Zusammenleben 
lit Ausländern — und wir reden jetzt im Augenblick gar 
iicht von Integration —, das Zusammenleben mit ihnen kann 
licht ohne Konflikte sein. Das sollte man klar sehen; rühr- 
elige Utopien helfen nicht. 
Und natürlich gehört zu einem menschenwürdigen Zu- 
ammenleben, daß die hier lebenden Ausländer bereit sind, 
ie Grundlagen unserer eigenen Gesellschaft, unseres eige 
nen Gesellschaftslebens zu respektieren; das müssen wir 
in ihnen erwarten. Wir müssen aber auch von den Deut 
dien erwarten, daß sie sich bei allen Konflikten mit den 
usländern menschenverachtender Emotionen enthalten. Un- 
fer Grundsatz geht ja davon aus, daß alle Menschen gleich 
pid gleichwertig geschaffen sind. 
Mit der heutigen Beschlußfassung sowie den darin vor- 
esehenen Maßnahmen will das Abgeordnetenhaus denen 
itgegentreten, die dieses Grundprinzip unserer Gesell- 
phaftsordnung und unseres Grundgesetzes, daß alle Men 
gen gleichwertig sind, verletzen. In den Konfliktbereichen 
edarf es der Information an Deutsche und Ausländer. Und 
ie gewünschte Kommission sollte in zwei oder drei Sitzun 
gen dem Senat raten, wie und wo solche Informationen ver- 
mittelt werden können. 
Aus dem Antrag geht hervor, daß die drei Fraktionen be 
sorgt sind über die ausländerfeindlichen Tendenzen, und sie 
wollen ehrlich etwas dagegen tun, wobei sie nicht behaup 
ten, daß sie schon Patentrezepte gefunden hätten. Ich finde, 
es ist auf der einen Seite bedauerlich, daß die AL-Abge- 
ordneten nicht so frei sind, sich an diesem Antrag zu be 
teiligen durch eigene Formulierungen, die hier hätten ein 
gearbeitet werden können. Ich will einer kommenden De 
batte nicht vorgreifen, aber für mich ist es absolut unver 
ständlich, wenn ausgerechnet mit diesem Antrag ein Miß 
trauensantrag gegen den Innensenator verbunden wird, 
ausgerechnet mit diesem Antrag, meine Damen und Herren 
von der Alternativen Liste. Sie nähren damit Zweifel, ob , 
Sie wirklich etwas gegen die Ausländerfeindlichkeit tun wol 
len oder ob Sie nicht nur ein parteipolitisches Spielchen 
treiben wollen. 
[Beifall bei der CDU] 
Es geht das Wort um, wir hätten Arbeitskräfte geholt und 
Menschen seien gekommen. Ich sage Ihnen, ich persönlich 
halte dieses Wort wegen seiner selbstanklagenden Grund 
tendenz für falsch. In Zeiten der Hochkonjunktur haben 
wir Menschen aus dem Ausland Arbeitsplätze angeboten, 
und sie haben diese Arbeitsplätze eingenommen. Es spricht 
wohl nicht gegen unsere Gesellschaft, daß auch in der Wirt 
schaftsflaute viele von ihnen, nun also auch schon ihre 
Nachkommen, hierbleiben. Ihnen gerade bieten wir die. In 
tegration an, wir wollen sie ihnen nicht aufzwingen, wir 
bieten sie ihnen an. Es sind aber auch andere Ungebetene 
hergekommen, und sie haben es schwer hier, und wir kön 
nen gerade diesen letzteren schwerlich sagen, daß sie alle 
hierbleiben können. Aber niemand von uns Deutschen hat 
das Recht, auch nur einem von ihnen und aus welchen 
Gründen auch immer die Menschenwürde abzusprechen. 
Und dies auch einmal vom Abgeordnetenhaus aus deutlich 
zu machen, ist der Sinn dieses Antrags. — Recht herzlichen 
Dank! (D) 
[Beifall bei der F.D.P. und der CDU] 
Stellv. Präsident Longolius; Das Wort zur Beratung hat 
der Abgeordnete Schicks. 
Schicks (CDU); Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Es war Professor Dittberner, der einen ersten Schritt zu die 
ser Entschließung im Rahmen einer gemeinsamen Initiative 
tat. Als Vorsitzender des Ausschusses für Ausländerfragen 
war er dazu in besonderem Maße berufen, denn gemein 
sam, Herr Professor Dittberner, mußten wir erkennen, daß 
in bestimmten Bereichen der Stadt eine Haltung, eine Ten 
denz gegenüber ausländischen Mitbürgern besteht, die zu 
einem Teil von uns Politikern so nicht hingenommen werden 
kann und darf, zum anderen Teil mindestens einer Aufar 
beitung bedarf. So möchte ich mich bei Ihnen über Ihre aus 
führliche Begründung sehr herzlich bedanken, hinter die 
wir uns voll stellen können und auch voll stellen wollen. 
Ich möchte die Frage stellen, ob die Politiker nicht selbst 
vielleicht ein bißchen oder sogar mehr als ein bißchen 
Schuld sind an manch negativer Einstellung gegenüber Aus 
ländern, indem wir gerade in der letzten Zeit in der Auslän 
derpolitik in der Öffentlichkeit über Fragen gestritten ha 
ben, über die es nicht zum Streit hätte kommen müssen 
oder zumindest nicht so zum Streit hätte kommen müssen, 
wie es geschehen ist. Ich stelle diese Frage insbesondere 
an die Fraktion der Alternativen Liste, die immer alles oder 
nichts fordert. Ich denke dabei nur an eine Diskussion in 
der letzten Sitzung des Ausschusses für Ausländerfragen, 
wo sich die Vertreterin der Alternativen Liste, Frau Kante 
mir, von dem Kollegen Lorenz sagen lassen mußte, ob es 
überhaupt Erfolg habe, dieses alles zu wünschen, was sie 
dargestellt hatte, oder ob man nicht auf halbem Wege etwas 
erreichen könnte. Ich will hier nicht um die Sache, um die 
es ging, diskutieren, sondern möchte nur einmal das Pro 
blem aufzeigen. Abg. Lorenz erhielt zur Antwort — für uns 
kopfschüttelnd —, daß das, was andere wollen, nur etwas 
für das Schaufenster ist, daß man letztlich gar nicht daran 
interessiert wäre, echte Ausländerpolitik zu betreiben. Alles
	        
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