Abgeordnetenhaus von Berlin - 8- Wahlperiode
40. Sitzung vom 27. November 1980
1728
Sen Dr. Sauberzweig
* (A) Mit diesem Beispiel ist freilich eine Bibliothek der dritten Stufe
genannt, denn die Amerika-Gedenkbibliofhek gilt zumindest im
Hinblick auf ihre Zentralfunktion für die öffentlichen Bibliotheken
als Clearingstelle zwischen öffentlichen allgemeinen und öffent
lichen wissenschaftlichen Bibliotheken.
Zu einem anderen Thema: Im Land Berlin ist die Forderung des
„Bibliotheksplans 1973“, daß Schulbibliotheken mit Bibliotheken
der Stufen 1 und 2 eine Funktionseinheit bilden sollen, weit
gehend erfüllt. Schulbibliotheken sind nach dem Schulentwick
lungsplan III von 1978 ein „fachspezifischer Bestandteil des
Bibliotheksnetzes der öffentlichen Büchereien“. Freilich gibt es
im Bereich der Grund- und Oberschulen einige Schulbibliothe
ken, die noch nicht in die Stadtbüchereisysteme integriert sind. Es
fehlt auch eine Schulbibliothekarische Arbeitsstelle, von der be
reits im Schulentwicklungsplan III die Rede war. Ich komme
darauf nachher noch zurück.
Der Bedarf an Literatur und Information für Forschung und
Lehre ist durch die Bibliotheken der Hochschulen des Landes
Berlin im allgemeinen gut abgedeckt. Freilich sind vor allem im
Bereich der Institutsbibliotheken noch eine ganze Reihe von Pro
blemen zu lösen: Die Institutsbibliotheken entsprechen teilweise
nicht den fachlichen Mindestanforderungen im Hinblick auf fach
liche Leitung, fachgerechte Kataloge, Unterbringung und Zu
sammenarbeit mit den Hochschulbibliotheken, Die Ausstattung
mit Lesegeräten, Rückvergrößerungsgeräten, Terminals und ähn
lichem entspricht noch nicht den heutigen Anforderungen. Die
räumliche Unterbringung ist mit wenigen Ausnahmen auch nicht
funktionsgerecht. Die zur Verfügung stehenden Raumflächen
reichen zur Unterbringung der Bestände nicht überall aus. Die
Lehrbuchsammlungen sind nicht in allen Fällen ausreichend ge
staffelt. Das klingt kritisch, und trotzdem sei gesagt, daß die
Grundlage sehr, sehr positiv ist. Ich gehe jetzt stärker ins Detail
und sage, dies wären weitere Verbesserungsmöglichkeiten.
Den regionalen und überregionalen Leihverkehr - wenn ich
darauf kommen darf - für die öffentlichen allgemeinen und die
(B) öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Berlin,
der über den Berliner Gesamtkatalog läuft, regelt die Berliner
Leihverkehrsordnung. Der Berliner Gesamtkatalog ist einer der
sieben Zentralkataloge der Bundesrepublik Deutschland. Er
weist annähernd 5 Millionen Bände Monographien und Zeit
schriften nach und bearbeitet die Meldungen von mehr als 325
Bibliotheken. Allerdings weist der Berliner Gesamtkatalog erheb
liche Einarbeitungsrückstände auf, die - wenn diese Institution
ihrer Aufgabe gerecht werden soll - in sehr kurzer Zeit ab
getragen werden müssen.
Die Zusammenarbeit mit den anderen Bundesländern er
schöpft sich nicht im überregionalen Leihverkehr, auch nicht in
der Mitarbeit in den Unterkommissionen „Öffentliche Bibliothe
ken und Literatur“ sowie „Wissenschaftliche Bibliotheken“ der
Kultusministerkonferenz oder in Bundesgremien bibliothekari
scher Einrichtungen. Vielmehr nimmt Berlin eine zentrale Stellung
im Bibliothekswesen der Bundesrepublik Deutschland ein als
Sitzort des 1978 gegründeten Deutschen Bibliotheksinstituts.
Das Deutsche Bibliotheksinstitut hat sich zur Aufgabe gemacht,
ein breites Spektrum von überregionalen Dienstleistungen all
gemeiner und wissenschaftlicher Bibliotheken anzubieten und
Forschungsvorhaben für alle Sparten des deutschen Bibliotheks
wesens zusammenzufassen. Berliner Bibliotheken sind an meh
reren überregionalen Projekten dieses Deutschen Bibliotheks
instituts führend beteiligt. Auch im Deutschen Bibliotheks
verband, dem Instituten-Verband der deutschen Bibliotheken, ist
Berlin mit Sitz im Beirat aktiv vertreten. - Gut ist die Zusammen
arbeit mit den anderen Bundesländern auch im Hinblick darauf,
daß die Berliner öffentlichen allgemeinen Bibliotheken die zen
tralen Dienstleistungen der Einkaufszentrale für Öffentliche
Bibliotheken-GmbH - einer Spezialfirma für Bibliotheks
einbände, Bibliotheksmaterial und Bibliotheksmöbel - in An
spruch nimmt. Das Land Berlin ist Gesellschafter der Einkaufs
zentrale und im Aufsichfsrat vertreten.
Eine Brücke zwischen dem öffentlichen allgemeinen und dem
öffentlichen wissenschaftlichen Bibliothekswesen Berlins bildet
die Amerika-Gedenkbibliothek als Berliner Zentralbibliothek, Ver
bunden sind beide Bibliothekssysteme auch durch die generelle
Zugänglichkeit der wissenschaftlichen Bibliotheken für jeden
Bürger sowie durch den Anschluß beider Bibliothekssysteme an
den Berliner Leihverkehr.
Wie bereits erwähnt, entsprechen Räume und Ausstattung der
meisten Berliner Stadtbüchereien nicht mehr den heute nach dem
Bibliotheksplan neu zu stellenden Forderungen an moderne,
funktionsgerechte allgemeine Bibliotheken. Sie sind häufig doch
improvisierte Gründungen aus den 50er-und der Aufbauphase
auch der 60er Jahre. Sie entsprechen in manchem nicht dem
Standard der Bibliotheken in anderen Bundesländern, die über
wiegend neueren Baudatums sind. Ich habe schon darauf auf
merksam gemacht, daß es da eine große Chance für Berlin nach
dem Kriege gab, daß aber da, wo später gebaut wurde, dies natür
lich unter anderen Voraussetzungen geschehen konnte. Eine ein
heitliche, bezirksübergreifende Bauplanung, deren Entwurf bis
1958 erarbeitet wurde, ist damals leider in den Ansätzen stecken
geblieben, und die seinerzeit erarbeiteten Planungsunterlagen
müssen als überholt bezeichnet werden. Ich gehe hierauf in der
Beantwortung der Frage 2 noch näher ein.
Zur Personalsituation: Es ist im Zusammenwirken der Senats
verwaltungen für Inneres und für Schulwesen bzw. seit 1979 für
Kulturelle Angelegenheiten sowie im Einvernehmen mit den
Bezirksämtern eine neue Personalbemessungsformel für den
Bereich der Stadtbüchereien erarbeitet worden. Für die Amerika-
Gedenkbibliothek wird 1981 eine entsprechende neue Personal
bemessungsformel im Zusammenwirken der Senatsverwaltun
gen für Inneres sowie für Kulturelle Angelegenheiten vorgelegt
werden. Im Zuge des Beteiligungsverfahrens - das muß ich hier
erwähnen - konnte freilich die Senatsverwaltung für Inneres bis
lang keine Einigung mit dem Hauptpersonalrat über die Personal
bemessungsformel fürden Bereich der Stadtbüchereien erzielen.
Ich hoffe sehr, daß es hier sehr bald zu einer Einigung kommt,
damit dann die Möglichkeit, entsprechend dieser Formel Stellen
zu besetzen, tatsächlich auch genutzt werden kann.
Obgleich also die Verbindlichkeitserklärung der neuen Per
sonalbemessungsformel noch aussteht, kann bereits heute ge
sagt werden, daß nach einer angemessenen Erprobungszeit zu
prüfen sein wird, ob sie sich in der Praxis bewährt. Dies gilt in
sonderheit für jene Bereiche, die erstmals bei dieser Personal
berechnung berücksichtigt worden sind, nämlich für die Literatur
versorgung ausländischer Bürger Berlins, für die soziale Biblio
theksarbeit - insbesondere für die bibliothekarische Versorgung
Behinderter -, für die schul- sowie für die krankenhausbiblio
thekarische Arbeit und für den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.
Bislang ist die bibliothekarische Versorgung der ausländi
schen Bürger Berlins mit Literatur - dies wurde hier schon an
gesprochen - noch unzureichend. Als einzige Sondereinrichtung
existiert im Bezirk Kreuzberg die „Namik-Kemal-Bücherei“ als
Nebenstelle der Stadtbücherei Kreuzberg mit einem Bestand von
fast 15 000 Medieneinheiten und einer Jahresausleihe von an
nähernd 54 000 Medieneinheiten. Daneben sind lediglich in neun
der bezirklichen Stadtbüchereien fremdsprachige Bestände von
insgesamt etwa 20 000 Medieneinheiten vorhanden sowie in der
Amerika-Gedenkbibliothek 7 000 Medieneinheiten. Alle biblio
thekarischen Aktivitäten mußten, solange zentrale Förderungs
mittel fehlten, aus den laufenden allgemeinen Etatmitteln be
stritten werden.
Der Senat strebt nunmehr im Rahmen seines Programms zur
Integration ausländischer Bürger für den Bereich der öffentlichen
allgemeinen Bibliotheken an, die kulturelle Integration und die
soziale Eingliederung der betroffenen Bevölkerungsgruppen - in
sonderheit der türkischen, griechische^ und jugoslawischen Bür
ger der Stadt - zu fördern. In der schon angesprochenen neuen
Personalbemessungsformel für die Stadtbüchereien ist deshalb
zusätzliches Personal für die bibliothekarische Arbeit für aus
ländische Bürger entsprechend ihrem prozentualen Anteil an der
Bevölkerung des jeweiligen Bezirks vorgesehen. Eine überbezirk
liche Kooperation der öffentlichen allgemeinen Bibliotheken wird
1981 mit der Einrichtung eines zentralen Lektorats für türkisch
sprachige Literatur in der Amerika-Gedenkbibliothek begonnen.
Dieses mit 1 V4 Stellen ausgestattete Zentrallektorat für türkisch-