Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
31. Sitzung vom 3. Juli 1980
1387
Stellv. Präsident Sickert; Das Wort hat der Abgeordnete Lum
mer.
Lummer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ge
legentlich nehmen ja die Bemühungen um Rechtfertigung sehr
groteske Formen an. Niemand von uns wäre bereit, Herr Kollege
Hucklenbroich, zu sagen, daß die Forderung nach Rücktritt in je
dem Falle auch den Vorwurf persönlicher Schuld bedeutet. Wir
reden von Verantwortung,
< Franke (CDU); So etwas kennen die ja nicht! >
nicht von persönlicher Schuld eines Senators, obwohl es sein
kann, daß in bestimmten Fällen auch persönliche Schuld vorliegt.
Soweit ich sehe, würde ich das im Falle Oxfort ausschließen. Die
Moral der Rücktritte ist etwas anderes als eine Schuldmoral. Es
gibt viele Minister, Senatoren, Politiker, die aus bestimmten Vor
gängen in ihrer Verantwortung Konsequenzen gezogen haben -
Ella Kay zum Beispiel, wenn Sie sich in Berlin erinnern -, ohne daß
persönliche Schuld im Spiele gewesen wäre.
< Boroffka (CDU): Genau das ist der Punkt! >
Und, bitte, das muß auch ein Senator, der Meyer heißt, für sich
gelten lassen, und nicht immer nur arrogant Versagen, Schuld,
Verantwortung woanders suchen als bei sich selbst. Das ist der
Punkt, um den es geht!
< Beifall bei der CDU >
Und, Herr Kollege Hucklenbroich, wenn Sie in diesem Falle noch
das Bild der Kreuzigung aufzeichnen. Auch wir geben niemals
eine Seele verloren.
< Heiterkeit bei der SPD - Papenfuß (SPD): Vor
allem keine schwarze! >
Aber Sie können sicher sein, daß Christus die Mörder nicht zum
Justizminister gemacht hätte; das ist die Frage, um die es hier
geht.
Nun aber, meine Damen und Herren, möchte ich eine Bemer
kung machen zum Regierenden Bürgermeister. Im Gegensatz zu
dem damaligen Vorgang Baumann hat sich der Regierende Bür
germeister in diesem Falle relativ lange bedeckt gehalten.
Stellv. Präsident Sickert: Herr Lummer, darf ich mal kurz unter
brechen, damit keine Aufregung entsteht. Sie hatten zum Aus
druck gebracht, Jesus hätte keinen Mörder zum Justizsenator ge
macht. - Das kann den Anschein erwecken, als ob es sich auf einen
Justizminister hier im Hause bezieht.
< Lummer (CDU): Überhaupt nicht! >
- Ich will das nur richtiggestellt haben, damit wir nicht nachher,
wenn das Protokoll vorliegt, Ärger damit bekommen.
Lummer (CDU): Also, wer ein solches Mißverständnis hier sieht,
der muß es wohl gesucht haben.
< Franke (CDU): Den Vergleich hat doch Herr
Hucklenbroich gebracht! >
Den Vergleich habe ja nicht ich entdeckt, sondern Herr Hucklen
broich.
Herr Regierender Bürgermeister, ich fand das im Prinzip sehr
wichtig, denn ich glaube nicht, daß es gut wäre, wenn sich ein Re
gierender Bürgermeister so ohne weiteres und in jedem Falle mit
politischem Versagen und Fehlern, vielleicht auch mit den Per
sönlichkeiten, die dafür verantwortlich sind, solidarisierte. Damals
haben Sie das von vornherein getan, und Sie haben sicherlich
nicht die beste Erfahrung Ihres Lebens in diesem Zusammenhang
gemacht.
< Franke (CDU): Aber nichts daraus gelernt! >
Ich denke dabei nicht nur an Ihre Person, sondern auch an die
Rückwirkungen für diese Stadt. Sie werden sich erinnern; Sie wa
ren damals ein Jahr im Amt, und der Kollege Ehrke ging sogar so
weit damals hier im Parlament, zu sagen gegenüber der CDU-
Fraktion, wir hätten das Thema ja nur aufgegriffen, weil wir nun
vollkommen frustriert seien nach 13 Monaten Stobbe-Erfolg im
Land Berlin. Ja, das steht drin hier im Parlamentsprotokoll, ich
habe es noch einmal nachgelesen. Sie werden sich erinnern, Herr
Regierender Bürgermeister, Sie hatten damals ja im Gefühle oder
Vorgefühle dieses Erfolgs einen neuen Slogan für Berlin entwik-
kelt.
An einigen Plakatsäulen prangte er sogar: „Berlin stimmt wie- (C)
der.“ Dann kamen Baumann und einiges mehr. Dann ist der Slo
gan verschwunden
< Franke (CDU): Und Baumann auch! >
und die Plakate auch.
Ich bitte dies einmal unter dem Gesichtspunkt zu sehen, Herr
Regierender Bürgermeister, wie die Außenwirkungen für Berlin
sind. Sie haben doch selbst immer Wert darauf gelegt, daß das Bild
dieser Stadt in Ordnung ist. Manchmal ging es so weit, daß ge
sagt wurde, eigentlich sei die Opposition daran schuld, daß das
Ansehen Berlins draußen so schlecht ist,
< Richtig! und Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
weil wir immer so und nicht anders darüber redeten. - Ich habe
gar nichts dagegen, daß Sie klatschen, weil Sie damit nurdie Kurz
sichtigkeit Ihrer Überlegung bestätigen und die Notwendigkeit
hervorheben, das einmal richtigzustellen. -
< Beifall bei der CDU >
Was hat das denn für Auswirkungen, wenn wir Herrn Pätzold
angreifen in Sachen Blutkonserven, wenn wir etwas haben gegen
Autobahnbrücken, die nicht in Ordnung sind, wenn wir bei der
Internationalen Bauausstellung sowohl die Sachkonzeption als
auch die Personalkonzeption beanstanden, wenn wir wegen der
Klimatisierung der Mittelstufenzentren Kritik üben? - Sie wissen,
daß man stundenlang weiteres aufzählen kann. Die zugrundelie
genden Sachverhalte sind die eigentlichen Ursachen dafür, daß
das Bild Berlins Schaden gelitten hat.
< Beifall bei der CDU >
Deshalb hat der Regierende Bürgermeister seine Verantwor
tung, die sich nicht darin erschöpfen darf, einfach zu sagen; Ich
stehe hinter diesem oder jenem Senator, auch wenn er Fehler
gemacht hat.-Die Verantwortung muß sich vielmehr darin zeigen,
daß er die Senatoren zur Ordnung bringt, daß in den einzelnen
Verwaltungen die Dinge in guter Ordnung sind und daß er sich
notfalls von solchen Senatoren trennt.
< Beifall bei der CDU >
(0)
Das ist keine Frage des - was weiß ich - Wohlbehagens der Op
position, sondern das ist eine Frage des Ansehens dieser Stadt
draußen und der Fähigkeit der Bürger, sich mit dieser Stadt zu
identifizieren. Das schlechteste, was möglich ist, wäre die Fest
stellung: „Berlin stimmt wieder, weil es stinkt."
< Beifall bei der CDU - Raasch (SPD): Das ist ja unmöglich! >
Stellv. Präsident Sickert; Das Wort hat Frau Abgeordnete Fech-
ner.
Frau Rechner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Im Bundestag hatte die Opposition einmal einen Politiker, der
„Kopf-ab-Jaeger“ genannt wurde. Noch heute lacht man über ihn.
Wenn ich mir den Stil der heutigen Debatte ansehe, bin ich ver
sucht, „Kopf-ab-Lummer" zu sagen,
< Beifall bei der SPD - Oh I bei der CDU -
Franke (CDU): Gehen Sie mal lieber wieder runter! Das ist besser! >
denn wann werden Sie hier tätig? Immer wenn es darum geht,
ohne eigene Sachkunde in die Debatte einzugreifen und polemi
sche Reden zu halten. Ich habe sehr bedauert, sehr verehrter Herr
Lummer, daß Sie nicht an den ausführlichen Debatten im Justiz
ausschußteilgenommen haben.
< Schicks (CDU); Hat denn Herr Ehrke teilgenommen? >
- Herr Ehrke ist nicht Antragsteller; die CDU-Fraktion ist Antrag
steller, und da erwarte ich Sachkunde, wenn hier in die Debatte
eingegriffen wird.-
< Schicks (CDU): Wollen Sie sagen, daß
Herr Ehrke heiße Luft geblasen hat? >
Herr Rösler hat fair das Spannungsfeld zwischen Resozialisie
rung im Strafvollzug, unser aller Bemühen, das Strafvollzugsge
setz mit der Resozialisierung durchzusetzen, und andererseits
der Frage der Sicherheit dargestellt. Herr Rzepka vertritt zum
Problem des Strafvollzugs grundsätzlich die Auffassung: je mehr
Sicherheit, desto mehr Resozialisierung. Wir sind da ganz anderer
Meinung und können das auch an konkreten Beispielen nachwei-
sen.