Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
34. Sitzung vom 18. September 1980
1455
I
Sen Ristock
Lassen Sie mich hinzufügen; Wir wissen, daß diese Frage in
der Bevölkerung, unter uns und unter den Gerichten strittig ist. Ich
möchte empfehlen, diese Frage im Fachausschuß zu diskutieren.
Präsident Lorenz: Zu einer Zusatzfrage hat das Wort Herr
Abgeordneter Schürmann.
Schürmann (SPD): Herr Senator! Darf ich dennoch fragen;
Sehen Sie in dieser Art der Behandlung keine zusätzliche Auffor
derung an andere Gewerbetreibende, ebenfalls sehr extensiv mit
öffentlichem Straßenland umzugehen und es zu Gewerbe
zwecken zu nutzen?
Präsident Lorenz: Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: ln den ge
nannten Urteilen der beiden Gerichte haben sich die beiden Auf
fassungen niedergeschlagen. Der Senat neigt bisher eher der
Meinung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu und nicht
dem von Ihnen angezogenen Urteil des Bayerischen Obersten
Landesgerichts. Aber ich verkenne nicht die Gefahren. Ich wohne
in einer Wohnstraße, in der auch eine Firma, die nicht Kraftfahr
zeuge vermietet, sondern z. B. Materialien nach Berlin bringt, eine
große Zahl von Lastkraftwagen parkt. Nun muß man aber auch die
Frage aufwerfen: Wo soll das Unternehmen denn hin? - Man
kann das mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht beant
worten - dieser Auffassung sind Sie -, daß der Unternehmer ge
eignete Grundstücke anmieten soll, um gleiche Wettbewerbs
bedingungen mit anderen herzustellen, die ebenfalls unterneh
merisch tätig sind. Die Auffassung des Bausenators, des Wirt
schaftssenators und des Senats ist derzeit die des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofes. Wenn es zu einer Änderung kommen
soll, müßte die Frage über die Mündliche Anfrage hinaus im ent
sprechenden Ausschuß, wahrscheinlich nicht nur im
Bauausschuß, sondern höchstwahrscheinlich auch im Justiz-
ausschuß, diskutiert werden.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Schürmannl
Schürmann (SPD); Herr Senator! Könnte Ihre Entscheidung
auch dadurch beeinflußt werden, daß solche Autovermieter sich
ganz besonders im Citybereich angesiedelt haben und in dem
ohnehin schon stark nachgefragten Bereich Dutzende von Autos
auf öffentlichem Straßenland abstellen?
Präsident Lorenz: Herr Senator Ristockl
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Ab
geordneter Schürmannl Ich kenne auch eine große Firma, die sich
im nördlichen Bereich, in Tegel, niedergelassen hat und jeden
Tag, morgens und abends, 20 oder 30 Autos auf der Straße ste
hen hat. Ich verkenne nicht die Schwierigkeit des Problems, aber
ich schlage vor, daß vielleicht in einer gemeinsamen Sitzung der
zuständigen Ausschüsse oder in einem zusammengesetzten
Gremium von Bauausschuß und Justizausschuß unter Zuhilfe
nahme auch des Senators für Justiz diese Rechtsfrage eingehend
geprüft wird. Möglicherweise führt dies dazu, daß unter Berück
sichtigung gerade der von Ihnen angeführten Gründe - Über
lastung der Innenstadt - die Haltung des Senats revidiert wird.
Dafür sind aber heute die Voraussetzungen noch nicht gegeben.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Boroffka!
Boroffka (CDU): Herr Senatorl Teilen Sie meine Meinung, daß,
wenn man das Abstellen von Kraftfahrzeugen, die zu vermieten
sind, als Sondernutzung betrachtet, man logischerweise - viel
leicht nicht nach juristischer Logik, aber nach dem gesunden
Menschenverstand -
[Adler (CDU): Das ist etwas anderes!]
auch das Abstellen von Kraftfahrzeugen, die zum Verkauf stehen, (C)
als Sondernutzung ansehen müßte?
Präsident Lorenz: Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Ich glaube,
Sie sind kein Jurist, und ich bin es auch nicht, und deshalb möchte
ich diese Rechtsfrage, die letztlich nur rechtlich beantwortet wer
den kann - Sie haben sich mit einem Nebensatz da herausgeret
tet, indem Sie den logischen Menschenverstand angeführt und
den in partiellen Gegensatz zum Recht gebracht haben; das hat
der Herr Kollege Adler gleich in einem Zuruf vermerkt -, nicht so
leicht schwimmend beantworten. Ich sage dazu, daß diese Frage
diskutiert wird - Kollege Schürmann ist bei der Einbringung sei
ner Mündlichen Anfrage davon ausgegangen, daß es möglicher
weise zu einer neuen Haltung des Senats kommt, und auch Ihre
Nachfrage sollte in dieser Debatte eingefüttert werden. - Ich
weiche ein bißchen aus und sage das auch.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Striek!
Striek (SPD): Herr Senator! Muß ich Ihre bisherigen Antworten
so verstehen, daß Sie meine Auffassung und den Eindruck, den
ich von der Haltung der Bevölkerung habe, nicht teilen, daß insbe
sondere in den Hauptverkehrsstraßen im Umkreis der Geschäfts
sitze solcher Vermieter die abgestellten Kraftfahrzeuge inzwi
schen zu einem öffentlichen Ärgernis geworden sind?
Präsident Lorenz; Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen; Herr Präsi
dent! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Striek! Ich
erhalte eine große Zahl von Zuschriften und auch Protesten zu (D)
vielen Dingen, die in der Stadt vor sich gehen. Das jetzt behandel
te Thema ist bis heute für mein Haus kein Problem gewesen. Es
gibt keine direkten Pressionen, Petitionen und Zuschriften in
dieser Frage. Mir ist das Problem persönlich bekannt aus der
Situation im Norden, und es ist die Frage aufgetaucht, ob es - im
Anschluß an die Meinung des Bayerischen Obersten Landesge-
. richts -sinnvoll sei, daß ein Unternehmer sich dadurch einen
Standortvorteil verschafft, daß er Straßenland für seine geschäft
lichen Zwecke in Anspruch nimmt, während ein anderer für
andere geschäftliche Zwecke ein Grundstück kaufen muß. Das ist
hier die entscheidende Frage. Wenn es, wie Sie, Herr Abgeordne
ter Striek, dargestellt haben, eine Welle des Unbehagens vor
allem im innerstädtischen Bereich gibt, sollten wir prüfen, ob die
derzeitige Haltung des Senats geändert werden soll.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Adler!
Adler (CDU): Herr Senatorl Können Sie uns darlegen - trotz
Ihres „bayerischen Tages“ -, warum im Sinne des Straßen
rechts Sie diese Nutzung als Gemeingebrauch betrachten? - Bis
her haben Sie nur gesagt, daß Sie an dieser Ansicht festhalten.
Warum ist dies Gemeingebrauch?
Präsident Lorenz; Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen; Der Senat
steht in dieser Frage wiederum als Einheit, und der Senat hat die
se Antwort in Abstimmung zwischen dem Senator für Wirtschaft
und Verkehr und dem Senator für Bau- und Wohnungswesen
gegeben. Damit beantwortet sich auch die Frage: Die Wirtschafts
verwaltung ist sachverständig zur Notwendigkeit der Erhaltung
mittelständischer Existenzen und hat diesen Gesichtspunkt ein
gebracht; dies begründet die Haltung des Senats. Dieser Haltung
des Wirtschaftssenators trete ich bei und teile die offizielle Hal
tung des Senats bis zur Überprüfung.