Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode
23. Sitzung vom 13. März 1980
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Heinschke
Damals wollte man 72 Planstellen schaffen, und zwar bis zum
Jahre 1981. Was haben wir festzustellen? — In diesem Jahr 1980
sind es 18 Planstellen, die tatsächlich da sind, in 1981 sollen es 24
sein.
< Zurufe von der CDU: Hört, hört! >
Es bleibt festzustellen, hier fehlt die Kraft, politisch als notwen
dig erachtete Ziele in die Wirklichkeit umzusetzen.
Bei einer zweiten Frage ist es offensichtlich genauso: Seit 1973
wird die Frage geprüft, ob die privatrechtlichen und die Vermitt
lungsverträge im Musikschulbereich nicht durch direkte Verträge
ersetzt werden können und sollten. Die Prüfung geht seit 1973
offensichtlich bis heute und ist noch nicht endgültig abge
schlossen. Man hört, daß es zwischen den Senatsverwaltungen für
Schulwesen und für Finanzen und Inneres noch zu keiner
einheitlichen Abstimmung gekommen ist. Wir hoffen im Interesse
der Lehrer an den Musikschulen, der Eltern, der Schüler, daß es
bis zum 1. April wenigstens zu einer Ubergangsregelung kommt,
die dann fortgeschrieben werden kann in einer mittel- und
langfristigen Lösung.
Es ist festzustellen, daß die Berliner Musikschulerziehung im
Vergleich zu der Musikerziehung anderer Länder der Bundes
republik kaum konkurrenzfähig ist. International hält sie einem
Spitzenvergleich in keiner Weise stand. So müssen wir schon den
Vorwurf erheben, daß der Senat diese Realität zu spät zur
Kenntnis genommen und es versäumt hat, rechtzeitig Lösungen
einzuleiten. Immerhin ist die nun endgültig entschiedene Klage vor
etwa drei Jahren vor dem Bundesgerichtshof angestrengt worden.
So gesehen ist das Urteil vom 23. Oktober vorigen Jahres eine
natürliche Folge kultur- und bildungspolitischer Versäumnisse im
Musikschulbereich, die die politisch Verantwortlichen in diesem
Land zu vertreten haben.
Eines steht zweifelsfrei fest: Die Nachfrage — und darauf hat
Kollege Hauff auch schon hingewiesen — an den Berliner
Musikschulen besteht. Sie ist von 1973 von 19 000 Schülern auf
28 000 in diesem Jahr gestiegen, und zwar insbesondere auch in
Bezirken, in denen man es zunächst gar nicht vermutet hätte.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen: Die CDU-Fraktion tritt
dafür ein, daß die Honorare den entsprechenden Erfordernissen
angepaßt werden müssen. Wir geben dem Senat mit auf den Weg,
zu prüfen, inwieweit der Stipendienanteil unter sozialen Gesichts
punkten verändert werden muß. Schließlich muß geprüft werden,
inwieweit das Bereitstellen ausreichender Planstellen an den
Musikschulen möglich und zu vertreten ist und Bedeutung und
Stellenwert der Musikschulen im Land Berlin Rechnung trägt.
Denken Sie dabei bitte auch daran, daß der Ruf Berlins als
Kulturmetropole im Bereich der Musik erschüttert werden kann,
wenn für den Nachwuchs in der Breite der musischen Erziehung
keine ausreichenden Anstrengungen unternommen werden!
Die CDU-Fraktion spricht sich aufgrund der Eilbedürftigkeit
dieser Frage für eine Verabschiedung des Antrags heute aus. Sie
wird Ihrem Antrag zusfimmen.
< Beifall bei der CDU >
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Kayser.
Kayser (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die
Musik ist
< Zuruf von der CDU: Musik ist Trumpf! >
ein wichtiger Bestandteil der Berliner kulturellen Erziehung,
insbesondere im volksbildenden Bereich. Ihre Wichtigkeit ist in
der Vergangenheit dadurch unterstrichen worden, daß es Musik
schulen in Berlin gibt, obgleich diese Musikschulen, wie wir alle
wissen, erheblich darunter zu leiden haben, daß in den letzten
Jahrzehnten keine handfeste, strukturierende Planung möglich
gewesen ist.
Die jetzige Situation, die durch ein BGH-Urteil entstanden ist,
sollte für alle politisch Verantwortlichen der Anlaß sein, sich um
diesen wichtigen Bereich der musikalischen Volksbildung ernst
hafter zu kümmern. Die F.D.P. hält es kulturell und sozial für
unzumutbar, wenn die Berliner Musikschulen am 1. April 1980
sich selbst, das heißt dem freien Spiel der Kräfte, überlassen (C)
bleiben würden. Wir hoffen, daß die Urteilsbegründung, die Anfang
dieses Jahres bekannt geworden ist, deutlich macht, daß die
Verantwortung, die das Land Berlin hier hat, in Zukunft intensiver
und besser wahrgenommen wird. Die F.D.P. hält es für dringend
geboten, daß der Senat seine finanzielle Zurückhaltung für diesen
Bereich überprüft. Wir lassen uns bei der künftigen Entscheidung
darüber, wie in Berlin staatlich organisierter Musikunterricht
statlfindet, von folgenden Prinzipien leiten:
1. Wir gehen davon aus, daß ein bedarfsgerechter Ausbau der
musikalischen Volksbildung stattfindet, verbunden mit einer Ent
wicklungsplanung, wie sie in den Schulentwicklungsplänen II und
III ihren Niederschlag findet, aber in der Tat noch der Verwirk
lichung harrt, wie der Vorredner es angedeutet hat.
2. Wir sind der Meinung, daß eine Professionalisierung der
Musikpädagogik an den Berliner Musikschulen stattzufinden hat,
auch durch Tarifvereinbarungen, und dies besonders im Hinblick
auf die in anderen öffentlichen Bereichen üblichen sozialen
Sicherungen.
3. Wir erwarten eine bedarfsgerechte Ausstattung der Musik
schulen mit Sachmitteln, besonders im Hinblick auf die Erweite
rung der Leihinstrumente.
4. Es ist erforderlich, eine angemessene Entgeltregelung für
die Teilnahme an musikalischen Kursen zu erstellen, das gilt für
Einzel- und für Gruppenunterricht. Diese Regelung hat sich an der
sozialen Zumutbarkeit für die Teilnehmer bzw. für die Familien der
teilnehmenden Kinder zu orientieren.
5. Die F.D.P. geht davon aus, daß ausreichend öffentliche
Stipendien für die Förderung der musikalischen Bildung der
jenigen bereitgestellt werden, die aus sozial besonders belasteten
Teilen unserer Bevölkerung stammen und an diesen Kursen
teilnehmen wollen.
Es ist uns völlig klar, daß mit der Antragstellung, die wir mit
unterstützen, diese hier eben zitierte Fünf-Punkte-Regelung kurz
fristig nicht erreichbar ist. Wir verbinden aber damit die Erwar-
tung, daß der Senat diese Richtung bei seiner Entscheidung, die er
in naher Zukunft zu treffen hat, berücksichtigt. Wir werden für
eine entsprechende Strukturierung dieses Bereichs des Berliner
Bildungswesens Sorge tragen. Denn wir sind nicht der Ansicht,
daß angesichts vieler sozial psychologisch festgestellter Problem
felder gerade der musikalischen Erziehung weiter eine Randposi
tion überlassen bleiben sollte. Gerade für Liberale ist es ein
besonderes Anliegen, sich um die Dinge zu kümmern, die
vielleicht wegen zuviel Routine oder auch aus Gedankenlosigkeit
im alltäglichen Verwaltungsgetriebe hängen bleiben, d. h., daß
man sich auch um die Themen besonders kümmert, die von Min
derheiten oder auch von sozial nicht voll organisierten Gruppie
rungen getragen werden. Wir glauben, daß das musikpädago
gische Interesse vieler Eltern und Schüler in Berlin in der
Vergangenheit zu wenig ausgeprägt war, um den notwendigen
Druck auf die Berliner Instanzen einschließlich der Senats
verwaltung auszuüben.
Wir hoffen, daß der Senat diese Entscheidung, die er zu treffen
hat, als einen ersten Schritt in Richtung einer bedarfsgerechten
Erweiterung der Musikpädagogik in Berlin versteht. Ich glaube
nicht, daß hier mit nur kleinen Regelungen das Problem gelöst
werden kann, denn es ist in der Tat ein Kuriosum, daß schon in
der Vergangenheit das Land Berlin sich im wesentlichen als
Vermittlungsagentur für Musikpädagogen und Musikbildungsinfer-
essierte verstanden hat. Dinge, die in anderen Teilen der Bundes
republik bis hin zu kleinen Kreisstädten undenkbar sind, sollten in
Berlin auch in Zukunft keinen Bestand mehr haben. — Vielen
Dank!
< Beifall >
Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Senator Rasch!
< Wronski (CDU); Nicht doch! >
Rasch, Senator für Schulwesen: Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Herr Abgeordneter Wronski, Ihren Zwischenruf „nicht
doch" nehme ich ja gerne entgegen, aber ich glaube, daß die