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Volume Nr. 38, 23. Oktober 1980

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
38. Sitzung vom 23. Oktober 1980 
1651 
Palm 
A) Koordination zuständig ist, zu schaffen, um künftig zu verhindern, 
daß sich die Verwaltungen gegenseitig die Verantwortung in die 
Schuhe schieben. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Lassen Sie mich zum Abschluß noch fünf Punkte zusammen 
fassen, die unserer Meinung nach die wichtigsten Punkte sind, 
um die von Herrn Striek bezeichnete Voraussetzung auch erfüllen 
zu können. Wir fordern den Senat eindringlich auf, daß erstens 
der Regierende Bürgermeister die Zuständigkeiten im Senat so 
regelt, daß die Planung und Koordination für die Energiepolitik in 
einer Hand liegt, zweitens die Arbeiten zur Erschließung des 
Erdgasspeichers vom Senat nicht weiter verzögert werden, damit 
umgehend die Voraussetzungen für die Erdgasversorgung 
Berlins geschaffen werden, drittens der Senat in Abstimmung mit 
der Bundesrepublik die Liefermöglichkeiten von Erdgas nach 
Berlin mit Nachdruck verfolgt, viertens der Senat unverzüglich 
das angekündigte Fernwärmekonzept zur Koordinierung aller 
Aktivitäten auf diesem Gebiet vorlegt und fünftens der Senat 
umgehend die Planung von neuen Grundlastkapazitäten im Rah 
men des notwendigen Kraftwerkserneuerungsprogramms ein 
leitet. 
[Beifall bei der CDU] 
Stellv. Präsident Baetge; Meine Damen und Herren, bevor ich 
der Kollegin Müller das Wort erteile, darf ich zwei Damen aus dem 
„Komitee der Sowjetfrauen“ aus Moskau begrüßen, aus einem 
Land, das für Gesamtberlin eine besondere Verantwortung trägt. 
[Beifall] 
Ich begrüße die Damen sehr herzlich in unserem Haus. Wir 
freuen uns, daß sie da sind. Es ist eine alte Tradition, daß wir sie in 
ihrer Landessprache begrüßen, deshalb sage ich: Sdrastwuitje! 
- Jetzt aber hat die Kollegin Müller das Wort. - Bitte schön, 
Frau Müller! 
Frau Müller (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Sollten mir im Verlauf meiner Ausführungen Tränen in meine 
Augen treten, so liegt das nicht daran, daß ich die Lage der 
Berliner Wirtschaft als so traurig empfinde, sondern es ist aller- 
höchstens ein Hinweis auf mein angeknacksten Gesundheits 
zustand. 
Die Lage Berlins stellt sich heute im gesamtwirtschaftlichen 
Vergleich recht positiv dar. Man kann, ohne übertreiben zu wollen, 
von erfolgsgewohnter Wirtschaftspolitik des Senats sprechen. 
Das Erreichte läßt uns auch bei dem konjunkturellen Tief die Lage 
der Berliner Wirtschaft oft optimistisch beurteilen. Nicht ohne 
Grund haben die Wirtschaftsexperten der Unionsparteien - wie 
vor den Wahlen üblich - Krisenstimmungen bei den Unterneh 
mern herbeigeredet. Wenn man die Plenarprotokolle der letzten 
vier Jahre zitiert, dann ist dies weitgehend auch eine Taktik 
mancher Kollegen aus der Opposition dieses Hauses. Von dem 
zu erwartenden Grad der konjunkturellen Abschwächung sollten 
sich die Arbeitnehmer, aber auch die Arbeitgeber Berlins nicht 
bange machen lassen. Senator Lüder hat dies ausführlich und 
eingehend erläutert. Auch Herr Elfe von der IHK hat dazu sehr 
eingehende Ausführungen gemacht. Dies ist in den Pressemit 
teilungen vom 21. Oktober dieses Jahres zu lesen. 
Erfolge berechtigen zur Weiterentwicklung der Wirtschafts 
politik unserer Koalition. Ich möchte kurz einige Schwerpunkte 
dieser Weiterentwicklung ergänzen. Mein Kollege Heinz Striek 
hat bereits wesentliche Momente künftiger Aktivitäten unserer 
Fraktion genannt. Oberstes Ziel bleibt - der Wirtschaftssenator 
hat das heute in seiner Rede mehrmals bestätigt - die Vollbe 
schäftigung. Sie ist und bleibt für uns zentraler Auftrag für und 
über die Legislaturperioden hinaus, sehr geehrte Damen und 
Herren der Opposition. Auf unser Ziel Vollbeschäftigung werden 
wir in den kommenden Jahren hinarbeiten, wenn wir die Bereiche 
Analyse des strukturpolitischen Instrumentariums, Humanisie 
rung von Arbeitsplätzen, Ergänzung des Ausbildungsplatzange 
bots, Komplettierung der Einrichtungen für den Innovations 
transfer, Verstärkung der Entwicklungspolitik, Sicherstellung der 
Energieversorgung, Umsetzung verbrauchspolitischer Ansätze, (C) 
Intensivierung des Fremdenverkehrs und Überprüfung der Mög 
lichkeiten des Handels mit dem Ostblock stärker als bisher auch 
parlamentarisch aufgreifen. Im kommenden Wirtschaftsbericht 
des Senats wird sicherlich mehr zu diesen jetzt aufgeführten 
Themenbereichen Stellung genommen. 
Zu einem anderen Thema, das uns sehr am Herzen liegt, der 
Industrieansiedlung, hat Herr Senator Lüder bereits heute darauf 
hingewiesen, daß wir diese Debatte in einem Monat sehr aus 
führlich führen werden und daß dann sicherlich sehr ergänzende, 
ausführliche Erörterungen und Hinweise von ihm gegeben 
werden. 
Zu einigen speziellen Punkten kurze Hinweise. Strukturpolitik: 
Herr Senator Lüder hat uns vorhin seine Vorstellungen vom Lais- 
ser-faire dargelegt. Auch meine Fraktion will keine Investitions 
lenkung. Wir wollen jedoch gefährdete Produktionsstätten und 
Arbeitsplätze erhalten. Dazu reicht es manchmal nicht aus, Rah 
menbedingungen optimal zu setzen und aktive, vorausschauende 
Strukturpolitik zu betreiben. Wenn Probleme von Firmen wie 
DIAG, AEG, Osram, Permutit und Mampe bereits in der Öffent 
lichkeit ausgetragen werden, sind Sofortmaßnahmen notwendig! 
Doch wirkungsvolle Hilfen kann nur bieten, wer mit Entwicklung, 
Vorhaben und Marktsituation der Berliner Unternehmen vertraut 
ist, wer den Betrieb kennt. Deshalb unsere Anregung und unser 
Wunsch, Herr Senator Lüder: Mehr beiderseitiges Vertrauen 
zwischen Senat und Unternehmensspitzen, mehr Kooperation 
in den wichtigen Existenzfragen von Beschäftigten und 
Betrieben! 
Ein paar Bemerkungen noch zum Handwerk: Handwerk und 
Handel unterliegen der im Wirtschaftsberichf üblichen Trennung 
in Bereiche. Gemeinsam sind ihnen die Probleme: Wer bereinigt 
für die Meister und Geschäftsinhaber undurchsichtige Verwal 
tungsbürokratie? Wie kann das Unternehmen die Energiekosten 
senken? - eine sehr wesentliche Frage, wie wir wissen. Wo 
treffen den Betrieb rechtliche Normen des Umweltschutzes? 
Was tut der Senat für die Neuansiedlung von Werkstätten und ._. 
Läden? - Wir sind da durchaus selbstkritisch, hier liegt noch ein ' ' 
erhebliches Potential zur Verbesserung der Versorgung der Be 
völkerung, zur Schaffung von Arbeitsplätzen. 
Der Umdenkungsprozeß hat bereits Anfangserfolge gezeigt. 
Förderung von Forschung und Entwicklung wird sicher die Posi 
tion von Handwerk und Handel stärken. Unser Auftrag aus dem 
Wirtschaftsbericht ist hier ganz klar. Berlin muß auch in den 
Bereichen Handwerk und Handel den Anschluß an die bisher 
positive Entwicklung in der Bundesrepublik finden. 
Und noch einige Bemerkungen zu den Ausbildungsplätzen, 
die ja auch hier mehrfach angesprochen wurden: Probleme von 
Schulen, berufsbegleitenden Ausbildungsstätten und Betrieben 
lassen sich heute auf einen Nenner bringen: Das Ausbildungs 
platzangebot ist gut, aber ca. zwei Drittel der Jugendlichen, 
nämlich die in der betrieblichen Ausbildung befindlichen, sind 
mit Schulungsmöglichkeiten unterversorgf. Eine Verbesserung 
dieses Zustandes und die Schaffung eines überbetrieblichen 
Ausbildungsplatzangebots sollte der Senat - hoffentlich mit Hilfe 
aller Fraktionen - herbeiführen. 
Eine wichtige Voraussetzung für die Kontrolle des Ausbil 
dungsplatzangebots ist die positive Kenntnis über die zu erwar 
tende Nachfrage. Und hierüber wäre über den intensiven Inter 
essenausgleich der zuständigen Senatoren rasch Klarheit zu 
schaffen. 
Lassen Sie mich bitte noch zum Schluß ein paar Hinweise zum 
Osthandel, der uns ja heute sicherlich sehr bewegt, geben: Der 
Handel mit der DDR und dem übrigen Ostblock wird sich künftig 
- darüber kann kein Zweifel bestehen - schwieriger gestalten. 
Der Regierende Bürgermeister hat hierzu in seiner Regierungs 
erklärung Stellung genommen, und die drei Fraktionen dieses 
Hauses haben einen Entschließungsantrag verabschiedet. Trotz 
der Barrieren, wie sie die SED zur Zeit in allen politischen Be 
reichen errichtet, ist die Entwicklung der DDR in hohem Maße von 
der Wirtschaftskraft der Bundesrepublik und West-Berlins ab 
hängig. Deshalb kann unser Auftrag an den Senat nur lauten: Im 
Interesse der Menschen in der DDR sollen die wirtschaftlichen
	        
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