Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
31. Sitzung vom 3. Juli 1980
1398
Boehm
(A) _ wie meinen Sie bitte, lieber Herr Kollege Kunze?
< Dr. Kunze (F.D.P.): Sie sind ein Reformer, habe ich
soeben sicherlich zutreffend festgestellt! >
- Schönen Dank für die Blumen! Aber immerhin, wir müssen se
hen, man praktiziert das auch heute noch, und hier liegt ein be
sonderer Anlaß zur Vorsorge. Ich möchte abschließend sagen, der
F.D.P.-Dienst vom 13. Juni, der sich mit dieser F.D.P.-Anfrage be
schäftigt, endet mit dem Satz: „Der Senat ist aufgeforderl, umge
hend mit der Entwicklung von Konzepten zu beginnen.“ - Dieser
Aufsatz erscheint mir nicht nur etwas zu ängstlich - besonders für
eine liberale Partei -, sondern er atmet nach meinem Empfinden
auch etwas planwirtschaftliche Gläubigkeit.
< Oh! - bei der F.D.P. >
Ich wiederhole das Zitat:
„Der Senat ist aufgefordert, umgehend mit der Entwicklung
von Konzepten zu beginnen.“
Ich darf jetzt einmal für Herrn Senator Sund sagen: Was soll der
arme Senat da eigentlich entwickeln?
Der Grundsatz sollte sein, daß wir wach bleiben, aufgeschlos
sen diesem Problem, aber daß wir uns nicht in Planungsvorstel
lungen festlegen lassen und darin erstarren.
Und ich darf vielleicht eines noch sagen: Wir sollten auch vor
Prognosen nicht niederknien. Ich suche gerade hier verzweifelt
zum Abschluß eine wunderbare Prognose-jawohl! Unser großer
Senator Rolf Schwedler- und dies führe ich jetzt an als Beispiel
für den Wert von Prognosen - hat am 27. Januar 1968 gegenüber
einer Tageszeitung erklärt:
„Anfang 1970 werden wir mit einem Wohnungsüberschuß
von mehr als 3% zu rechnen haben."
Nun wissen Sie, was wir von Prognosen zu halten haben! - Ich
danke.
< Heiterkeit und Beifall >
(B) Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Hitzig
rath.
Hitzigrath (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
darf Herrn Senator Sund recht herzlich danken für die gediegenen
und ausführlichen Darstellungen. Es ist sicherlich schwer, auf
diesem Gebiet Prognosen zu stellen, aber es ist sicherlich noch
schwieriger, die Auswirkungen der Automation für die nächsten
zehn Jahre auf den Berliner Arbeitsmarkt festzustellen.
Wir Sozialdemokraten sind uns bewußt, daß hier ein erheblicher
sozialer Sprengstoff vorhanden ist. Wir sind der Meinung, daß wir
gerade auf diesem Gebiet sehr eng mit den Gewerkschaften Zu
sammenarbeiten müssen, weil sie viel näher am Arbeitsplatz sind
als wir.
Aber auch - Frau Kollegin Schmid-Petry-der Ausschuß für Ar
beit und Soziales ist aufgefordert, sich sehr regelmäßig begleitend
und vorausschauend um dieses Problem zu kümmern.
Nochmals herzlichen Dank, Herr Senator Sund!
Stellv. Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Ich habe
keine weiteren Wortmeldungen. Die Große Anfrage hat damit ihre
Erledigung gefunden.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 7, Drucksache 8/456;
Große Anfrageder Fraktion der CDU über Planung in Berlin
1. In welchem Zustand befindet sich das seit 1971 entwik-
kelte System der ressortübergreifenden Planung zur
Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für Probleme der
Stadtentwicklung Berlins?
2. Welche Einrichtungen des Planungssystems stellen ge
genwärtig im Zusammenhang mit Planungsaufgaben die
Abstimmung zwischen den Ressorts auf Senatsebene
und zwischen dem Senat und den Bezirken sicher und
bieten die Gewähr für eine auch durch die Öffentlichkeit
kontrollierbare ressortübergreifende Planung?
3. Wird das bisher bestehende Instrumentarium zur ressort
übergreifenden Planung der Sadtentwicklung weiterhin
genutzt, werden insbesondere die personellen Kapazitä
ten sinnvoll eingesetzt, um für bekannte Probleme Ber
lins, beispielsweise im Bereich der Bevölkerungsent
wicklung, der Wirtschaftsentwicklung, des Natur- und
Umweltschutzes, der Sicherung von Erholungsflächen,
der Energieversorgung und der Ausländerpolitik mehr
heitsfähige Lösungsvorschläge zu erarbeiten?
4. Wann werden welche Ergebnisse der laufenden Pla
nungstätigkeit des Senats als Ausdruck seiner „bewuß
ten Hinwendung zur Stadtpolitik“ dem Abgeordneten
haus zur Kenntnis gegeben werden?
5. Wie, wo und durch wen sollen die Aufgaben der Pla
nungsleitstelle in Zukunft wahrgenommen werden, um
künftige und neu entstehende Probleme der Stadtent
wicklung, deren Lösung der ressortübergreifenden pla
nerischen Vorbereitung bedarf, zu bewältigen?
6. Auf welche Weise hat der Senat dem Beschluß des Ab
geordnetenhauses vom 2. Dezember 1977 über „Grund
sätze zur Weiterentwicklung der Planung in Berlin“ und
hierbei insbesondere der Aufforderung in Ziffer 7 Rech
nung getragen, dem Abgeordnetenhaus über die neben
den Planungsteams bestehenden oder zu schaffenden
ressortübergreifenden Organisationsformen der Pla
nung und deren Tätigkeit und Ergebnisse sowie über die
ressortinternen Planungsvorhaben mit stadtentwick
lungspolitischer Bedeutung zu berichten?
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter
von Kekulä!
von Kekuiä (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die CDU hat mit ihrer Großen Anfrage über die Planung in Berlin
die Arbeit des Regierenden Bürgermeisters ins Auge gefaßt. Pla
nungsdebatten hat es in dieser Stadt in den letzten Jahren viele
gegeben. Wir befürchten, jetzt gibt es nur noch Debatten, aber
keine Planung mehr.
In den früheren Jahren jedoch hatten wir den Eindruck, daß bei
allem intensiven Ringen um die Mittel und die Wege eine einheit
liche Meinung hier im Hause darüber bestand, die Aufgaben der
Gegenwart und vor allem die der Zukunft nicht mehr mit den Ar
beitsmethoden der Vergangenheit bewältigen zu wollen.
Vor zehn Jahren waren wir voller Unruhe und Unzufriedenheit
darüber, daß die Ressorts der öffentlichen Verwaltung nicht aus
reichend und vor allem nicht rechtzeitig miteinander zusammen
arbeiteten, daß die Arbeitsmittel und -methoden in der öffentli
chen Verwaltung vielleicht ausreichten für eine Verwaltung der
laufenden Angelegenheiten, nicht jedoch für eine Gestaltung
längerfristiger Vorhaben, die in Wahrheit ein Zusammenwirken
der verschiedenen Verwaltungen erforderte.
< Beifall bei der CDU >
Deshalb hat das Abgeordnetenhaus vor ziemlich genau zehn
Jahren den Senat beauftragt, zu berichten, in welcher Form künf
tig längerfristige Planungen des Senats vorbereitet werden könn
ten und welche institutionellen und personellen Voraussetzungen
dazu geschaffen werden müßten. Damit war der Anstoß für die
Schaffung des Berliner Planungssystems gegeben, auf das der
Senat vor noch gar nicht langer Zeit sehr stolz gewesen ist. Und
wie alle seine Taten hat er der Mitwelt, mindestens im deutschen
Sprachraum, aber man kann schon sagen, zu solchen Themen
schlechthin, das, was er tat, als Modell angepriesen.
Es ist gewiß nützlich, sich im Zusammenhang mit dem Beginn
des Berliner Planungssystems an die Begriffe zu erinnern, mit
denen der Senat damals seine Ankündigungen zur Planung und
Stadtentwicklung begleitet hat.
Es hieß damals: „Planung ist die systematische Vorbereitung
von Entscheidungen und Entscheidungsalternativen über mittel-
und längerfristige, sachlich-politische Ziele und der darauf aus
gerichteten Maßnahmen auf breiter Wissensbasis. Sie dient der
Stadtentwicklung, wenn sie die vorausschauende Aufstellung von
Programmen für die Entwicklung der natürlichen, sozialen, wirt
schaftlichen, kulturellen, technischen und administrativen Bedin
gungen einer Stadt zum Inhalt hat.“ Das hört sich sehr trocken an,
ist aber, glaube ich, ganz inhaltsreich.