Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
25. Sitzung vom 24, April 1980
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Simon
A) Ausgleichszahlung nach § 7 Wohnungsbindungsgesetz an. Es
würde bedeuten, daß der Mieter die bei Fertigstellung der Projekte
geltende Bewilligungsmiete - zur Zeit 5,24 DM - zuzüglich einer
einkommensabhängigen Ausgleichszahlung leisten müßte. Die
Höhe der Ausgleichszahlung ist zu schematisieren und klassifi
zieren. Da danach jeder Bürger Zugang zu allen Wohnungen hat,
wird die Höhe der Ausgleichszahlungen vorher durch das Landes
wohnungsamt, später durch das Finanzamt festgestellt.
< Lorenz, G. (SPD): Alles nur bei der IBA! >
Hier teilen wir die Auffassung des Kollegen Vetter, Wohnberech-
tigungsscheine im eigentlichen Sinne wären nicht mehr erforder
lich. Die Ausgleichszahlungen sollen im Abstand von fünf Jahren
überprüft werden. Sie fließen in einen neu zu errichtenden Woh
nungsbaufonds, der die Mittel für eine verstärkte Neubautätigkeit
und Modernisierung zur Verfügung stellt,
< Lorenz, G. (SPD): Sie erzählen doch, was nicht
zur Sache gehört! >
- Mit der Realisierung eines solchen Programms - Herr Kollege
Lorenz, es wäre vielleicht besser, Sie würden dafür einmal einige
kritischere Gedanken verwenden als in der vorigen Sitzung; wenn
Sie sich Ihre Rede durchlesen, werden Sie sicherlich rot werden,
sich hier hinzustellen und Behauptungen aufzustellen, die einfach
nicht stimmen! - läßt sich eine Vielzahl von wohnungspolitischen,
baupolitischen und finanzwirtschaftlichen Zielen abdecken. -
Herr Kollege Lorenz, ich weiß nicht, ob Sie noch einmal den
Mut haben, hier zu reden. Tun Sie es dann bitte nachher. Lassen
Sie mich jetzt weiterreden.
Insgesamt soll die öffentliche Hand im Finanzierungsbereich
entlastet und eine ideale Durchmischung der Projekte in allen
Bereichen erreicht werden. Wir haben hierzu eine Reihe von kon
kreten Vorschlägen zur abgestuften Finanzierung, Herr Senator,
die wir Ihnen in Kürze überreichen werden. Wir werden Ihnen Mo
dellrechnungen übergeben, aus denen Sie erkennen können, wie
sich etwas gestalten läßt, und hoffen, damit einen Beitrag dazu zu
leisten, wie man mit diesem Riesenprojekt vorankommt. Wir sind
gespannt, was Sie anschließend zu diesen Ihnen ja nicht neuen
' Vorschlägen hier und heute dem Parlament mitteilen werden.
< Beifall bei der CDU >
Zur Frage 4: Hier wäre zunächst ein Wort des Senators darüber
erforderlich, welche Standorte denn nun überhaupt endgültig
festgelegt sind, aus welchen stadtplanerischen Gründen dies ge
schehen ist und wieso andere Standorte und aus welchen stadt
planerischen Gründen nicht in das Programm aufgenommen
wurden. Der Senat muß uns hier sicher auch erläutern, welche
Ziele er mit welchen Bauvorhaben auf welche Art verfolgen will.
Wir erwarten daher, Herr Senator, Aussagen von Ihnen zu Fragen
wie - ich nenne einmal einige -:
1. Wo sollen Wohnungen gebaut werden, die Platz bieten für
Kinder, große Familien, Ausländer und Senioren? Wo sollen Woh
nungen gebaut werden, die das Zusammenleben unterschiedli
cher Gruppen und Altersstufen ermöglichen?
2. Wo sollen Wohnviertel entstehen, in denen unterschiedliche
Bevölkerungsgruppen sich ansiedeln und Zusammenleben?
3. Wo sollen Wohnviertel entstehen, in denen öffentliche so
ziale Einrichtungen in beispielhafter Form vorhanden sind?
4. Wo sollen Wohnviertel hinkommen, in denen die Zuordnung
der unterschiedlichen Lebensfunktionen beispielhaft gelungen
ist? Ich nenne stichworthaft die Funktionen Wohnen, Arbeiten,
Freizeit, Dienstleistung und Verkehr.
5. Wo sollen Wohnviertel entstehen, die historischen Linien
nachempfunden sind, zum Beispiel Stadt der Preußen - in Verbin
dung mit der Ausstellung von der IBA immer wieder genannt, und
auch in ihren Papieren -, Stadt der Hugenotten usw.?
6. Wo sollen Wohnungen gebaut werden mit beispielhaftem
natürlichem Umfeld, in das sie eingefügt sind?
7. In welcher Art und wo errichtet der Senat Gebäude oder hat
er vor zu errichten, in denen neue Formen besonders preiswerten
Bauens realisiert werden, oder Gebäude, die beispielhaft für
Energie- und Ressourcensparen konzipiert wurden?
8. Wo und wie würden umweltfreundliche ökologische Bau
weisen zur Anwendung gelangen?
9. Wie und wo soll die Erarbeitung von zukunftsweisenden (C)
Möglichkeiten der Wohnungseigentumsbildung in Großstädten
erfolgen?
10. Wo sollen Bauvorhaben entstehen, die bereits wertvolle
Bereiche enthalten oder weiterentwickeln, die Berliner Anzie
hungspunkte und Besonderheiten fördern sollen?
11. Wo werden Bauvorhaben entstehen, die Berlin als Zentrum
von Kultur, Wissenschaft und Forschung zeigen?
12. Und dies steht bei uns nicht an letzterstelle, sondern an er
ster Stelle: Wie soll die Bauplanung der politischen Rolle Berlins
insgesamt - ich nenne das Stichwort Hauptstadtfunkfion - ge
recht werden?
Herr Senator, Sie haben gerade Anfang der Woche genau wie
wir das Papier des AIV bekommen, der sehr klar und sehr deutlich
sagt, daß das die ganze Crux der Stadtplanung und gerade der
IBA ist, wo sich das ganz besonders deutlich zeigt, daß jede poli
tische Vorgabe für diesen Bereich absolut fehlt. Herr Senator, sie
haben heute die Gelegenheit, dieses hier zu korrigieren. Wir for
dern Sie auf, alle diese Fragen zwei Jahre nach der Senatsvorlage
schlicht und ohne allzu viel Drumherumgerede, wenn ich bitten
darf, zu beantworten. Wir hoffen, daß Sie dies tun werden.
< Beifall bei der CDU >
Zur fünften Frage: Zu den Ursachen der personellen Verände
rungen der Geschäftsführung der Internationalen Bauausstellung
GmbH habe ich mich aus der Sicht der CDU schon einleitend ge
äußert, so daß ich dies nicht zu wiederholen brauche. Wichtiger
erscheint der Öffentlichkeit, welche Auswirkungen diese Dinge
nun auf Inhalt und Terminplanung der Internationalen Bauaus
stellung haben sollen. Soll das Ganze vielleicht-wie in den letzten
Tagen von seiten des Senats geschehen, diesen Eindruck hatten
wir-als eine Art Betriebsunfall ohne weitere Folgen herunterge
spielt werden? Oder ist der Senat in der Lage und bereit, Konse
quenzen aus dem bisherigen Versagen zu ziehen?
Und dann einige Bemerkungen zur sechsten Frage; Offensicht
lich ist doch bisher überhaupt keine klare Abgrenzung der Kom
petenzen erfolgt. Die IBA-GmbH fühlt sich - und handelt auch da
nach - als eigentliche Bauverwaltung, ohne die entsprechenden (D)
Kompetenzen zu haben. Hierfür geben Ihnen Ihre Abteilungsleiter
sicher gern mittlerweile seitenweise Beispiele, ebenso die Be
zirksverwaltungen und die anderen Stellen, die mit der IBA zu tun
haben. Dem Abgeordnetenhaus stellt sich die Frage nach der Ver
antwortlichkeit des Parlaments und nach den Möglichkeiten sei
ner Einflußnahme.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Schluß zusam
menfassen: Der bisherige Planungsverlauf ist - neben den per
sonellen Dingen - ein einziger Skandal.
< Beifall bei der CDU - Lorenz, G. (SPD): Noch nie eine
Rede von Simon gehört, in der nicht das Wort „Skandal"
vorkam! >
Ich sage das, Herr Senator, ohne jede Schadenfreude, ohne jede
Polemik. Da gibt es einen Senat, der Mitte 1978 eine Vorlage auf
grund konkreter jahrelanger Vorarbeiten für eine Internationale
Bauausstellung Berlin 1984 fertigt. Da stellt der Senator für Bau-
und Wohnungswesen Anfang Februar 1980 der staunenden Welt
öffentlichkeit diese mittlerweile überarbeitete Planung vor. Und
da ist bis heute weder stadtplanerisch noch finanziell irgend
etwas abgesichert.
< Lorenz, G. (SPD): Das Gejaule nutzt sich ab! >
- Wer dieses, Herr Kollege Lorenz, wie Sie eben, als Gejaule be
trachtet, der hat, meiner Meinung nach, eine seltsame Anschau
ung der Dinge, die in dieser Stadt passieren.
< Lorenz, G. (SPD): Sie jaulen aber immer, das
ist hier heute nicht das erste Mal! >
Der von Fachleuten geforderte-und die CDU-Fraktion hat dieses
imm^r wieder unterstützt - große städtebauliche internationale
Wettbewerb hat bis heute nicht stattgefunden und ist offenbar
auch nicht geplant. Die Auswahl der Gebiete erfolgt offensichtlich
nach allen möglichen Kriterien, nur nicht nach planerischen Krite
rien. Ich erinnere an das Beispiel Prager Platz, bei dem das in der
letzten Debatte hier deutlich wurde. Und es läßt sich ein Beispiel
an das andere reihen. Und das Ganze soll dann auch noch Modell
charakter haben! Das muß man sich einmal vorstellen - Modell
dafür, wie ordentlich, solide, korrekt und gut geplant wird in Ber
lin.