Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
31. Sitzung vom 3. Juli 1980
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Löffler
(A) Und nun sage ich ganz nüchtern: Diese Aussagen von Herrn
Strauß liegen ganz in der Nähe dessen, was Herr Lummer in
den letzten vier Wochen in der „Berliner Rundschau", Ihrer
Parteizeitung, geschrieben hat, nämlich „Die SPD - ein Sicher
heitsrisiko” und „Die SPD fördert Moskaus Expansion”. Deswegen
sage ich, wer mit dem Versuch einer von uns noch positiv be
werteten moderaten Stellungnahme zum jüngsten Bericht des
Senats über das Viermächte-Abkommen und seine Folgen hier
so auftritt, innerparteilich aber Positionen vertritt, die fast iden
tisch sind mit denen von Herrn Strauß und weit entfernt sind
von Herrn von Weizsäcker, der muß sich gefallen lassen, gefragt
zu werden: Was gilt nun, die Aussage in der „Berliner Rund
schau” mit sehr stark hetzerischem Charakter gegen die SPD
oder die moderate Position hier im Parlament? - Darauf muß
Antwort gegeben werden, nicht heute und nicht jetzt, aber, Herr
Kollege Lummer, ich kündige an, daß wir anläßlich der Beratung
Ihres Antrages im zuständigen Ausschuß auf einer Klärung dieser
von mir aufgeworfenen Fragen bestehen werden.
< Beifall bei der SPD >
Damit komme ich zum Schluß und drücke unser Bedauern
aus, daß die CDU den Sozialdemokraten keine Gelegenheit ge
geben hat, die Grundzüge und den Text des Antrages recht
zeitig erörtern und in der eigenen Fraktion abstimmen zu können,
mit der Maßgabe, daß wir wahrscheinlich mit einigen Änderungs
wünschen in interfraktionelle Gespräche eingetreten wären. Aus
diesem Grunde bitten wir um Verständnis, daß wir natürlich
bereit sind zu einer freimütigen Besprechung des Entschließungs
antrags im Ausschuß, daß wir heute aber nicht eine Abstimmung
akzeptieren können. Herr Lummer hat das selbst verständnisvoll
schon angedeutet. Ich möchte aber auch schließen mit der
Feststellung; Das Bemühen um Gemeinsamkeit hätte voraus
gesetzt, die Regierungskoalition in den Stand zu setzen, sich
rechtzeitig in ihren Fraktionen mit dem Entschließungsantrag
zu beschäftigen. Vielleicht hätten wir dann die Situation gehabt,
daß wir heute ein einvernehmliches Urteil und eine einvernehm
liche Abstimmung hätten durchführen können, - Schönen Dank!
< Beifall bei der SPD >
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Vetter.
Vetter (F.D.R): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn
ich mich daran erinnere, mit welchen Leidenschaften, Emotionen
und gegensätzlichen Positionen die früheren Berichte hier im
Hause diskutiert worden sind, und dem die nüchterne Sachlich
keit der heutigen Debatte gegenüberstelie, dann empfinde ich
das als enormen Fortschritt. Dies sollte aber niemand dahin
gehend werten, daß die Probleme, die hier angesprochen wur
den, für uns nicht mehr die gleiche Bedeutung hätten und wir
in unserem Bemühen um Abhilfe nicht mehr mit der gleichen
Intensität dahinterstünden.
Ich bewerte sie als Beweis, daß die Politik, die von der sozial
liberalen Koalition im Bund und in Berlin initiiert und getragen
wird, wenig kontrovers geworden ist. Es gibt in der letzten Zeit
einige Beispiele dafür. Ich werte dies durchaus positiv und möch
te nicht den Versuch machen, irgendwelche künstlichen Diffe
renzen entstehen zu lassen. Ich sehe auch die Meinung von
Herrn Lummer oder sein parlamentarisches Rollenspiel in dieser
Frage durchaus positiv.
< Adler (CDU): Sie haben doch versprochen,
positiv zu sein! >
- Ich habe ja gesagt: positiv. Aus der Rolle der Opposition, Herr
Kollege Adler,finde ich es durchaus richtig, daß er die Punkte
aufgreift, bei denen kritische Ansätze zu machen sind und die
Hinwendung von deranderen Seite zur vollständigen Anwendung
dieses Abkommens noch nicht hundertprozentig gegeben ist.
Das finde ich konstruktiv, denn das ist die Aufgabe der Oppo
sition. Ich begrüße es, daß er diese Aufgabe in diesem Sinne
wahrgenommen hat.
< Beifall bei der CDU >
Ich möchte mich aber mit einer Zahl, die der Kollege Lummer
genannt hat, ein wenig auseinandersetzen. Dies ist die Frage
der Besucherzahlen. Ich bin durchaus einer Meinung mit Ihnen, ( c )
Herr Lummer, daß man diese analysieren sollte: Warum, weshalb,
wieso? - Dabei sollte aber in keinem Fall der Eindruck entstehen,
als ob es hier wirklich bedeutsame Rückgänge gäbe. Nehmen
wir die Zahlen seit 1974 - ich nehme nur das erste Jahr aus,
denn wir wissen alle, daß nach der langen Pause ein Stau ent
standen war - von 3,23 Millionen 1974 auf 3,02 Millionen 1980.
‘Ich sehe hierin eine Kontinuität, denn wenn nach sechs Jahren,
nach dieser großen Pause, drei Millionen Besuche von West-
Berlin nach drüben durchgeführt werden, dann läßt dies durch
aus erkennen, daß der Besuch heute fast genauso intensiv ist
wie in früheren Zeiten. Das Bedürfnis, mit den Menschen zu
sammenzukommen, ist genauso groß geblieben. Eines dürfen
wir dabei nicht ganz vergessen: Ein Teil der Besuche läuft in
der Zwischenzeit natürlich auch aufgrund von möglichen Gegen
kontakten, da in der Zwischenzeit ein großer Teil derjenigen, die
verwandtschaftliche Beziehungen haben, in ein Alter gekommen
ist, in dem sie die Besuchsmöglichkeit hierher haben. Da wäre.
Herr Regierender Bürgermeister, nur eine Anregung, die mir
während der Ausführungen von Herrn Lummer eingefallen ist;
Ist es nicht auch sinnvoll, diese Zahl einmal zu erfassen und die
Besucher aus der DDR und aus dem anderen Teil unserer Stadt
aufzuführen? - Ich meine, daß dies auch interessant und Aus
druck des Zusammengehörigkeitsgefühls sein würde. Es wäre
interessant, ob hier Verbindungen zwischen den beiden Zahlen
herzustellen sind.
Lassen Sie mich noch in diesem Zusammenhang kurz erwäh- I
nen; Für diese Stadt - gerade für unseren Teil - ist auch der
Verkehr zwischen dem übrigen Bundesgebiet und uns von enor
mer Bedeutung. Hier muß man eigentlich sagen, daß bereits
wieder erstaunlich ist, daß von 1978 zu 1979 eine Steigerung
um 500000 Personen zu verzeichnen ist. Geht man von 1957
mit 4,8 Millionen aus, so hat sich die Zahl bis 1980 auf 23,8 Millio
nen gesteigert.
Eine andere Aufstellung des Berichts möchte ich noch anspre
chen. die hier noch nicht erwähnt worden ist. Das ist der Güter
verkehr von und nach West-Berlin. Dies ist nicht nur eine Frage
deutschlandpolitischer Art, sondern dies ist auch ein Ausdruck
der Wirtschaftskraft und -intensität im Austausch von Waren
mit dem übrigen Bundesgebiet. Ich finde es sehr bedeutsam ' u '
- diese Zahlen sind nicht etwa in Geldbeträgen ausgedrückt,
denn sonst kommt man bald zu der Frage, inwieweit hier Preis
steigerungen enthalten sind -, daß allein im Eisenbahnverkehr
eine Steigerung im letzten Jahr von 20% zu vermerken ist. Ich
halte das gerade mit Blick auf die Berliner Wirtschaft für enorm
positiv. Ich hoffe, daß diese Entwicklung sich weiter fortsetzen
wird. Berlin lebt weitgehend davon.
< Wronski (CDU): 6% Steigerung! >
- Ich habe nicht vom Personenverkehr, sondern vom Güterfern
verkehr gesprochen. Der Eisenbahnverkehr ist die Beförderungs
art, die wir am meisten forcieren wollen, und hier sind es 20%,
insgesamt also 7%. Es tut mir leid, Herr Kollege Wronski, ich
habe diese Zahlen hier aus dem Bericht. Darüber diskutiere ich
hier auch. Diese Zahlen können wir auch intern feststellen.
Ich bin der Meinung, der positive Charakter, der sich in den
Beziehungen, in der Anwendung des Abkommens ausdrückt,
hat seinen Niederschlag in der Debatte gefunden. Dies begrüßen
wir.
Lassen Sie mich noch einen Satz zu dem Antrag der CDU
sagen; Ich glaube nicht, daß es nach intensiven Beratungen im
Ausschuß für Bundesangelegenheiten Schwierigkeiten geben wird.
Leider haben wir den Antrag erst am Beginn der Sitzung er
halten. Wir werden aber zu einer Formulierung kommen. Ich
glaube, daß es gut ist, daß das Parlament dann gemeinsam einen
solchen Antrag verabschieden wird. Die Zeit ist dann auch noch
nach der Sommerpause dafür gegeben. - Ich danke Ihnen!
Präsident Lorenz: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. -
Damit ist die Besprechung des Berichts im Plenum beendet.
Herr Kollege Löffler hat, wenn ich richtig verstanden habe,
die Überweisung des Antrags in den Ausschuß für Bundesan
gelegenheiten und Gesamtberliner Fragen beantragt. Wer für
diese Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. -
Danke schön, sie ist mit Mehrheit beschlossen.