Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode
19. Sitzung vom 24. Januar 1980
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Oxfort
geschaffen. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte haben nun
allerdings die deutschen Parlamente die Meinung vertreten, und
so steht es auch in unseren Richtlinien, daß die Immunität bei
politischen Beleidigungsdelikten — ausgenommen den Vorwurf
der Verleumdung nach § 187 StGB — nicht aufgehoben werden
soll. Die Parlamente sind der Meinung gewesen — lassen Sie es
mich so sagen -, daß die Abgeordneten, die tagtäglich in der
politischen Auseinandersetzung stehen, sich in einer gewissen
Gefährdungssituafion befinden, wo schnell einmal ein un
geeignetes Wort über die Lippen geht. Wenn man einmal damit
anfängt, in solchen Fällen die Immunität aufzuheben, kann man
mit Sicherheit davon ausgehen, daß ein großer Schwarm weiterer
Verfahren nachfolgt. Ohne damit etwas Böses sagen zu wollen,
Herr Kollege Ehrke; Ich könnte mit vorstellen, daß es einen
prominenten Bundestagsabgeordneten Ihrer Partei gibt, der nur
noch vor Gericht stünde und gar keine Zeit mehr fände, sich sei
nen eigentlichen parlamentarischen Aufgaben zu widmen, wenn
die von Ihnen vorgetragenen Grundsätze überall beherzigt würden.
< Beifall bei der F.D.P. und der CDU >
Deshalb nehme ich Ihr Wort auf, Herr Kollege Ehrke: Hier geht
es nicht um die Person, hier geht es um die Sache. Die Sache
gebietet, wenn Sie das Interesse des rechtsuchenden Bürgers
und das Interesse des Parlaments gegeneinander abwägen, in
dem Sinne zu entscheiden, wie dieses Haus sich dies in seinen
Richtlinien selbst gesetzt hat. Ich bitte Sie, dem Vorschlag des
Ausschusses zuzusfimmen,
< Beifall bei der F.D.P. und der CDU >
Stellv. Präsident Sickert: Meine Damen und Herren, weitere
Wortmeldungen liegen nicht vor. In Übereinstimmung mit dem
Ältestenrat möchte ich zur Abstimmung auf folgendes hinweisen:
Der Ausschuß für Verfassung und Geschäftsordnung empfiehlt,
die Genehmigung zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens
gegen Frau Abgeordnete Dr. Besser nicht zu erteilen. Sollte sich
für die Beschlußempfehlung des Ausschusses eine Mehrheit fin
den, wird die Immunität der Frau Abgeordneten Dr. Besser nicht
aufgehoben. Wenn es eine andere Mehrheit gibt, ist es genau
umgekehrt.
< Heiterkeit >
— Meine Damen und Herren, das Lachen ist nicht berechtigt. Der
Sachverhalt ist so.
< Oxfort (F.D.P.): Zur Geschäftsordnung! >
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeodneter Oxfort!
Oxfort (F.D.P.): Herr Präsident, ich bitte mit gebührender Rück
sicht bemerken zu dürfen, daß ein ausdrücklicher Beschluß über
die Aufhebung der Immunität durch dieses Haus erforderlich ist,
wenn Sie dies feststellen wollen.
Stellv. Präsident Sickert: Vielen Dank! Ich habe mit meinem
Hinweis nichts anderes sagen wollen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über
die Beschlußempfehlung des Ausschusses, die Immunität von
Frau Dr. Besser nicht aufzuheben. Wer der Beschlußempfehlung
die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Hand
zeichen. - Das ist die absolute Mehrheit. Ich muß trotzdem die
Gegenstimmen feststellen. - Stimmenthaltungen? - Bei einigen
Stimmenthaltungen so beschlossen. Damit ist also die Immunität
der Frau Abgeordneten Dr. Besser nicht aufgehoben.
Wir kommen dann zur
lfd. Nr. 15, Drucksache 8/279:
Antrag der Fraktion der CDU über Klassenfrequenz in der
Grundschule
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter
Zemla!
< Anhaltende Unruhe >
Zemla (CDU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die
CDU-Fraktion hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode,
genauer gesagt am 2. März 1978, einen Antrag zur kontinuier
lichen Senkung der Klassenfrequenzen und Einführung der 25er-
Frequenz in der Berliner Grundschule eingebracht. Auch damals
waren sich alle Fraktionen grundsätzlich einig, daß die Senkung
der Klassenstärken eine Aufgabe von allergrößter Wichtigkeit
zur Verbesserung der Situation in der Grundschule ist. Meinungs
verschiedenheiten gab es allerdings darüber, wie das zu realisie
ren ist. Die Regierungskoalition entschied sich für die 1 Ser-
Frequenz in den Klassen 1 und 2. Unsere Einwände,
— daß dieses Vorhaben an fehlenden Klassenräumen scheitern
wird,
— daß damit eine Klassenzusammenlegung in der dritten Klasse
vorprogrammiert ist,
— daß damit die Frequenz für die Klassen 3 bis 6 mit 30 Schü
lern festgeschrieben ist,
— daß damit der Elternwille — ich erinnere an die etwa 100 000
Unterschritten - unbeachtet bleibt,
— daß damit die fachlich qualifizierten Argumente von Lehrern
und Berufsverbänden nicht berücksichtigt werden und
— daß auch damit die optimale Förderung aller Schüler unter
Einbeziehung ihrer individuellen Möglichkeiten und Interes
sen erschwert wird,
haben Sie einfach ignoriert. Ich will mir ersparen, weitere damals
genannte Einwände und Gründe aufzuführen; das kann erforder
lichenfalls im Schulausschuß geschehen.
Heute zeigt sich, daß die CDU recht hatte, denn es wird nicht
möglich sein - so jedenfalls besagen Berichte aus den Bezirken -,
mit,Beginn des kommenden Schuljahres 1980/81 die 15er-Fre-
quenz flächendeckend, das heißt in allen Grundschulen und in
allen Bezirken, zu verwirklichen, weil — wie wir damals gesagt
hatten — die Räume fehlen. Deshalb ist es nur folgerichtig, daß
unser damaliger Antrag noch einmal neu eingebracht wird, und
wir hoffen, daß Ihre Einsicht Sie diesmal dazu bringen wird, im
Interesse der Kinder dem zuzustimmen.
Die Änderung von Einschulungsbereichen - was zwangsläufig
weitere Schulwege zur Folge hätte - und eventuell die Aufstel
lung mobiler Klassenräume - hier möchte ich fragen, wer die
Kosten tragen soll — werden Ihnen auch nicht den gewünschten
Erfolg bringen. Bleibt also der Antrag der CDU, der praktikabel
ist, mit Beginn des Schuljahres 1980/81 mit der kontinuierlichen
Senkung der Klassenfrequenz auf durchschnittlich 25 Schüler end
lich anzufangen. Wir bitten, diesen Antrag an den Ausschuß für
Schulwesen zu überweisen, wo wir noch einmal in Ruhe beraten
können.
< Beifall bei der CDU >
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Senator Rasch.
Rasch, Senator für Schulwesen: Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Der Abgeodnete Zemla hat noch einmal die Genesis
der politischen Linie der CDU-Fraktion dargestellt, die — wie
er auch ausgeführt hat — in der letzten Legislaturperiode schon
einmal einen vergleichbaren Antrag eingebracht hat. Insofern
gibt es von der Sache nichts grundlegend Neues.
Senat und Regierungsfrakfionen haben seinerzeit, und das
ist durch verschiedene Positionen bestätigt worden, eine andere
Linie verfolgt; beide im Interesse, und das steht nicht im Dissens,
gerade in der Grundschule durch äußere Maßnahmen wie Fre
quenzsenkungen die pädagogischen Bedingungen für das ein
zelne Kind zu verbessern. Da kann man natürlich, das werden alle
Pädagogen konzedieren, unterschiedliche Wege gehen.
Wir haben im Schulentwicklungsplan III diese Position der klei
nen Gruppen, hier der 15er-Gruppen, deutlich gemacht und auch
diese Position nach wie vor besetzt. Wir haben auch, darauf will
ich verweisen, in den Beschluß des Senats zum SEP III hinein
geschrieben, daß wir die Realisierung einer derartigen Maßnahme
selbstverständlich auch von den räumlichen Bedingungen, wie
sie sich zum Zeitpunkt der Vorlaufphase einer derartigen Einfüh
rung im Lande Berlin in allen Bezirken stellt, abhängig machen
müssen.
< Ulzen (CDU): Und wie sieht es da aus? >
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