Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
28. Sitzung vom 29. Mai 1980
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Dr. Hassemer
(A) - Das ist unsere Art des Meinungsstreites. Herr Kollege Vetter.
Der Ihre ist schon anderer Qualität! Das muß ich zugeben. -
< Beifall bei der CDU >
In dieser Anfrage aus dem Jahr 1977 wollte Herr Momper wissen
- und ich fand das sehr begründet wann der Senat gedenkt,
ein Abfallbeseitigungsgesetz zu erstellen. Die prompte Antwort:
Wir haben einen Entwurf! Und ich muß sagen, 1980 sind wir
auf demselben Stand. Wir haben einen Entwurf, wir haben aber
noch nicht die Leistung.
< Beifall bei der CDU >
Herr Momper - zwar ein bißchen spät, aber immerhin - fragte
weiterhin 1977, wann das Abgeordnetenhaus die Abfallbeseiti
gungspläne bekommen würde. Wieder kam die prompte Ant
wort; Wir arbeiten daran, und wir werden wohl schon im Jahr 1977
die ersten Teilpläne fertigstellen.
< Feilcke (CDU): Aber nicht so hektisch, bitte! >
Der Begriff „Teilplan“, Herr Senator, „Abfallbeseitigungsplan“
kam in Ihrer Beantwortung der Großen Anfrage nicht vor. Sie
haben bis zum heutigen Tag es nicht geschafft, auch nur einen
Abfallbeseitigungsplan - also eine Planung alter Art nach dem
alten Abfallbeseitigungsgesetz - zu erstellen. Herr Senator,
wenn das so ist, wie sollen wir eigentlich, wie sollen die Bürger
hier in Berlin vertrauen können, daß Sie den sehr viel größeren
Anforderungen der Abfallwirtschaft gerecht werden können?
| Sie haben bis heute keinen einzigen Abfallbeseitigungsplan -
gerade hier in Berlin, einem überschaubaren Gebiet - auf die
Beine gebracht. Herr Senator, wenn Sie glauben, dazu in einer
Anfrage nicht Stellung nehmen zu müssen, dann ist das für Sie
schändlich. Die Leistung Ihrer Behörde zu diesem Teil des Um
weltschutzes ist wirklich im negativen Sinne beeindruckend.
Das heißt, alles das, was sorgfältig abgestimmte Planung im
Bereich der Abfallbeseitigung und der Abfallwirtschaft angeht,
alles das, was seit Jahren an Instrumenten vorgeschrieben ist
und seit Jahren zu Verfügung steht, haben Sie in Berlin im
Gegensatz zu manchen abgelegenen Gebieten in Westdeutsch
land, die dieses Know-how und diese Berliner Probleme nicht
haben. Diese Gemeinden haben es aber alle besser gemacht
(B) als Sie. Herr Senator, Sie sagen dazu in der Beantwortung der
Großen Anfrage kein Wort. Sie sagen - und damit haben Sie
Recht -, daß Sie immer erklärt haben, daß Sie die Ziele der
Abfallwirtschaft verfolgen. Das sind Probleme, die wir mit man
chen anderen Senatoren auch haben. Sie sind aber nicht in
Ihr Amt gekommen, um Erklärungen abzugeben, Sie sind hier
nicht als Schöngeist gewählt, Sie sind gewählt worden, um poli
tische Fakten zu setzen, um auf diesem Gebiet etwas zu tun.
Das haben Sie aber nicht getan!
< Beifall bei der CDU - Zuruf des Abg. Wartenberg (SPD) >
- Daß ausgerechnet Sie, Herr Wartenberg, sich zu diesem Be
griff hier melden, ist etwas fahrlässig, das muß ich schon sagen.
I Sie wissen, wir von der CDU haben gestern in dem dafür
zuständigen Forum die kompetenten Experten aus dem übri
gen Bundesgebiet eingeladen. Da haben wir folgendes gehört,
Herr Senator, auf das Sie im Vergleich Ihrer Leistungen einge-
hen sollten: In Berlin werden zur Zeit etwa zwei Drittel der Ab
fallmengen deponiert oder in die DDR verkauft. Wir haben
gestern über den Umlandverbund Frankfurt gesprochen. Das
ist die unmittelbare Gegend um Frankfurt. Wir haben gehört,
daß in Frankfurt schon zum heutigen Zeitpunkt nur 43% der
Abfallmenge deponiert werden, in Berlin zwei Drittel. Und die
Planung für Frankfurt ist, daß 1987 - und das ist etwa die
Situation, in die wir ja auch hineinkommen mit der Neuverhand
lung des Müllvertrages 1984 - -
< Momper (SPD): Ja, und wo bleibt der Rest?
Der wird doch verbrannt! >
- Herr Momper, dazu komme ich gleich. - Für 1987 ist für Frank
furt vorgesehen, daß nur noch 20% der anfallenden Müllmenge
deponiert werden. Wssen Sie, wenn Sie das auch nur annähernd
in Einklang bringen wollen mit dem Müllvertrag, dann müssen
Sie wirklich den Müllvertrag vollkommen neu verhandeln.
Dann ist es natürlich auch verständlich, Herr Senator Pätzold,
daß jeder hier in Berlin, der etwas von der Verwertung versteht,
hinter vorgehaltener Hand ganz deutlich sagt, daß uns dieser
Senat bei der Wiederverwertung nicht nur nicht fördert, sondern
er hindert uns auch, weil er den Müll braucht, um ihn an die
DDR zu verkaufen. Das weiß doch jeder hier in Berlin, der sich
mit der Materie befaßt.
Wir müssen konstatieren, daß wir die Deponien, die Ver- (C)
bringungsmengen nicht verringern, sondern daß wir uns ver
pflichtet haben, in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr
jeweils 100 000 t mehr zu deponieren. Das ist die Situation, in
der wir leider bis 1984 sein werden. Damit Sie aber diese deso
late Planung, diese falsche Vertragsverhandlung nicht auch
1984 machen, bitten wir Sie inständig, Herr Senator: Beginnen
Sie heute mit allen, die davon Ahnung haben - und die sitzen,
ich will es einmal vorsichtig sagen, nicht nur in Ihrer Verwaltung -
mit der Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes bis 1984.
< Beifall bei der CDU >
1984 wird neu verhandelt. Sie machen jetzt bis 1984 entweder
die alten Fehler, oder Sie machen einen neuen Anfang. Machen
Sie bitte diesen neuen Anfang. Fragen Sie, ob - Herr Momper.
das ist der Punkt - wir im Gegensatz beispielsweise zu Frankfurt
gerade im Bereich der Wiederverwertung - das ist die moderne
Art des Wiederverwendens von Abfällen -, im Bereich der ge
trennten Sammlung, ob wir in der Wiederrückgewinnung von
Wertstoffen aus Abfall, ob wir da nicht gerade in Berlin ein
großes Stück weiterkommen können. Wir sind hier eine Insel,
und diese Insel hat bei der Frage der Rohstoffe zwei Transport
wege. Sie muß die Rohstoffe hertransportieren und die Abfälle
wegtransportieren. Gerade wir müßten bei der Wiederverwen
dung strahlend an der Spitze stehen, Herr Senator.
< Beifall bei der CDU - Gelächter des Abg. Momper (SPD) >
- Herr Momper lacht. Ich kann mir vorstellen, daß Sie, die Sie
die Gesundheitsverwaltung noch besser kennen als wir, auch
glauben, daß die es nicht schaffen. Aber, Herr Momper, wir müs
sen das für Berlin schaffen. Wir müssen das für Berlin wirklich
hinkriegen. Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren, daß es
wirklich gelingt.
Wir brauchen also im Bereich der Wiederverwertung, im
Bereich der getrennten Sammlung Fortschritte.
Wir brauchen zweitens die Überlegung und die Planung, ob
wir nicht auch moderne Technologie einsetzen. Sie haben das
so abgewertet als gäbe es das nicht. Es gibt natürlich inzwi
schen moderne Technologie, die die Wertstoffe aus Abfällen , Q >
zurückgewinnt. Das haben Sie in Ihrer Verwaltung nur noch
nicht gehört. Es gibt die, und zwar in großen Anlagen. Wir wollen
aber keine große Anlage für Berlin. Wir wollen einen Vorschlag,
der gestern hier von einem TU-Professor vorgebracht worden
ist, aufgreifen: Versuchen Sie doch, bei Ihrer Umladestation eine
Koppelung mit einer bescheideneren Rückgewinnungsanlage
für Werkstoffe als etwa in Herten.
Wir müssen auch die Müllverbrennungsanlage bei diesen
grundsätzlichen Überlegungen bis 1984 wieder in Erwägung
ziehen, natürlich in der richtigen Abstimmung. Mir ist prinzipiell
der Müll, den wir hier verbrennen und damit Energie gewinnen,
diese Art der Verwertung des Mülls ist mir eigentlich viel lieber,
und die ziehe ich vor gegenüber der Art, sich mit Autos an die
Grenze zu begeben und den Müll an die DDR zu verkaufen.
< Wronski (CDU): Nun hören Sie auf mit „Verkaufen“,
bezahlen müssen wir das! >
Und viertens, Herr Senator, wenn wir von Wiederverwertung
sprechen, so dürfen wir nicht nur sagen, es gibt im Absatz große
Probleme, sondern Sie müssen Ihre Aufgabe erkennen als je
mand, der für die Abfallwirtschaft zuständig ist. Sie müssen Ihre
Aufgabe erkennen, diese Absatzprobleme auch mit staatlichen
Mitteln möglicherweise zu entschärfen. Wir müssen uns über
legen, wo die Engpässe im Absatz sind und dann mit Hilfe etwa
im Bereich der Grundstücke oder auch mit Förderungsmitteln
eingreifen. Ich fördere lieber Privatuntemehmen, die Wieder
verwertung machen, als die DDR, Herr Momper, ich jedenfalls,
< Beifall bei der CDU >
so daß wir also im Ergebnis spätestens ab heute von Ihnen die
Arbeiten für ein abgestimmtes Abfallwirtschaftskonzept erwar
ten. Nur so können Sie 1984 in die Verhandlungen mit der DDR
gehen. Wenn Sie das nicht tun. arbeiten Sie wie in der Ver
gangenheit weiter falsch, und das würde uns allen schaden!
< Beifall bei der CDU >
Stellv. Präsident Baetge: Als nächster Redner hat der Abge
ordnete Momper das Wort.