Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
39. Sitzung vom 13. November 1980
1661
Schmitz
der Behauptung der Notgemeinschaft widersprechen, daß sämt
liche Einzelangaben dokumentarisch belegbar, damit vorhaltbar
und gerichtsverwertbar sind?
Präsident Lorenz: Herr Senator Dr. Glotz!
Dr. Glotz, Senator für Wissenschaft und Forschung: Nein, Herr
Kollege Schmitz, ich gehe davon aus, daß diese 1 600 Namen aus
Wahllisten der Aktionsgemeinschaft Demokraten und Sozialisten
stammen. Die Frage ist doch nur, welche Folgerungen daraus
gezogen werden.
[Schmitz (CDU): Einzelfallprüfung!]
- Einzelfallprüfung, genau! - Das, was ich für katastrophal halte,
ist, daß hier 1 600 Menschen pauschal verdächtigt werden, und
dies, da die Liste in 11 000 Exemplaren verbreitet wird, auch den
Personalchefs in vielen Betrieben in der Bundesrepublik bekannt
wird. Pauschale Verdächtigungen, die dann im Einzelfall auch gar
nicht erhärtet sind oder wo im Kleingedruckten steht, man wolle
nicht gegen jeden einzelnen Verdacht erheben, halte ich in der Tat
für ganz und gar verantwortungslos, Herr Kollege Schmitz. Das ist
der Punkt!
[Beifall bei der SPD]
Präsident Lorenz: Herr Dr. Wruck!
Dr. Wruck (CDU): Herr Senator, habe ich Sie richtig verstan
den, daß Sie keinerlei Zahlenangaben machen können über
Verfassungsfeinde in den Universitäten?
Präsident Lorenz: Herr Senator Dr. Glotz!
Dr. Glotz, Senator für Wissenschaft und Forschung: Herr Kol
lege Wruck, Sie hatten ja von mir verlangt, ich sollte von der Zahl
1 600 sozusagen hoch- oder herunterrechnen und Zahlenspiele
reien vornehmen. Dagegen wehre ich mich. Daß es den einen
oder anderen in der Vergangenheit gegeben hat und in der
Zukunft gegen mag, gegen den dieser Verdacht besteht, und daß
es ein geregeltes Verfahren in Berlin und den Bundesländern
gibt, nach dem dann gehandelt wird, darauf hatte ich hingewie
sen. Aber ich weigere mich hier einfach, Rechenspiele auf der
Basis der Zahl 1 600 oder törichter Dokumentationen zu ver
anstalten. Das ist der Punkt; in diese Richtung habe ich geantwor
tet und nicht eine pauschale Antwort über die Berliner Universi
täten zu geben versucht.
[Beifall bei der SPD]
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Kayser!
Kayser (F.D.P.): Herr Senator, wie bewerten Sie den Umstand,
daß ein Großteil der in dieser Dokumentation Genannten nicht
mehr Angehörige der Universität sind, sondern sich seit langem
im Berufsleben befinden und dort anerkanntermaßen ihren Mann
oder ihre Frau stehen?
Präsident Lorenz: Herr Senator Dr. Glotz!
Dr. Glotz, Senator für Wissenschaft und Forschung: Herr Kol
lege Kayser, diesen Umstand beurteile ich genauso, wie Sie ihn
offensichtlich beurteilen, daß nämlich offenbar Menschen auf
grund ihrer früheren Zugehörigkeit zu einer Hochschule diffa
miert werden sollen, die inzwischen längst im Berufsleben stehen
und dort ihre Leistungen vollbringen. Das ist eindeutig etwas, was
dem Tenor und den Formulierungen des Urteils des Bundesver
fassungsgerichts widerspricht, das 1975 ergangen ist und das
ich hier gerne auch im einzelnen zitieren könnte.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Schmitz!
Schmitz (CDU): Herr Senator, darf ich Ihre Ausführungen so (C)
verstehen, daß bei der notwendigerweise gebotenen und auch
geforderten Einzelfallprüfung zwar der dokumentarisch belegte
Einzelvorgang, wenn er zufällig der Einstellungsbehörde bekannt
ist, dem Bewerber vorgehalten werden darf, daß aber derselbe
Sachverhalt, wenn er über diese Liste bekannt geworden ist, nicht
vorgehalten werden darf?
Präsident Lorenz: Herr Senator Dr, Glotz!
Dr. Glotz, Senator für Wissenschaft und Forschung: Sie kön
nen meine Ausführungen so verstehen, daß ich das Veröffent
liehen solcher pauschalen Listen, bei denen - was jeder weiß -
Hunderte und Aberhunderte von Menschen betroffen werden,
gegen die keinerlei Verdacht vorliegt, geschweige denn irgend
etwas bewiesen werden kann, in der Tat für Brunnenvergiftung
halte, Herr Kollege Schmitz.
[Beifall bei der SPD und der F.D.P.]
Präsident Lorenz; Herr Abgeordneter Dr. Meisner!
Dr. Meisner (SPD): Herr Senator, darf ich Sie bitten, Ihre Aus
sage, die Sie eben in der Antwort auf eine Zusatzfrage gemacht
haben, zu korrigieren, in der Sie sagten, daß die Listen, die von der
Notgemeinschaft verschickt werden, Angehörige der „Aktions
gemeinschaft Demokraten und Sozialisten“ enthält. Ist es nicht
vielmehr so, daß weit darüber hinaus alle diejenigen, die
aufgrund der Modalitäten des Berliner Hochschulgesetzes und
dessen Vorgänger zu studentischen Vertretungen kandidiert
haben und Listengemeinschaflen eingegangen sind mit „Aklions-
gemeinschaften von Demokraten und Sozialisten“, ebenfalls
hierin aufgeführt worden sind?
Präsident Lorenz: Herr Senator Dr. Glotz!
Dr. Glotz, Senator für Wissenschaft und Forschung; Ich korri
giere mich gerne im Sinne dieses sachlichen Hinweises, daß es
nicht nur die Direktkandidatur für die ADS war, sondern daß auch
noch andere Personen erfaßt worden sind.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Dr. Dittberner!
Dr. Dittberner (F.D.P.): Herr Senator, was ist denn aus der
Sicht des Senats dazu zu sagen, daß die „Notgemeinschaft“ im
Anhang zu ihrer Liste einen Katalog angibt zur Messung der
Intensität der angeblichen Verfassungsfeindlichkeit der Genann
ten, wo dann unter anderem gesagt wird, „eine hohe Zahl von
Quellen weist auf eine ungewöhnlich lange intensive Mitarbeit bei
verfassungsfeindlichen Organisationen hin“ oder „die Intensität
der Verfassungsfeindlichkeit“ sei auch daran zu messen, wie
bedeutsam das Selbstverwaltungsgremium sei, für das der
Betroffene kandidiert habe?
Präsident Lorenz: Herr Senator Dr. Glotz.
Dr. Glotz, Senator für Wissenschaft und Forschung: Insbeson
dere die zweite Feststellung zeigt ja deutlich die Absurdität einer
solchen Meßskala, weil ich ja doch nicht dadurch verfassungs
feindlich oder verfassungsfeindlicher werde, daß ich für das
wichtige Kuratorium kandidiere statt für den weniger wichtigen
Fachbereichsrat oder irgendein anderes Gremium. Schon darin
zeigt sich, daß eine derartige Meßskala sicher nicht sinnvoll sein
kann.
Präsident Lorenz: So, das waren zehn Zusatzfragen. Damit ist
die Mündliche Anfrage erledigt.