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Volume Nr. 30, 26. Juni 1980

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
30. Sitzung vom 26. Juni 1980 
1325 
Dr. Hasenclever 
(A) Parlament diese Dinge vorenthalten hat. Und wenn die Vertreter 
der CDU im GesundheitsausschuB - wenigstens ein Teil von 
ihnen - die Vorstellung hatten, daß Herr Senator Pätzold seine 
Truppe fest im Griff hätte, dann ist nach diesem Vorgang davon 
leider nicht mehr viel übrig geblieben. Auch Herr Senator Pätzold 
scheint uns ein Papiertiger zu sein. 
< Beifall bei der CDU > 
Nicht die CDU, sondern die F.D.P. hat als erste durch eine dem 
Senat vorgelegte Kleine Anfrage des Kollegen Swinne und nach- 
gestoBen mit einer Mündlichen Anfrage meines Fraktionskolle 
gen Schneider in der vorletzten Sitzung Herrn Senator Pätzold 
gefragt, wie es dazu kam. Die Antwort, die Herr Senator Pätzold 
vor zwei Wochen, aber auch gestern in der Sitzung des Ausschus 
ses für Gesundheit und Umweltschutz gegeben hat, ist wert, hier 
vorgetragen zu werden. - Er selber hat es erst aus der „Welt am 
Sonntag“ erfahren; was immer man gegen Springer hat, auf jeden 
Fall lohnt es sich für den Senator als Lektüre. - 
< Beifall bei der CDU > 
Er meinte, daß die von seiner Verwaltung erfaßten Mängel durch 
die darauf eingeleiteten, schriftlich angeforderten Maßnahmen 
Ende des Jahres 1979 beantwortet worden sind am 14. Januar 
durch einen Brief des ärztlichen Leiters des Blutspendedienstes 
. Berlin, der dem Senat untersteht. Dort war angekündigt worden, 
ft daß am 4. März die unabdingbar notwendige Grundreinigung 
erfolgen würde. Dies war die ganze Information, die dem Senat 
vorlag. Aber in der Woche zwischen dem 5. und 12. März sind jene 
Verunreinigungen bei den Blutkonserven - damals noch in Fla 
schen, jetzt in Beuteln - entstanden, die zu den sechs Komplika 
tionen geführt haben, bei denen trotz allem erfreulich ist, daß ein 
Schutzengel über den meisten Patienten gestanden haben muß, 
denn zwei der Todesfälle sind nicht auf die Verunreinigung 
zurückzuführen; beim dritten steht das Prüfungsergebnis noch 
aus. 
Wir wollen hier durch eine offene Aussprache und auch durch 
die von mir namens der Fraktion der CDU vorgetragene Kritik den 
(B) Bürgern die Versicherung geben, daß das Parlament in Zukunft 
noch kritischer sein wird als in der Sitzung am 18. April, und diesen 
Appell richte ich genauso an den von mir sonst sehr verehrten 
Senator Pätzold. 
< Diepgen (CDU): In Anführungsstrichen! - 
Franke (CDU): Nun nicht mehr! > 
Er möge dafür sorgen, daß in seinem Hause endlich 
< Glocke des Präsidenten > 
die Klarheit und Offenlegung erfolgt, damit der Ausschuß keine 
unvollständigen Berichte bekommt wie am 18. April und die 
Gefährlichkeit bakterieller Verunreinigung zu allerschärfster Kon 
trolle führt, die nicht nur vom Arzt und seinem Pflegepersonal 
durchgeführt wird. 
< Glocke des Präsidenten > 
Wir haben deswegen den öffentlichen Gesundheitsdienst, um 
auch eine Kontrolle der Ärzte untereinander durchzuführen. 
Präsident Lorenz: Herr Kollege, Sie sind bitte am Schluß, ja? 
< Beifall der CDU > 
Das Wort hat der Abgeordnete Mertsch. 
Mertsch (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle 
Fraktionen dieses Hauses haben - und daran besteht überhaupt 
kein Zweifel - ein Interesse daran, die Verhältnisse beim Berliner 
Blutspendedienst aufzuhellen. Es ist wohl auch bezeichnend, daß 
es die sozialdemokratische Fraktion war, die nach Bekanntwer 
den der Vorfälle darum gebeten hat, daß der Gesundheitsaus 
schuB in einer Sondersitzung die Fragen diskutiert, die sich in der 
Blutbank in der AmrumerStraße offenbart haben. Ich mache auch 
kein Hehl daraus, daß ich bei Betrachtung der letzten Wochen 
alles andere als glücklich darüber bin, wie der parlamentarische 
Ausschuß für Gesundheit und Umweltschutz vom Senat von Ber 
lin informiert wurde. Das ist die einhellige Auffassung aller Kolle 
gen, die in diesem Gremium arbeiten. Es würde bedeuten, die 
Realitäten unter den Tisch zu fegen, wenn man dies heute nicht (C) 
zugäbe. 
Ich will die ganze Problematik nicht unnötig dramatisieren, 
zumal man wenigstens auf eine positive Variante aufmerksam 
machen kann. Diese positive Variante besteht nach meiner Auf 
fassung darin, daß der Senat mit dem Berufen einer, wie wohl 
jeder zugeben muß, unabhängigen Kommission medizinischer 
Sachverständiger - auch über Berlin hinaus - von sich aus alles in 
die Wege geleitet hat, um die von uns zu Recht gestellten Fragen 
einer Klärung zuzuführen. Es spricht für die Qualität der dieser 
Kommission angehörenden Mediziner, daß sie ihren Bericht offen 
und schonungslos abgefaßt und dabei - was nicht immer üblich 
ist - Arztkollegen nicht geschont haben. 
Nun muß man aber die Angelegenheit insgesamt ein wenig 
relativieren. Sie alle wissen, daß in Berlin etwa 80000 bis 85000 
Blutspenden im Jahr in der Blutbank gesammelt werden, und - 
vielleicht sollte man das in diesem Zusammenhang auch erwäh 
nen - Zwischenfälle hat es bei dieser hohen Zahl von Blutkonser 
ven auch in den vergangenen Jahren gegeben. Die Kommission 
hat uns zwölf genannt. Ich will es nicht bagatellisieren, aber fest 
steht zumindest so viel: Zwischenfälle sind in dieser Häufigkeit 
auch üblich bei allen anderen Blutbanken, weil eben das letzte 
Risiko nicht ausgeräumt werden kann. 
Dennoch: Was uns die Kommission auf den Tisch gelegt hat, ist 
- ich kann die Bezeichnung, wie sie häufig in der Presse zu lesen 
war, nur aufnehmen - skandalös. Was sich dort abgespielt hat, 
war Schlamperei; selbst bei größtem Verständnis für die Tages 
routine ist das, was sich dort angesammelt hat, in keiner Weise 
hinzunehmen. Insoweit sind mindestens dem dortigen Leiter 
Mängel und Unterlassungen vorzuwerfen, und es ist auch die 
Frage zu stellen, inwieweit der Senator für Gesundheit und 
Umweltschutz als Aufsichtsbehörde seiner Pflicht, nachzufor 
schen und zu prüfen, immerund in jeder Weise gerecht geworden 
ist. 
Was tun wir nun in dieser Situation? - Ich bin sicher, daß es auf 
die Dauer keinem der mittelbar oderunmittelbarBetroffenen hilft, 
wenn wir uns auch über diese Aktuelle Stunde hinaus weiter über 
kritisch mit der Blutbank befassen. Es geht vielmehr darum, zer- 
störtes Vertrauen wiederherzustellen, denn das schlimmste, was 
uns als Folge der Diskussion der letzten Wochen passieren 
könnte, ist, daß potentielle Spender sich unter dem Eindruck die 
ser Debatte überlegen könnten, ob sie ihr Blut weiter in den Berli 
ner Blutspendedienst tragen. 
Nahezu unerträglich ist der Gedanke, daß Patienten bei der 
lebensspendenden Bluttransfusion im Krankenhaus oder an 
anderen Orten heute und in Zukunft fürchten müssen, daß Vor- 
und Zwischenfälle dieser Art sich in unzumutbarerZahl wiederho 
len könnten. 
Zum dritten: Es geht sicher auch darum, die aus den unter 
schiedlichsten Gründen verunsicherten Mitarbeiter des Berliner 
Blutspendedienstes wieder dazu zu motivieren, ihre Arbeit ord 
nungsgemäß und sachgerecht zum Wohle sowohl der Spender 
als auch der Patienten durchzuführen. 
Daß die Arbeitsbedingungen bei der Berliner Blutbank besser 
sein könnten, wissen wir. Es ist bedauerlich, aber auch so etwas 
wie ein Hoffnungsschimmer am Horizont, daß wir in spätestens 
zwei Jahren eine generelle Verbesserung dadurch haben werden, 
daß es eine zweite Blutbank an der Freien Universität in Steglitz 
geben wird. 
Noch etwas möchte ich in dieser Phase der Debatte zum 
Schluß sagen: Ich kenne den Kollegen Hasencleverzu gut, als daß 
ich ihm unterstelle, daß er hier wegen der Blutbank unangemes 
sen polemisieren möchte. Wir sollten alle aus den Erfahrungen, 
die wir um diese Diskussion gewonnen haben, lernen. Wir sollten 
aber auch eines dabei nicht vergessen, daß - wie es nun einmal 
dazu gekommen sein mag - allen denen auch unser Mitgefühl 
gehört, die durch diese Schlamperei gelitten haben. Nachdem ich 
von der Krankheit und auch der Schwere der Erkrankung eines 
der Betroffenen weiß, ist mein ganz persönlicher Wunsch - und 
ich hoffe, damit auch im Namen vieler Kollegen dieses Hauses zu 
sprechen - der, daß es diesem Patienten in recht naher Zukunft 
möglichst wieder so gut gehen möge, daß er die unangenehmen 
Erfahrungen, die er aufgrund der Verhältnisse beim Berliner Blut 
spendedienst hinnehmen mußte, bald überwunden hat. - Ich 
danke Ihnen sehr, 
< Allgemeiner Beifall >
	        
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