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Volume Nr. 40, 27. November 1980

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
40. Sitzung vom 27. November 1980 
1721 
Dr. Neuling 
(A) spreche ich eigentlich dem Kollegen Striek - nicht nur vorrangig 
auf F- und E-Projekte und hochwertige Technologie gerichtet 
sein, sondern sie muß im Prinzip auf Märkte für Endprodukte 
zielen und dies möglicherweise in Drittländer. Wenn wir sehen, 
daß praktisch aufgrund der erhöhten Einfuhr - und insoweit spielt 
die Importquote eben eine wesentliche Rolle - von Fertigwaren in 
die Bundesrepublik Deutschland die Importabhängigkeit steigt, 
muß sich aufgrund der engen Verzahnung mit dem Bundesgebiet 
speziell dielndustrieansiedlung in Berlin verstärkt damit beschäf 
tigen, Exporterfolge in Drittländern, sprich: außerhalb der 
Bundesrepublik Deutschland, zu erzielen. Der Idee der End 
produkte wird ja das Berlinförderungsgesetz durch die Wert 
schöpfungsdifferenzierung gerecht, nur wird die Wertschöp 
fungsquotendifferenzierung durch die wachsende und steigende 
Rohstoffpreisentwicklung zunehmend aufgehoben und führt 
eigentlich zu einer Planungsunsicherheit der Unternehmen. Inso 
weit wäre also hier die Frage zu stellen - erfolgreiche Industrie- 
ansiedlung durch Anpassung des Berlinförderungsgesetzes -, 
inwieweit durch eine Aufhebung der differenzierten Quoten 
berechnung Planungssicherheit für industrieansiedlungswillige 
Betriebe geschaffen wird. Zum gleichen könnte man sich auch 
überlegen, ob man nicht die Abnehmerpräferenz, begrenzt auf 
den EG-Raum, der Herstellerpräferenz zuschlägt. 
<B) 
Ich komme noch einmal auf das Berlinförderungsgesetz 
zurück, das - Herr Kollege Landowsky hat darauf schon hin 
gewiesen - wirklich einmal offensiv in Richtung SPD angepackt 
werden muß. Unsere Vorstellungen, Herr Kollege Waller, gehen 
dahin, Planungssicherheit für die Industriebetriebe zu schaffen, 
das heißt Planungsunsicherheit, die durch Faktoren, die die 
Unternehmen nicht beeinflussen können, wegzunehmen - wäh 
rend Sie eigentlich in Ihrem Diskussionsbeitrag gesagt haben, 
am Instrumentarium solle im Prinzip nichts geschehen, auf der 
anderen Seite muß man grundsätzlich überlegen. Mit Herrn 
Diederich stimmen Sie voll überein, aber ansonsten sind Sie 
offen in der Diskussion, wie weit Sie grundsätzlich eigentlich 
gehen wollen. Das heißt; In der Art und Weise, wie Sie die 
Diskussion über die Anpassung oder Veränderung des Berlin 
förderungsgesetzes führen, tragen Sie zu einer enormen Ver 
unsicherung der Industrie bei. 
[Beifall bei der CDU] 
Dies bedeutet - und dies sage ich mit aller Schärfe - eine 
Infragestellung von Arbeitsplätzen in der Industrie hier in Berlin, 
und dies bedeutet genauso eine Infragestellung von industrie- 
ansiedlungswilligen Investoren hier in Berlin. Haben Sie endlich 
den Mut und sagen Sie, in welchen Punkten Sie das Berlin 
förderungsgesetz ändern wollen - solange Sie dies nicht 
wissen, sagen Sie eben nichts - und überlegen Sie, bevor Sie 
nebulöse Vorstellungen in die Welt setzen. 
[Beifall bei der CDU] 
Ich will auch noch ein paar kritische Anmerkungen 
Bundesgebiet manifestiert. Und gerade die Firma Ford ist ja nicht (C); 
gerade eines der Glanzstücke in Sachen Autoindustrie. 
[Dr. Kunze (F.D.P.): Das verschlechtert die 
Absatzchancen!] 
Im Grunde genommen vertiefen wir also hier eine Abhängigkeit 
mit einem hohen Investitionsvolumen und einem hohen Förde 
rungsvolumen. Dies halte ich nicht für richtig. 
Für die Industrieansiedlung in den 80er Jahren ist meines 
Erachtens dreierlei wichtig: Zum einen sollte es keine zu ein 
seitige Ausrichtung auf hochqualifizierte und hochtechnofogi- 
sjerte Produkte oder Betriebe geben. Wir müssen genauso daran 
denken, im konventionellen Bereich wieder stärker Fuß zu fassen. 
Denn auch die hochqualifizierten Arbeitskräfte stehen uns nicht 
in ausreichendem Maße zur Verfügung, Ich sehe das einfach 
realistisch, Herr Kollege Striek, wir können strampeln so viel wir 
wollen, irgendwo wird eine Grenze sein; und erfahrungsgemäß 
kann man den Verlust, den man in konventionellen Märkten 
erleidet, nicht so schnell in hochqualifizierten Bereichen aus- 
gleichen. Das heißt, durch eine einseitige Ausrichtung in die eine 
Richtung können Sie nie im Leben das ehrgeizige Projekt, 
20 000 Arbeitsplätze in den nächsten zehn Jahren in der Industrie 
zu schaffen, erfüllen. 
Das zweite ist eine wesentlich stärkere De-facto-Berücksichti- 
gung von kleineren und mittleren Betrieben. Ich möchte hier nur 
ein Stichwort nennen - ich habe ähnliches schon in dem einen 
oder anderen Beitrag von Professor Dr. Kunze gelesen -: Mir geht 
es im wesentlichen darum, eine gewerbliche mittelständische 
Infrastruktur in Berlin zu erhalten. Ein so abgeschlossener 
Wirtschaftsmarkt wie Berlin kann nur leben, wenn eine breit 
gestreute gewerbliche Infrastruktur vorhanden ist, die natur 
gemäß mittelständisch und sogar kleinstbetrieblich strukturiert 
sein muß. Und wenn ich mir die Industrieansiedlungserfolge 
ansehe - Ford hatte ich genannt, auch BMW und TetraPak seien 
als Beispiel genannt, sie sind jeder in seiner Art sicherlich sinnvoll 
-, so wage ich doch die Vermutung - und dies wird durch persön- 
liehe Gespräche eigentlich bestätigt -, daß der Verlust an mittel- 
ständischer Industrie in den vergangenen zehn Jahren, auch in 
den vergangenen drei, vier Jahren, doch erheblich war. Dieser 
Verlust ist natürlich nicht so publizitätsträchtig wie eine Ansied 
lung von Ford oder anderen, aber er ist da, und dies liest man auch 
in Berichten, wenn es darum geht, Zuliefererbetriebe in Berlin zu 
finden. 
Der dritte Punkt wäre; nur förderungssystemkonforme Anpas 
sungen an das Berlinförderungsgesetz, das heißt, weg von nebu 
lösen Ankündigungen. Systemkonform anpassen bedeutet mehr 
Planungssicherheit, und dies bedeutet insbesondere auch eine 
Hilfe für den Mittelstand. Diese drei Punkte müssen meines 
Erachtens bei der Industrieansiedlung in den 80er Jahrn im 
Vordergrund stehen. - Ich danke Ihnen. 
[Beifall bei der CDU] 
[Zuruf des Abg. Blume (SPD)] 
- Herr Blume, Sie sollten zuhören und über Wirtschaftspolitik 
einmal grundsätzlich nachdenken und nicht immer die gleichen 
Argumente hier anbringen. 
Ich möchte noch ein paar kritische Bemerkungen zur Industrie 
ansiedlung hier machen. Ich will ganz offen sagen, die Ford- 
Ansiedlung ist gelaufen, und sie hat sicher auch positive Aus 
wirkungen psychologischer Art. Das will ich gar nicht bezweifeln. 
Nur, berücksichtigt man meine Analyse von vorhin, so verstößt die 
Ford-Investition gegen zwei grundsätzliche Überlegungen: Zum 
einen gibt es hierbei eine hohe Kapitalvorleistung für einen der 
größten Weltkonzerne seitens des Staates. Mir wären 30 mittel 
ständische Betriebe wirklich lieber gewesen - gemessen an dem 
Volumen, gemessen an der Industriefläche. Sie wären für Berlin 
sinnvoller als eine derartige starke und wahrscheinlich einmalige 
Förderung. Der zweite Punkfist, daß bei der Ford-Investition es im 
Prinzip nur um Halbfabrikation geht, das heißt, hier wird die enge 
Verzahnung bzw. Abhängigkeit zwischen Berlin und dem 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete 
Dr. Waller. 
Dr. Waller (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Ich glaube, langsam wird unsere Debatte doch noch interessant. 
Ich muß sagen, daß die Eingangsbemerkung von Herrn 
Landowsky, die ganze Anfrage sei völlig überflüssig, schon 
deshalb nicht stimmen kann, weil Sie Ihnen Gelegenheit gegeben 
hat, sich hier zu präsentieren. 
[Simon (CDU): Die haben wir häufiger!] 
Außerdem kommen wir nun zu einigen Kernpunkten der Aus 
einandersetzung, die zu diskutieren sich lohnt. 
Ich glaube, daß die Anfrage gerechtfertigt war, denn man kann 
natürlich nach einer allgemeinen Debatte über die wirtschaftliche 
Situation durchaus ein Spezialthema - und dieses ist die Indu 
strieansiedlung - im Detail und vertieft diskutieren. Insofern 
waren unsere Fragen durchaus richtig und auch zeitgemäß. Dabei 
ist es ohne Bedeutung, ob sie einen Monat früher oder später per
	        
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