Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
26. Sitzung vom 8. Mai 1980
Oxfort
(A) Gewässerschutz hinsichtlich der Werra vorgesehen; ich bringe
hier die Hoffnung meiner Fraktion zum Ausdruck, daß es gelingen
möge, Berlin in eine solche künftige Regelung mit einzubeziehen,
so, wie das auch in früheren anderen Fällen der Fall gewesen ist.
< Beifall bei der F.D.P. und der SPD >
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Ich will nicht verhehlen, daß ich mich über die letztlich konstruk
tive Haltung von Herrn Diepgen gefreut habe - am Tage der Be
rn» schlußfassung über die Vereinbarung -, muß aber gleich hinzu-
' fügen, daß diese Freude nach dem Diskussionsbeitrag des Kolle
gen Lummer wieder arg getrübt ist. Mir scheint, die neue CDU hält
im Parlament die alten Reden.
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. -
Unruhe bei der CDU >
die Gegner der Entspannungspolitik von damals einräumen wür
den, daß sie sich letztlich in diesem entscheidenden Punkt geirrt
haben.
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Der Senat von Berlin hat sich vor der Entscheidung des Bundes
kabinetts am 30. April sehr ausführlich mit den einzelnen Teilen
der neuen Vereinbarungen beschäftigt. Wir sind nach Abwägung
aller Gesichtspunkte zu der Feststellung gekommen, daß diese
Vereinbarungen unsere politische Zustimmung erhalten. Wir
danken der Bundesregierung, daß sie sich erneut in so starkem
Maße engagiert hat, und wir freuen uns, daß unsere Schutzmächte
den Ergebnissen auf Punkt und Komma zugestimmt haben.
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Wenn man nun schon über viele Jahre an innerdeutschen Ver
handlungen mitwirkt, dann weiß man auch, daß der Spielraum für
praktische Lösungen oft genug eingegrenzter ist, als es außen
stehende sich vorstellen. Schon deshalb möchte ich jene Art von
Kritik zurückweisen, die letzten Endes nicht sachlich begründet
ist, sondern lediglich darauf abzielt, dumpfe Vorurteile zu mobili
sieren.
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Meine Damen und Herren von der CDU! Die Regierung der Bun
desrepublik Deutschland wirft der DDR kein Geld in den Rachen,
wie das einer der Ihren gesagt hat, sondern sie setzt Finanzmittel
ein, um der geteilten Nation und um Berlin zu helfen!
< Beifall >
Unterlassen Sie doch deshalb bitte Berechnungen, die vielleicht
sogar buchhalterisch korrekt sein mögen, aber außer acht lassen,
daß es hierbei letztlich um längerfristige Investitionen für Deutsch
land geht.
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Das neue Verhandlungsergebnis eröffnet die Perspektive für
weitere Gespräche und Vereinbarungen. Ich nutze die Gelegen
heit, um zu betonen, daß diese so umfassend wie möglich angelegt
sein müssen, das heißt, sie sollen den Rahmen technisch-wirt
schaftlicher Gespräche nach Möglichkeit im Interesse der Men
schen in beiden deutschen Staaten übersteigen. Ich weiß mich
mit dem Bundeskanzler in dieser Zielsetzung einig; wir sind in
dieser Frage abgesprochen. Ich benutze gleichfalls die Gelegen
heit, ausdrücklich zu begrüßen, daß der Bundeskanzler in Belgrad
mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden zusammentrifft, um in
schwieriger Zeit über die Lage und über die Perspektiven und
über den Weg zu sprechen. Ich bin mir mit dem Bundeskanzler
auch darin einig, daß Berlin mit seinen Verkehrs- und Energie
interessen ein wichtiger Bestandteil in der aufzubauenden neuen
Verhandlungskonzeption für die Bundesrepublik sein muß. Es
bleibt aber auch richtig - da folge ich Herrn Kollegen Lummer
daß eine Verkürzung des innerdeutschen Dialogs auf den Punkt
Berlin unangebracht wäre. Gerade wir Berliner müssen Verständ
nis für die innerdeutschen Notwendigkeiten insgesamt haben.
Das kommt ja auch darin zum Ausdruck, daß die jetzt zu bewerten
den Vereinbarungen eben nicht nur Berliner Punkte enthalten,
sondern - das kann am Beispiel Werra nachgewiesen werden -
insgesamt innerdeutsche Vereinbarungen sind.
Das Abgeordnetenhaus hat vor 14 Tagen an einer gemeinsamen
Entschließung an die Grundlagen erinnert, die wir zur Aufrecht
erhaltung der Sicherheit einerseits und zur Fortführung der Ent
spannungspolitik andererseits brauchen. Es hat sich gezeigt, daß
der eingeschlagene Weg nach wie vor gangbar ist. Es ist ein Weg
zur Sicherung des Friedens, und wir beschreiten ihn immer noch -
und das muß, glaube ich, heute am 8. Mai gesagt werden - auf den
politischen Trümmern eines Krieges, den wir Deutsche begonnen
haben und der in so furchtbarer Logik auf uns zurückgeschlagen
hat. Der Senat von Berlin unterstreicht deshalb heute am 8. Mai.
daß er mit der Unterstützung des Hauses den Weg einer konstruk
tiven innerdeutschen Politik auch weiterhin beschreiten wird.
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Präsident Lorenz; Das Wort hat der Abgeordnete Führer.
Führer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Regierender Bürgermeister, Sie haben zu der Rede des Vorsitzen
den meiner Fraktion Kritik geäußert; mit ist dabei aufgefallen, daß
Sie aber vorher Ihr Manuskript umgeblättert haben, um nachzu-
Natürlich sind auch beim Abschluß dieser innerdeutschen Ver
einbarungen Wünsche offengeblieben. Das gilt für Staaken, das
gilt für die Stichstraße nach Niedersachsen, Punkte, um die sich
die Bundesregierung noch weiter bemühen wird. Aber bei jedem
Abschluß im innerdeutschen Bereich in den vergangenen zehn
Jahren sind Wünsche offen geblieben, und dennoch war der ein
geschlagene Weg nicht falsch, sondern richtig, weil wir eben
wissen, daß wir nur schrittweise vorankommen und nicht anders.
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Von besonderer politischer Bedeutung ist, daß die neuen Ver
einbarungen trotz der gegenwärtigen Weltlage zustande kamen.
Dieser Umstand zeigt, daß das in den letzten zehn Jahren ge
knüpfte Netz von Verträgen und Vereinbarungen und Kontakten
immerhin so sicher ist, daß es auch bei politischen Krisen nicht
platzt wie eine Seifenblase.
< Zuruf von der CDU: Das wird sich erst zeigen! >
Ich will nicht so weit gehen, zu behaupten, daß wir den Punkt
der Unumkehrbarkeit erträglicher innerdeutscher Verhältnisse
bereits erreicht hätten. Dafür bleiben die Differenzen zwischen
den beiden deutschen Staaten, zwei unterschiedlichen Gesell
schaftsordnungen, zwei unterschiedlichen Bündnissystemen,
insgesamtzu groß. Und wir haben vorhin auch an diesem Vorgang
in Berlin gesehen, wie groß diese Differenzen in prinzipiellen
Fragen sind.
Aber, die Ergebnisse von zehn Jahren Entspannungspolitik sind
auf alle Fälle sehr viel stabiler, als selbst Optimisten es für möglich
gehalten haben.
< Beifall >
Deshalb meine ich: Es würde für das innenpolitische Klima in
unserem Land, insbesondere in unserer Stadt, sehr viel bedeuten,
wenn heute aus Anlaß der Beratungen solch neuer Vereinbarungen
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Regierende Bürgermeister!
Stobbe, Regierender Bürgermeister: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es ist nicht nur eine Selbstverständlichkeit,
sondern geradezu notwendig, daß Senat und Abgeordnetenhaus
die neuesten Ergebnisse des politischen Dialogs zwischen beiden
deutschen Staaten diskutieren und bewerten.
Selbstverständlich ist eine solche Aktuelle Stunde, weil sie dem
Anspruch gerecht wird, den Berlin in seiner besonderen Rolle
immer erheben muß, notwendig, weil von der parlamentarischen
Auseinandersetzung über die Bewertung von Verträgen, Verein
barungen, Abmachungen neue Impulse für innerdeutsche Schritte
ausgehen.
Sozialdemokraten und Freie Demokraten machen heute deut
lich, daß sie die neuen Vereinbarungen begrüßen und die politi
sche Gesamtkonzeption weitertragen, die auch diese innerdeut
schen Ergebnisse ermöglichten.
Die CDU, am Tage der Entscheidung des Bundeskabinetts in
Bonn, kritisiert die Vereinbarungen als zu teuer, als nicht aus
reichend, als Flickschusterei. In Berlin sagt Herr Diepgen, die Ver
einbarungen seien im Interesse der Stadt zu begrüßen. Das ist,
meine Damen und Herren, ein Schwanken zwischen Nein und Ja,
das zeigt erneut die Zweifel und Ängste der Opposition gegnüber
dieser Gesamtkonzeption, wo doch im Interesse der Berlin- und
Deutschlandpolitik, der Lebensfrage deutscher Politik überhaupt,
Klarheit vonnöten wäre.
1121