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Volume Nr. 25, 24. April 1980

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
25. Sitzung vom 24, April 1980 
Präsident Lorenz 
A) lieh ist, wenn das Gleichgewicht der Kräfte durch eine entschlos 
sene Verteidigungsbereitschaft und den Willen der verantwort 
lichen Mächte gesichert wird, in Gesprächen Konflikte friedlich 
beizulegen. Abgestimmtes, solidarisches Handeln aller Partner 
im gegenwärtigen Konflikt stärkt das westliche Bündnis und si 
chert die positiven Ergebnisse der Entspannung. 
Das Abgeordnetenhaus von Berlin bekundet seine Dankbarkeit 
gegenüber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, 
der die Garantie seines Landes für Berlin gegenüber dem Regie 
renden Bürgermeister erneut bekräftigt hat. 
Das Abgeordnetenhaus von Berlin bekundet seine Überzeu 
gung, daß die Bevölkerung der Stadt ebenso eine aktive Solidari 
tät Westeuropas mit den USA tatkräftig zu unterstützen bereit ist. 
Das Abgeordnetenhaus von Berlin bekundet seine Absicht, in 
Pflege der guten Beziehungen zu Amerika und den anderen 
Schutzmächten und im gemeinsamen Interesse die unmittelba 
ren Kontakte zu den verantwortlichen Politikern und zu den Be 
völkerungen der Alliierten zu verstärken. 
< Beifall bei der CDU, der SPD und der F.D.P. > 
Ich eröffne nunmehr die Aussprache über beide Verhandlungs 
gegenstände. Das Wort hat der Abgeordnete Lummer. 
Lummer (CDU); Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ge 
meinsamkeit in den Fragen, um die es hier geht, ist nicht Unifor 
mität aller Meinungen, sondern Gemeinsamkeit an dieser Stelle 
ist notwendige Solidarität, wo es um die Grundlagen unserer 
Existenz geht. Deshalb begrüßen wir es, daß es zu dieser gemein 
samen Erklärung des Hauses, die der Präsident vorgetragen hat, 
gekommen ist. 
In mancher Regierungserklärung in der Vergangenheit hieß es, 
unsere Sicherheit beruhe auf drei Säulen: den Garantien der 
Alliierten, der Hilfe des Bundes und dem Willen der Berliner. 
Wir alle wissen: Wenn nur eine Säule fehlt, fällt das Gebäude. 
Die Alliierten, deren Anwesenheit unsere Sicherheit ist, kamen 
1945 nicht als Freunde nach Berlin. Vielleicht war die Freund- 
schaft nicht einmal programmiert. Aber die Berliner haben 
schnell begriffen, wo sie ihre Freunde suchen mußten. Und die 
Westmächte mußten ihr Bündnis mit der Sowjetunion überprüfen, 
als sie erkannten, daß die Sowjetunion nicht bereit war, Demokra 
tie und Selbstbestimmung zu gestatten. Der Wille, ein neues und 
demokratisches Deutschland aufzubauen, stiftete die Vorausset 
zung für eine Freundschaft zwischen Berlin und seinen Schutz 
mächten. Die Bedrohung dieser Freiheit durch die Sowjetunion 
stärkte und beschleunigte diese Entwicklung. 
Es mag am Anfang auf beiden Seiten Zweifel gegeben haben, 
aber nach mehr als drei Jahrzehnten können wir sagen, daß sich 
diese Freundschaft bewährt hat; sie ist fast zur Selbstverständ 
lichkeit geworden. Blockade, Ultimatum, Mauer waren Proben 
der Bewährung für diese Freundschaft. Die Geschichte Berlins 
hat gezeigt, daß die Säule der Garantien trägt. Für die Schutz 
mächte war es nicht immer leicht, ihre Aufgabe zu erfüllen. Aber 
sie haben sie erfüllt. Und es war nur natürlich, daß die größte 
Macht auch die größte Last zu tragen hatte. Diese Macht, so hat 
der Regierende Bürgermeister zutreffend formuliert, hatte es in 
der Vergangenheit nicht nötig, irgend jemanden zu bitten. Und 
auch wir werden uns erinnern; Wir konnten für diese Hilfe der 
Alliierten - und insbesondere der Amerikaner- Dank sagen, konn 
ten „Vergelt's Gott“ sagen. Aber jene Situation, wo man sich bei 
ungleicher Verteilung der Lasten und der Hilfe einmal wünscht, 
selber tatkräftig dabei zu sein, diese Chance, durch Taten Dank 
zu sagen, die gab es bisher nicht. 
Nun aber hat ein Terrorregime unschuldige amerikanische Gei 
seln in Haft genommen. Ein anderes Gewaltregime hat unter Ver 
letzung des Völkerrechts ein schwaches Land besetzt und schlägt 
ihm tagtäglich neue blutige Wunden. Die ganze westliche Welt ist 
dadurch bedroht und herausgefordert, und es ist nicht verwunder 
lich, daß die Weltmacht Amerika dem nicht tatenlos Zusehen kann, 
in ihrem Interesse nicht und in unserem Interesse nicht, meine 
Damen und Herren. Deshalb war dies die Stunde einer Chance und 
die Stunde der Pflicht für die Verbündeten. Und die Frage er 
scheint erlaubt, ob wir die Notwendigkeiten dieser Stunde ange 
messen erfüllt haben. Es gibt hier Meinungsverschiedenheiten, 
die wir hier und heute nicht pflegen sollten. Aber wenn wir ge 
meinsam die vorliegende Entschließung für nötig und richtig er 
achten, dann ist dies zu einem Teil auch eine Antwort auf diese ge 
stellte Frage. 
Es ist viel geredet worden in den letzten Monaten. Wer sich der (C) 
Worte mancher europäischer Politiker, Publizisten, Theologen 
und gar Dichter erinnert, der muß sich gelegentlich fragen: Sitzt 
denn eigentlich Amerika auf der Anklagebank und nicht vielmehr 
die Sowjetunion? 
< Beifall bei der CDU > 
Nicht derjenige, so scheint es, der die Ursachen schaffte für 
Unheil und Gefahr, stand im Mittelpunkt der Kritik, sondern der, 
der sich gezwungen sah zu reagieren. Und wenn das so ist, wen 
wundert da die Frage, die verbreitet in Amerika gestellt wird: Was 
ist eigentlich ein Verbündeter? Und alle, die sich hier und dort 
offiziell oder privat mit der öffentlichen Meinung in Amerika be 
schäftigt haben, müssen einen wesentlichen Meinungsum 
schwung fesfstellen. Enttäuschung war das treffende, charakteri 
sierende Wort. Die Beziehungen sind belastet gewesen, sie sind 
zum Teil gestört. 
Gewiß beruhen die Beziehungen der Staaten in erster Linie auf 
Interessen und politischem Kalkül. Aber solche Beziehungen 
sind immer auch - gerade in freien Gesellschaften - personali 
siert, nicht frei von Emotionen. Und wir hier in Berlin wissen das 
im positiven wie im negativen Sinne besser als mancher andere. 
In einer Demokratie kann Enttäuschung zu einem bestimmen 
den politischen Faktor werden. Auch die amerikanische Demo 
kratie kann sich nicht von derartigen Bewegungen trennen oder 
sie einfach ignorieren. Wir aber brauchen den guten Willen der 
amerikanischen Bürger und nicht deren Enttäuschung. 
Eine amerikanische Regierung, deren Verbündete ihr in einer 
dramatischen Krise nur zögernd folgen, könnte sich im umge 
kehrten Falle eines ähnlichen Zögerns befleißigen. Und es ist nicht 
viel Phantasie nötig, um zu erkennen, daß ein umgekehrter Fall, 
der nämlich, daß wir bitten müssen, möglich ist; und dieses würde 
für uns einiges bedeuten. 
Man stellt heute ja gerne Fragen an die Geschichte. Vielleicht 
müssen wir einfach ein paar Fragen an uns selber richten. Stellen 
wir uns doch einmal vor: Wie hätten wir im Jahr des Mauerbaues 
oder des 17. Juni 1953 reagiert? Hätten wir ernsthaft erwogen, an 
einer Olympiade überhaupt teilzunehmen? Warum gibt es heute (D) 
Zögern, wenn andere in nämlicher Weise betroffen und getroffen 
sind? Ich meine, der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung, 
der Regierende Bürgermeister haben eine Selbstverständlichkeit 
ausgesprochen, die wir teilen, daß eine Teilnahme in dieser Situa 
tion nicht möglich ist. 
< Beifall bei der CDU > 
Meine Damen und Herren, wohl auch diese Frage ist erlaubt: Wo 
stünden wir in Europa heute, wenn die USA Hitlers Treiben in 
Europa so hingenommen hätte, wie manche wünschen, daß wir 
das Treiben der Sowjetunion hinnehmen? 
< Beifall bei der CDU > 
Ob man sich hier eines kategorischen Imperativs erinnert oder 
nur des deutschen Sprichworts: Was du nicht willst, das man dir 
tu, das füg’ auch keinem andern zu - es bleibt das gleiche: Soli 
darität ist keine Einbahnstraße. 
Wer eine entscheidende Säule unserer Berliner Existenz er 
halten will, der muß jetzt wohl auch seine Stimme erheben. Wir 
haben den großartigen geschichtlichen Vorgang erlebt, daß das 
Notwendige, die amerikanischen, die alliierten Garantien, zur 
Selbstverständlichkeit wurden. Wir haben ja auch erlebt, daß die 
Politik der Entspannung hier bei uns mit dem Hinweis begründet 
wurde, wir dürften uns nicht von den Amerikanern trennen. Wenn 
die Trennung der Wege bei der Einführung dieser Politik als Ge 
fahr empfunden wurde, dann wäre die Trennung heute bei der 
Erhaltung einer solchen Politik mindestens eine gleichgroße 
Gefahr. Deshalb erscheint es ganz unverständlich und wohl auch 
falsch zu sagen, das eine sei unser Interesse, das andere die 
Solidarität zu den USA. Dorf ist kein Widerspruch. Deshalb ist es 
richtig zu sagen: Unser Interesse ist die Solidarität zu den Ver 
einigten Staaten. Diese Erkenntnis ist dann richtig berücksichtigt, 
wenn man den anderen nicht wider bessere eigene Ansicht unter 
stützt, sondern wenn man einsieht, daß gemeinsames Verhalten 
und Handeln notwendig sind, um die Voraussetzungen unserer 
Existenz zu erhalten. 
Mancherorts wird diese Selbstverständlichkeit in Frage ge 
stellt. Deshalb erschien es uns notwendig, daß gerade das Ber 
liner Parlament dieses bekundet und dieses begründet. 
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