Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
25. Sitzung vom 24. April 1980
Diepgen
ft) unter planerischen Gesichtspunkten einmal der Öffentlichkeit
konkret mitgeteilt werden muß, hier dieser Öffentlichkeit wirklich
einmal mitzuteilen. Der Senat hat sich vielmehr, wie insbesondere
bei der Beantwortung der ersten Frage der Großen Anfrage deut
lich wird, in Allgemeinplätzen verloren. Es war wenig Neues, was
der Senator für Bau- und Wohnungswesen vorgetragen hat.
Es gibt einige Teilaspekte, die einer näheren Erörterung bedür
fen-sicherlich. Ich will auch durchaus einräumen, daß es einzelne
Planungen gibt, wo der Einzelorganismus vielleicht stimmig ge
plant wird und auch vielleicht stimmig gestaltet werden kann. Es
gibt auch einen Teilaspekt hinsichtlich der Frage, wie durch die
Internationale Bauausstellung das individuelle Wohnbedürfnis
der Berliner befriedigt werden kann, einen Teilaspekt, aber es
gibt nirgends die Gesamtantwort.
Wir haben bewußt gefragt, welchen Stellenwert die Internatio
nale Bauausstellung für die Stadtentwicklungsplanung in Berlin
hat. Das ist die Kernfrage der Großen Anfrage, und es ist wahr
scheinlich bezeichnend, daß von allen Teilaspekten dieser Gro
ßen Anfrage, bis auf die Frage nach der Aufgabe des Amtes durch
Herrn Jordan, diese Kernfrage der Großen Anfrage am kürzesten
beantwortet worden ist. Sie ist offensichtlich deswegen am kür
zesten beantwortet worden, weil keine Antwort gegeben werden
kann, weil ein in sich geschlossenes, integriertes Planungskon
zept bei diesem Senat nach wie vor nicht vortiegt.
< Beifall bei der CDU >
Das ist der entscheidende Mangel, den wir zu beklagen haben.
Wenn man das etwas vereinfacht ausdrückt, kommt man doch
zu folgendem Ergebnis: Es gibt lediglich zwei Vorgaben des Se
nats für die Planer, für die GmbH. Die erste Vorgabe ist, wir verla
gern die Zielsetzung, die Innenstadt als Wohnort attraktiv zu ma
chen, die Bautätigkeit von den Außenbezirken in die Innenstadt.
Und die zweite Vorgabe ist; Seht mal zu, an welchen Standorten
ihr das im einzelnen machen könnt. Wie man Briefmarken irgend
wo auf ein Stück Papier kleben kann, so werden die Standorte für
die Internationale Bauausstellung ausgewählt. Was fehlt, ist das
Gesamtgerüst, was fehlt, ist die städtebauliche Gesamtkonzep
tion.
Herr Senator, ich bedauere, daß Sie hier mit einem Nebensatz,
nach meinem Eindruck recht überheblich, über die Forderung des
Architekten- und Ingenieurvereins der Stadt hinweggegangen
sind, so etwas wie einen Gesamtwettbewerb städtbaulicher Ent
wicklung in Berlin durchzuführen. Es geht gar nicht darum, daß
man bei einem solchen Gesamtwettbewerb in allen Einzelheiten
für jeden einzelnen Bezirk ein Konzept entwickelt, aber es geht
darum, daß man die Strukturen klarlegt, wo zum Beispiel gewohnt
wird, wie die Verbindung zwischen Gewerbe und Wohnen ist, wo
die Freizeitflächen in dieser Stadt genau angesiedelt werden.
Darum geht es, und es geht um die städtebaulichen Verbindun
gen.
Wenn ich vorhin gesagt habe, daß es durchaus möglich ist, daß
Teilbereiche der Planung dieser Internationalen Bauaussfellung
einen in sich gesunden Einzelorganismus ergeben können, dann
kommen wir ja auch auf die Fragestellung der zwei Kernprobleme
der Stadtplanung. Wir müssen nämlich für die Bevölkerung Iden
tität ermöglichen in dem Wohnort. Das ist vielleicht möglich. Es
gibt noch einen zweiten wichtigen Aspekt, das ist die Kommuni
kation und die Kommunikationsmöglichkeit. Wenn ich mir dieses
vor dem Hintergrund der bisherigen Planung ansehe, dann fehlt
einfach Vieles, weil die Grundvoraussetzungen eines städtebau
lichen Gesamtkonzeptes nicht vorliegen.
Der Herr Bausenator hat hier den Versuch gemacht, einfach die
Behauptung aufzustellen, durch die Internationale Bauausstel
lung würden Baulücken geschlossen. Er hat sich dann auf eine
Frage der Definition des Begriffs Baulücken in Einzelbereichen
eingelassen. Bei unserer Fragestellung ging es jedoch darum,
ob die Chancen genutzt werden, die kriegsbedingten Baulücken
der Innenstadt zu schließen. Da ging es darum, ob jeweils die An
bindung der einzelnen städtebaulichen Schwerpunkte, nicht nur
der Internationalen Bauausstellung, sondern auch der kommu
nalen Bauvorhaben, gesichert ist. Und da bleiben doch einfach
Fragen offen, von denen ich einige erwähnen möchte.
Ich darf dabei Bezug nehmen auf das, was der Architekten- und
Ingenieurverein vorgetragen hat. Wie ist die stadträumliche Ver
bindung zwischen Wedding und Schöneberg, zwischen Charlot
tenburg und Kreuzberg im Bereich des Bezirks Tiergarten zu be
gründen und zu konzipieren? - Keine Antwort, keine Vorgabe
bisher! Wie ist die Verbindung zwischen Bellevue / Kongreß- (C)
halle / Reichstag einerseits und dem kulturellen Forum / Phil
harmonie / Nationalgalerie / Staatsbibliothek / Museen mit dem
Zoo und der Südlichen Friedrichstadt andererseits?
Wie sind denn diese Verbindungen herzustellen? Meine Da
men und Herren, wir kommen überall zu dem Ergebnis, daß wie
Briefmarken irgendwo etwas in die Stadtlandschaft geklebt wird.
Aber, meine Damen und Herren, aus Briefmarken wird nicht plötz
lich eine Briefmarkensammlung. Man kann auch nicht so verfah
ren, daß man irgendwo ein Mosaiksteinchen fallenläßt und dar
auf vertraut, daß irgendwann aus den Steinen schon einmal ein
Mosaik werden wird. Herr Bausenator, eine der simpelsten Er
kenntnisse von Kleinkindern beim Puzzlespiel ist es, daß man bei
diesem Spiel wissen muß, welches Bild man zusammenstellen will
ehe man mit dem Puzzle im einzelnen anfängt. Doch diese Grund
erkenntnis von Kleinkindern wird offensichtlich von Ihnen in Ihrer
Bauplanung insgesamt nicht berücksichtigt,
< Beifall bei der CDU >
Meine Damen und Herren, damit ist ein wichtiger Teilaspekt
dieser Internationalen Bauausstellung und der mit ihr verbunde
nen Chancen einfach verpaßt worden. Ich habe eben gesagt, daß
es einige Aspekte bei der Antwort des Bausenators gibt, die im
einzelnen überprüft werden müssen. Wir werden darauf auch im
einzelnen eingehen. Nur eines darf eben nicht geschehen. Dieses
Abgeordnetenhaus darf es nicht widerspruchslos hinnehmen,
daß ohne ein klares Gerüst des Städtebaus in wichtigen Teilberei
chen gebaut und geplant wird und diese Planung dann nicht mehr
in Übereinstimmung gebracht werden kann.
< Vereinzelter Beifall bei der CDU >
Stadtpolitik, und damit muß ich mich dann an den Regierenden
Bürgermeister wenden, setzt voraus, daß man sich über Funktio
nen und Aufgaben dieser Stadt klar wird und die Perspektiven der
Stadtentwicklung genau definiert. Nichts ist bisher vorgelegt wor
den. Bisher sind wir nichteinen Schritt weitergekommen, als eben
zu jenem bunten Bilderbuch, das für den Wahlkampf 1975 von
Ihrem Vorgänger, Herr Stobbe, vorgelegt wurde. Nicht einen
Schritt sind wir weiter gekommen!
(D)
Ich möchte mich damit einem zweiten Problemkreis zuwenden,
der nach meiner Auffassung besonders wichtig ist für die Einord
nung dieser Internationalen Bauausstellung. Das ist das Problem,
das sich hinter der Frage 3 verbirgt. Welchen Beitrag sollen Mo
dellvorhaben und Baumaßnahmen der Internationalen Bauaus
stellung leisten, um die individuellen Wohnbedürfnisse der Ber
liner Bevölkerung zu befriedigen? Sie haben hier einige Punkte
genannt. Allerdings ist nur eines wirklich neu, das andere ist völlig
unbefriedigend. Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, daß in den
Vorhaben der IBA ein Querschnitt durch die verschiedenen sozia
len Gruppen angesiedelt werden soll. Und sie haben einen Teil
aspekt genannt, der neu ist. Hinterhäuser und Gartenhäuser
könnten auch vor Entkernung noch renoviert werden. Erst später
müsse man zu einem Gesamtkonzept kommen. Das ist meines
Erachtens das einzig Neue, das Sie heute hier ausgeführt haben.
Nur, wenn Sie eine Mischung von sozialem Wohnungsbau, von
steuerbegünstigtem Wohnungsbau und von freifinanziertem
Wohnungsbau vornehmen, dann führt das doch nicht zu der an
gestrebten stadttypischen Mischung der Bevölkerung. Die ist
doch damit nicht zu erreichen. Sie ist deshalb schon nicht zu er
reichen, weil durch die Einkommensgrenzen im sozialen Woh
nungsbau nur eine bestimmte Gruppe der Bevölkerung diese
Wohnungen mieten kann und weil die Bauvorhaben außerhalb
des sozialen Wohnungsbaues von niemandem finanziert werden
können. Die Mieten werden zu hoch. Insofern führt das dazu, daß
Sie, Herr Bausenator, eben nichts Modetlhaftes hinsichtlich der
Bevölkerungsentwicklung mit dieser Internationalen Bauausstel
lung verbinden. Absolute Fehlanzeige, weil Sie mit dem Problem
der Fehlbelegungen, mit dem Problem der Wohnungspolitik ge
nerell in dieser Stadt keinen einzigen Schritt vorankommen und
auch die Internationale Bauausstellung dazu nicht nutzen.
Meine Damen und Herren, nun kann man die Frage stellen: Hier
sind Teilaspekte der Planung nicht ausreichend berücksichtigt,
kann man vielleicht doch noch ein Gesamtplanungskonzept der
Internationalen Bauausstellung zugrunde legen? Es gibt die Über
legung der Verschiebung. Ihr kann man nahetreten, nämlich dann,
wenn man glaubt, eine solche Verschiebung kann wirklich etwas
bringen, kann die Lücken füllen, die ganz offensichtlich geworden
sind. Ich behaupte allerdings, diese Lücken können nicht gefüllt
werden durch eine einfache Verschiebung. Ich betone hier aus-
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