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Volume Nr. 39, 13. November 1980

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
39. Sitzung vom 13. November 1980 
1673 
Sen Pätzold 
zur Polemik, obwohl er eigentlich auf Sachlichkeit abheben 
wollte, die polemischen Untertöne nicht unterlassen konnte, denn 
ein Teil der Fragen, die heute erneut aufgeworfen worden sind, 
[Abg. Landowsky (CDU): Sie haben die falsche Rede dabei!] 
ist natürlich schon bei früherer Gelegenheit beantwortet worden. 
[Abg. Landowsky (CDU): Er hat die falsche Rede mit!] 
Eigentlich habe ich geglaubt, daß diese Fragen auch für die CDU 
beantwortet sind. Deshalb sage ich noch einmal: Grundsätzlich 
gilt nach wie vor, daß dieses Thema einer sachlichen Erörterung, 
Herr Dr. Hassemer, und natürlich - das haben Sie anerkannt - 
einer fortdauernden Aufhellung bedarf und daß der Senat alles 
Notwendige veranlaßt hat und veranlassen wird, um Gefahren von 
der Bevölkerung dauerhaft abzuwenden. 
Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen im einzelnen. 
Zu Frage 1: Bei der Beantwortung der dringlichen Großen 
Anfrage der CDU-Fraktion am 27. September 1979 war zwar 
bekannt, daß während des Krieges in den Lonal-Werken in Berlin- 
Haselhorst Kampfstoffe hergestellt 
[Dr. Hassemer (CDU): Und Unfälle passiert sind!] 
und daß auf dem Gelände dieses Rüstungsbetriebs nach dem 
Krieg wiederholt Rückstände aus der Kampfstoffproduktion und 
anderen Chemikalien gefunden und beseitigt worden sind. 
Jedoch sind alle beteiligten Verwaltungen in einer Bespre 
chung am Vortag, nämlich am 26. September 1979, davon aus 
gegangen, daß auf dem damals insgesamt als „CCC-Gelände“ 
bezeichneten Areal keine Ablagerungen von Gift- oder Kampf 
stoffen mehr vorhanden seien, weil seinerzeit schon die erforder 
lichen Maßnahmen durchgeführt worden seien. Insoweit ist die 
dringliche Große Anfrage nach dem damaligen Erkenntnisstand 
zutreffend beantwortet worden. Insbesondere hat der Senat dazu 
nichts verschwiegen, was ja vorausgesetzt hätte, daß damals die 
Dinge von ihm anders beurteilt worden wären. 
Von September 1979 an sind nach den Hamburger Vorkomm 
nissen und nach meinem Presseaufruf lediglich vage Hinweise 
auf die - bereits bekannte - Existenz von Kampfstoffproduk 
tionsstätten aus der Bevölkerung eingegangen und auch in der 
Presse erschienen. 
Stellv. Präsident Sickert: Gestatten Sie eine Zwischenfrage, 
Herr Senator? 
♦ 
Pätzold, Senator für Gesundheit und Umweltschutz: Ich 
glaube, es ist besser, ich trage das, was ich zu sagen habe, 
zunächst einmal im Zusammenhang vor, 
[Franke (CDU): Weil er sonst die Zeile nicht wiederfindet!] 
denn ich ahne schon, was Herr Dr. Hassemer fragen will. Er wird 
die Antwort auf seine zu erwartende Zwischenfrage gleich hören. 
Allen diesen eben genannten vagen Hinweisen ist dennoch 
unverzüglich nachgegangen worden. Dabei hat sich kein Ver 
dacht auf mögliche Ablagerungen von Kampfstoffen ergeben. 
[Franke (CDU): Herr Präsident! Da liest einer ab!] 
Konkretere Anhaltspunkte auf mögliche Ablagerungen ergaben 
sich erst in der ersten Oktober-Hälfte, wie Ihnen Kollege Ulrich in 
Beantwortung der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Mom- 
per am 11. Oktober 1979 mitgeteilt hat. Diesen Hinweisen sind 
meine Mitarbeiter sofort nachgegangen. Der in den Hinweisen 
geäußerte Verdacht auf Ablagerungen hat sich jedoch ebenfalls 
nicht bestätigt. 
[Franke (CDU): Wir werden Sie mal zum Lesewettbewerb 
schicken!] 
Gleichwohl wurden vorsorglich Grundwasser-Untersuchungen, 
Befragungen und Aktenprüfungen zu der Frage veranlaßt, ob 
die frühere Sanierung des Geländes gründlich genug gewesen 
sei und nicht doch noch mit Bodenverunreinigungen durch die 
ehemaligen Lonal-Werke gerechnet werden müsse. 
Im November 1979 ergab sich durch die Grundwasser-Unter- (C) 
suchungen und die Nachforschungen meines Hauses ein erster 
Verdacht, daß an noch nicht näher bekannten Stellen Vergrabun 
gen vorhanden sein könnten. Dieser Verdacht hat sich später 
durch gezielte Aufgrabungen, wie Sie wissen, bestätigt. 
Gestatten Sie mir bitte, daß ich nun aus Gründen derSachlogik 
zunächst die Frage zu 3 beantworte: Die Antwort lautet nach 
sorgfältiger Abwägung insgesamt „ja“, wenngleich der Kenntnis 
stand selbstverständlich immer vervollständigt werden kann 
und unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Aufwand 
und Erfolg auch vervollständigt werden wird. 
Im einzelnen: 
1. Dem Senat ist über Lonal hinaus ein Grundstück bekannt, 
auf dem nach gegenwärtigem Erkenntnisstand vor 1945 Kampf 
stoffe, und zwar Übungskampfstoff und Tränengas, produziert 
worden sein sollen. Anhaltspunkte für eine Gefährdung sind hier 
nicht gegeben. Weitere Fälle sind dem Senat nicht bekannt. 
Jedoch werden in diesem Zusammenhang alle verfügbaren 
Unterlagen ausgewertet. Das gilt auch für die im folgenden auf 
geführten Bereiche. 
2. Rückstände aus der Kampfstoff-Forschung sind auf der 
Zitadelle Spandau aufgefunden und beseitigt worden. Im Zuge 
der Restaurierungsarbeiten wird weiteren Rückständen bei den 
jeweiligen Aufgrabungen nachgegangen. Im übrigen soll auf 
dem Gelände des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts in Berlin- 
Dahlem nach dem 1. Weltkrieg Schwefellost vergraben worden 
sein. Falls das zutrifft, stellt dieser Schwefellost nach Experten 
ansicht heute keine Gefährdung mehr dar. Eine gleichwohl durch 
geführte Überprüfung mit Sonden ist ohne Erfolg geblieben, weil 
der Schwefellost in Granaten enthalten gewesen sein soll. Zur 
Zeit wird geprüft, ob noch weitere Untersuchungen sinnvoll sind. 
Die Fachleute verneinen dies prinzipiell. 
4. Gefährliche Stoffe werden seit längerem auf Deponien 
für Siedlungs- und Gewerbeabfälle nach dem jeweiligen Stand 
der Technik umweltverträglich mitbeseitigt. Es kann jedoch nicht 
ausgeschlossen werden, daß früher, als man weniger umwelt- 
bewußt als heute war und auch vorging, auch gefährliche Stoffe 
ohne entsprechende Vorkehrungen mitbeseitigt worden sind. 
Anhaltspunkt dafür sind die im Rahmen der ständigen Wasser 
gütekontrollen nachgewiesenen Arsenspuren im Grundwasser, 
die mit der alten Deponie Rohrbruchwiesen in Verbindung ge 
bracht werden. Im übrigen, also darüber hinaus, gibt es keine 
Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung durch auf Deponien 
abgelagerte gefährliche Stoffe und Gegenstände. 
5. Etwaige verbotswidrige Ablagerungen von Produktions 
rückständen auf Betriebsgrundstücken wären nur mit großem 
Aufwand und auch dann nicht annähernd vollständig aufzu 
spüren. Hier sucht der Senat - und dies leitet zur Antwort auf 
die Frage 2 über - die bisherigen punktuellen Erkenntnisse z. B, 
durch intensive Begehung und Überwachung von Produktions 
stätten zu vervollständigen. 
Ich komme jetzt zur Frage 2: Ich verstehe die Frage wohl richtig, 
wenn ich sie nicht nur auf den Fall Lonal und damit auf die 
Kampfstoffherstellung, sondern insgesamt auf mögliche abge 
lagerte gefährliche Stoffe und Gegenstände beziehe, wie es ja 
auch aus der mündlichen Begründung der Große Anfrage durch 
Dr. Hassemer deutlich geworden ist. 
Aus dem Fall Lonal selbst sind über die eingeleiteten Maß 
nahmen hinaus keine weiteren Konsequenzen zu ziehen. Bei der 
Bergung der festgestellten Rückstände auf dem Lonal-Gelände 
hat sich erwiesen, daß Polizei, Feuerwehr und die anderen 
Behörden flexibel und unbürokratisch Zusammenwirken. Mit 
dieser guten Zusammenarbeit ist die Voraussetzung für die 
Bewältigung der Problematik nicht nur der Kampfstoffe aus 
Produktion und Forschung, sondern auch der sonstigen „Alt 
lasten“ gegeben. 
3. Ablagerungen aus der Munitionsherstellung sind dem Senat 
nicht bekannt. Jedoch können, wie jedermann weiß, Munition und 
Blindgänger aus Kampfhandlungen an der einen oder anderen (D) ( 
Stelle vorhanden sein.
	        
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