Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
30. Sitzung vom 26. Juni 1980
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Frau Müller
(A) der IHK sowie den Berliner Maklern andererseits von der Inter
essenlage her sehr unterschiedlich sein dürfte und daher ein
gehender Erörterung im Wirtschaftsausschuß bedarf. - Danke!
< Beifall bei der SPD und der F.D.P.) >
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kunze.
Dr. Kunze (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Auf den ersten Blick scheint es so, als ob der Antrag der CDU
auf ein nützliches und brauchbares zusätzliches Instrument
für die Wirtschaftsförderung und insbesondere Industrie-
ansiedlung hinweist. Wenn sich der zweite Blick auf die tatsäch
lichen, praktischen Abläufe der Industrieansiedlung und des
Bemühens um Industrieansiedlung richtet, werden allerdings
die Zweifel doch gleich sehr deutlich, denn die fundamentale
Grundregel für erfolgreiche Industrieansiedlung ist die Not
wendigkeit unbürokratischer Flexibilität und ist im Einzelfall
auch die notwendige Vertraulichkeit im Umgang mit den be
stehenden Grundstücksmöglichkeiten von seiten des poten
tiellen Grundstücksanbieters und auch von seiten des poten
tiellen Grundstücksnutzers. Dazu kommt, daß nahezu jeder
einzelne Ansiedlungsinteressent außerordentlich spezifische,
auf seinen eigenen Fall abgestellte Informationen über das
generelle Förderungsinstrumentarium, aber gerade und ins
besondere auch über die vorhandenen, auf seinen Bedarf
möglicherweise passenden Grundstücke benötigt. Jeder ein
zelne Ansiedlungsfall stellt auf andere Merkmale von Grund
stücken ab, und deswegen entsteht in der ersten Runde für
meine Fraktion jedenfalls der Eindruck, daß der Antrag der
CDU dem Irrtum unterliegt, daß das öffentliche, überregionale
Plakatieren von Grundstücken bereits als solches eine Förderung
von Industrieansiedlung bedeuten könnte. Diese gutgemeinte
Absicht kann sich sehr leicht in das Gegenteil verkehren,
nämlich in einen enormen bürokratischen Aufwand für die
Herstellung eines solchen Plakats, das selbst den Förderungs
effekt nicht wirklich erreichen kann. Soweit einige kritische
Fragen zu dem praktischen Ablauf und der praktischen Nütz
lichkeit eines solchen Atlasses.
(B) Zum Schluß eigentlich der dritte Blick auf diesen Antrag der
CDU, Und der dritte Blick kam mir dann ungefähr so vor: Ich
habe mit vorgestellt, wenn die SPD-Fraktion diesen Antrag im
Hause eingebracht hätte, wie hätte denn dann die CDU-Fraktion
darauf reagiert? - Ich bin nicht völlig sicher, daß wir dann von
der CDU-Fraktion womöglich nicht den Vorwurf des sozia
listischen Dirigismus hier von diesem Platz aus gehört hätten,
den Vorwurf des Eingriffs in den freien Immobilienmarkt und
vieles andere mehr.
< Dr. Neuling (CDU): Was hat denn das damit zu tun? >
Beispiele für einen solchen Typ von Argumentationsweisen
der CDU sind uns ja vielfältig vertraut. Ich habe den Eindruck,
daß, nachdem die Sozialdemokraten die Investitionsmeldestelle
erfunden haben, jetzt die Christdemokraten dabei sind, die
Grundstücksmeldestelle zu erfinden. Ob sich das alles als
nützlich erweist, werden wir dennoch gern als Liberale auch in
den Ausschüssen gründlich und aufgeschlossen prüfen. Aber
Sie alle wissen. Meldestellen sind an sich nicht das, wo wir
gleich „Hurra“ schreien. Man sieht, bei den beiden anderen
Fraktionen scheint das jedenfalls mit wechselden Überschriften
manchmal doch der Fall zu sein.
< Beifall bei der F.D.P. >
Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Bürgermeister Lüder.
Luder, Bürgermeister und Senator für Wirtschaft und Verkehr:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die
Begründung des Antrages durch die CDU-Fraktion hat mir
zum erstenmal deutlich gemacht, worum es hier eigentlich
geht. Und ich finde, wir sollten uns an dieser Begründung
orientieren. Denn die Begründung geht darauf aus, daß wir
sehen müssen, daß wir für die Industriestadt Berlin, für den
Wirtschaftsstandort Berlin, für potentielle Investoren attraktive
und informative Werbemittel zur Verfügung haben müssen.
Wenn dieses der Einstieg ist, Herr Dr. Neuling, dann sollten
wir folgendes tun; Erstens sollten wir einmal sichten, auch
kritisch sichten, was von seiten Berlins bisher vorhanden ist.
sei es bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, sei es beim ((
Senat, sei es bei anderen Stellen, und wir sollten zweitens
sehen, was die anderen machen, um zu prüfen, ob sie es besser
machen, und, wenn sie es besser machen, ob wir es über
nehmen können, und weiter, durch wen sie es machen.
Eines steht für mich bisher fest; Mit dem Mittel dieses
Atlasses, den Sie fordern, wird es nicht gehen. Denn erstens
macht kein Bundesland aus guten Gründen einen solchen
Atlas mit den Kriterien, die Sie wollen. Und zweitens prüfen
einige Bundesländer, zu denen Sie etwas nähere Beziehungen
haben als wir, etwa Baden-Württemberg, sehr wohl, ob dieses
eine staatliche Aufgabe sein darf. Daß ein entsprechendes
Werbemittel in Baden-Württemberg z. B. von der dortigen
Industrie- und Handelskammer herausgegeben wird und nicht
von der Landesregierung oder den Kommunen, wird für uns
auch ein Punkt des Nachdenkens sein.
Wir jedenfalls als Senat haben geprüft, welche Werbemittel
vorhanden sind, welche Informationsmittel, wir haben geprüft,
was wir hier tun können, und wir haben folgendes noch
beachtet - und auch darauf muß man ja wohl abstellen, wenn
man Werbemittel macht für wen und mit welchem Zweck
und mit welcher Erfolgswahrscheinlichkeit? Hier kommt es nicht
darauf an, ein Werbemittel zu bringen, das schön aussieht,
sondern das auf den Infragekommenden gezielt sein muß und
für ihn die attraktive, motivierende Information geben muß.
Das ist doch der Zielpunkt.
Wenn wir dieses sehen, dann werden wir in den Ausschüssen
noch einmal detailliert durchgehen müssen, von welcher Aus-
gangsiage wir kommen und was wir überhaupt Zusagen können.
Ich denke hier nur an zwei Punkte aus Ihrem Antrag, die auf
jeden Fall kritisch zu betrachten sind, nämlich einmal die
privaten Grundstücke und zum anderen die Umweltbedin
gungen, die wir nicht vom Grundstück her definieren können,
sondern nur von der konkreten Anforderung des Ansiedlungs
falles.
Ich habe bisher festgestellt, daß potentielle Investoren - und
wir haben ja eine ganze Menge bekommen - nicht nach
Atlanten gehen, mir auch nicht entgegenhalten, was Karlsruhe,
Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder d
andere machen, sondern danach gehen, was ihnen konkret
zugesagt und konkret angeboten wird. Und auf dieses konkrete
Angebot haben wir uns verständigt, und dieses machen wir.
Ich bin aufgeschlossen für eine Diskussion zur Effektivierung
der Werbemittel, die wir haben. Ich habe aber große Skepsis,
ob der Weg, den Sie hier aufzeigen, für Berlin der erfolgver
sprechende ist. Und ich lege auf eines Wert: An der Grund
stücksfrage ist bisher in dieser Stadt kein Ansiedlungsfall ge
scheitert. Darauf wollen wir weiter hinarbeiten. Danke!
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Präsident Lorenz: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich schließe die Beratung. Der Ältestenrat empfiehlt, den
Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft - federführend - zu
überweisen, ferner an den Ausschuß für Bau- und Wohnungs
wesen, an den Ausschuß für Gesundheit und Umweltschutz
und an den Ausschuß für Vermögensverwaltung. Wer dafür
ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön! Das ist
mit Mehrheit beschlossen.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 13, Drucksache 8/457:
Antrag der Fraktion der CDU über Änderung des Flächen
nutzungsplans im Altstadtbereich Neukölln
Der Senator für Bau- und Wohnungswesen wird auf
gefordert, das planungsrechtliche Verfahren einzuleiten,
damit die derzeit für den Gemeindebedarf (Schulstandort)
ausgewiesene Fläche im Bereich zwischen den Straßen
zügen Kari-Marx-Straße, Uthmannstraße, Richardstraße,
Richardplatz, Karl-Marx-Platz als allgemeines Wohngebiet
ausgewiesen wird.