Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
31. Sitzung vom 3. Juli 1980
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(A) Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Schmidt!
Schmidt (CDU); Herr Senator, warum ist die Brücke verstärkt
worden, wenn sie doch bisher 20 Jahre gehalten hat und auch die
Statik entsprechend ausgelegt war?
Präsident Lorenz: Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Meine Beamten
haben darauf hingewiesen, daß es zwar keine Gefahren gibt, daß
aber trotzdem im Zuge der Generalreparatur einige Verstärkungen
vorgenommen werden, um die Sicherheitsmarge noch zu erhöhen.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Schmidt!
Schmidt (CDU): Herr Senator, haben sich denn die Sicherheits
vorkehrungen in den letzten 20 Jahren geändert oder war die Brücke
bisher nicht entsprechend ausgelegt?
Präsident Lorenz: Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Herr Abgeord
neter Schmidt, ich fahre jeden Tag an dieser Brücke entlang, denn
das interessiert mich auch wegen des Ablaufs der Arbeiten und des
Wetters, das wir jetzt haben, und ich spreche durchaus regelmäßig
mit meinen Mitarbeitern darüber. An Gebäuden und Brücken werden
- soweit es ohne zusätzlichen Kostenaufwand möglich ist - aus der
Einsicht von heute und aufgrund der Erfahrungen, die wir zum Bei
spiel in Wilmersdorf gesammelt haben, auch im Sinne der Verstär
kung der Sicherheit Reparaturen vorgenommen. Ich darf Ihnen noch
eines sagen: Wer dort entlangfährt - das sind doch einige aus die
sem Haus wird wissen, daß wir heute praktisch weit von dem
mechanisierten Verfahren weg sind und bei diesen sehr komplizier
ten Arbeiten wieder fast im alten handwerklichen Verfahren - selbst
im Brückenbau - arbeiten.
Präsident Lorenz; Herr Abgeordneter Schneider!
Schneider (CDU): Herr Senator, sind Sie bereit, auch überprüfen
(B) zu lassen, ob die gleichen äußeren Einflüsse, die zum Einsturz des
Daches der Kongreßhalle geführt haben, auch auf diese Brücke ein
gewirkt haben können und deshalb diese Folgen gezeigt haben?
Präsident Lorenz: Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Ich kann Ihnen
dies nicht bestätigen. Ich darf darauf hinweisen - das habe ich in
meiner Hauptantwort auf die ursprüngliche Anfrage des Abgeord
neten Beitz schon getan -, daß wir im Brückenbau in dieser Stadt
hinsichtlich der durchgehenden Untersuchungen wegen der immer
währenden Belastungen, die auf diesen Bauwerken liegen, hinsicht
lich der ungeheuren Fahrzeugdichte, die gerade auf dieser Straße -
einer der meistbefahrenen Europas - zu verzeichnen ist, hinsichtlich
der Einflüsse von Streusalz und entsprechender Einsickerungsmög
lichkeiten - ein leidenschaftlich diskutiertes Thema in diesem Haus
- in detaillierte Untersuchungen eingetreten sind - unabhängig von
dem später aufgetretenen schrecklichen Unglücksfall des Teilein
sturzes der Kongreßhalle.
Präsident Lorenz: Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordne
ter Adler!
Adler (CDU): Herr Senator, können Sie uns vielleicht sagen, ob
derjenige, der die statischen Berechnungen gemacht hat, derselbe
war, der sie für die Schmargendorfer Brücke erarbeitet hat?
Präsident Lorenz: Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Ich kann Ihnen
diese Frage nicht beantworten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß der
betreffende Herr - einer der anerkanntesten Wissenschaftler dieser
Stadt und Lehrstuhlinhaber - diese Arbeiten erledigt hat. Ich darf
mir über seinen Tod hinaus kein Urteil in irgendeiner Weise
anmaßen; meine Vermutung geht dahin, daß er dieses Bauwerk
nicht geprüft hat aber ich werde Ihnen auch darauf - auch noch im
Verlauf dieser Sitzung - eine Antwort geben.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Amonat!
Amonat (SPD): Herr Senator, können Sie bestätigen, daß Sie (C)
diesen Spekulalionswert, der aus einem Teil der Fragestellungen der
Opposition hervorgeht, Ihren Mitarbeitern nicht zubilligen können?
Präsident Lorenz: Herr Senator Ristock!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen: Wenn ich das
Kopfnicken der Opposition zu meinen Ausführungen über die Quali
tät meiner Mitarbeiter - in diesem Fall war nur der Brückenbau an
gesprochen - richtig werte, ist doch anzunehmen, daß hierüber
Einigkeit im Haus besteht. Insofern glaube ich nicht, daß die Oppo
sition meinte, an der Qualität meiner Mitarbeiter beim Brückenbau
Zweifel zu hegen. Da in Zeiten, wo man über Gift, Spannbeton und
ähnliches redet, sicher auch eine gewisse Emotionalisierung vor
kommt, kann ich nicht ausschließen, daß so etwas auch ein wenig
hinter diesen Fragen steckt, obgleich ich meine, daß wir in die Tiefen
von Emotionen hier nicht vorgedrungen sind.
Präsident Lorenz: Keine weiteren Zusatzfragen.
Die nächsten Fragen betreffen zwar den gleichen Grundsachver
halt, aber doch einzelne Sondertatbestände, deshalb werden sie
nicht miteinander verbunden.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Meisner zu einer
Mündlichen Anfrage über
Giftmüll in Haselhorst
Dr. Meisner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
frage den Senat: Trifft es zu, daß spätestens 1971 Berliner Behörden
Kenntnis von der Existenz giftiger Chemikalien auf dem Gelände der
ehemaligen „Lonal AG“ in Haselhorst hatten, und wer trägt die Ver
antwortung dafür, daß für Mensch und Umwelt gefährliche Stoffe
nicht früher beseitigt wurden?
Präsident Lorenz: Zur Beantwortung hat das Wort Herr Senator
Sund.
< Zuruf von der CDU; Das ist eine gute Idee! >
Sund, Senator für Arbeit und Soziales: Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Meisner, den (D)
Akten der Arbeitsschutzbehörde ist folgendes zu entnehmen: Seit
den ersten Nachkriegsjahren haben die Berliner Behörden wieder
holt dafür gesorgt, daß schädliche Chemikalien ordnungsgemäß be
seitigt wurden, die auf dem Gelände der ehemaligen Lonal AG auf
gefunden worden waren.
Schon am 30. Januar 1946 wurde das Gelände von Vertretern des
damaligen Landesgesundheitsamtes, des damaligen Dezernats Ar
beitsschutz und des Robert-Koch-Instituts besichtigt. An verschie
denen Stellen ausgestreutes Gasspürpulver zeigte damals keinerlei
Verfärbungen. Allerdings entwickelte sich bei Schweißarbeiten an
den in den Trümmern Vorgefundenen, mit Rückständen behafteten
Rohren ein die Augen, die Nasen- und Rachenschleimhäute reizen
des Gas. Der Abbruchfirma wurden daher Schutzmaßnahmen auf-
gegeben.
Bei einer weiteren Besichtigung durch das Landesgesundheitsamt
und das Robert-Koch-Institut am 17. Februar 1950 wurden zwei
unterirdische sowie ein oberirdisch vollständig eingemauerter
eiserner Behälter festgestellt, in denen sich teils flüssige, teils ver
krustete Rückstände von Chemikalien befanden. Nach einer Analyse
des Robert-Koch-Instituts enthielt ein Behälter lediglich eine wäßrige
Sodalösung ohne Reizstoffgehalt, im übrigen wurde Diphenylchlor-
arsen (Blaukreuz) nachgewiesen. Das Landesgesundheitsamt ord
nete an, die arsenhaltigen Chemikalien vor dem Abtransport der
Behälter, der noch im Frühjahr 1950 stattfand, unschädlich zu
machen.
Anläßlich einer Betriebsbesichtigung des Landesgewerbearztes
bei der Firma CCC-Film am 14. August 1952 entstand der Verdacht,
daß einige offene Wasserbecken auf dem Gelände Schadstoffreste
enthielten. Außerdem wurden neben diesen Becken salzartig aus
sehende Chemikalien entdeckt. Der Landesgewerbearzt setzte hier
von das Bezirksamt Spandau, Abteilung Gesundheitswesen, die
Polizei und die Bauaufsicht in Kenntnis. Es wurde verfügt, daß das
Gelände zunächst eingezäunt wurde und dann die salzartigen Che
mikalien beseitigt und die Becken - einem Gutachten des Robert-
Koch-Instituts entsprechend - entschlammt und abgeflammt wur
den.
Im Juni 1954 stellten der Landesgewerbearzt, das Gewerbeauf
sichtsamt, die Feuerwehr und die Bauaufsicht gemeinsam fest, der
Firma CCC-Film zu gestatten, diese ehemaligen Absetzbecken zu