Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
23. Sitzung vom 13. März 1980
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Dr. Biewald
(A) und deshalb der Meinung ist, hier müßte einmal kräftig zuge
treten werden. Wir würden gern helfen zuzutreten, denn die Lage
der Künstler, besonders was Berlin angeht, ist, wie wir wissen,
mies, und deshalb schadet der Antrag nicht. Wir unterstützen es,
daß ein solcher Bericht, wenn auch nur zur Situation der Literatur
in Berlin, gefordert wird.
Lassen Sie mich aber ein paar Bemerkungen zu einzelnen
Punkten machen, möglicherweise wird dadurch der Bericht in
gewissen Bereichen profunder: Ich meine, daß die dem Senat
gestellte Frist 30. September wieder einmal zu kurz ist. Sie mag
für einen Vorbericht reichen, aber nicht für die Dinge, die Sie dem
Senat aufgeben wollen — ich bin wirklich jemand, der den Senat
zur Arbeit treiben möchte, wie Sie das ja auch tun, aber die Zeit
von fünf Monaten ist wirklich zu kurz, um den umfangreichen
Fragenkatalog abhandeln zu können. Ich möchte Sie also bitten,
wenigstens das Datum zu verändern.
Nun zum Antrag: Sie fragen unter 1. nach Zahl und sozialer
Lage der Schriftsteller. Da muß man ja wohl zunächst einmal defi
nieren, was Schriftsteller sind, und nun wird es schwierig; es sei
denn, Sie halten sich einfach daran, daß jeder, der irgendwann
ein Buch geschrieben hat, der sich selbst so einschätzt oder von
der VG-Wort betroffen ist, schon ein Schriftsteller ist. Das zweite,
das geklärt werden muß: Soziale Lage der Schriftsteller. Es wird
schwierig sein, da ranzukommen; auch der Bericht der Bundes
regierung von 1975 hatte große Schwierigkeiten — nun aber, der
Versuch soll gemacht werden.
Zu Ihrer zweiten Frage: Entwicklung und Struktur der in Berlin
ansässigen Literaturverlage. Entwicklung und Struktur zu
untersuchen, wird wenig Schwierigkeiten machen, da würden wir
mitgehen; die Schwierigkeit wird da einsetzen, wo die ökono
mische Situation zu betrachten ist, denn die ökonomische Situa
tion eines Verlages gibt kein Verlag gerne preis, wenn man weiß,
daß der Konkurrent möglicherweise darauf wartet. Bei dieser
Frage müßte aber hinzukommen, daß man verschiedene Bran
chen der Verlage abtastet. Ich meine, Ihr Augenmerk war auf die
(B) rein belletristischen, die rein literarischen Verlage gerichtet, aber
Sie wissen ja, welche Mischformen es da gibt, mit den medizini
schen, mit den Sachbüchern usw. Hier sollte man doch vielleicht
sauber trennen; dies ist unsere Anregung.
Die Punkte 3 und 4, Entwicklung und regionale Verteilung der
Buchhandlungen sowie Ausmaß und Struktur der Nutzung öffent
licher Bibliotheken gehen in Ordnung. Da hat sich ja als sehr heil
sam herausgestellt, einen Bibliotheksgroschen zu nehmen, der
zu einer gewissen Absicherung beitragen soll. Dieser reicht aber
noch nicht aus, um diejenigen, die Literatur machen, im Alter zu
versorgen.
Auch bei Ihrem Punkt 5, Aufgabenstellung der Berliner Buch-
Ausstellung, würden wir mitgehen.
Und nun zu Punkt 6: Private und öffentliche Maßnahmen zur
Verbesserung der sozialen und kulturellen Lage der Autoren.
Hierzu muß ich zunächst einmal fesfsfellen: Wenn das, was die
Union sehr stark betrieben hat, realisiert würde, nämlich daß die
Autoren einen bestimmten Prozentsatz ihres Ertrages, es war
von einem Satz zwischen zwei und fünf Prozent die Rede, abgäben
und das gleiche auch die Verlage täten, wäre dies ein erster
Schritt zu einer Altersversorgung, ähnlich wie das, was bei den
bildenden Künstlern im Moment im schwänge ist. Wir wissen — hier
ist die Union sehr stark in der VG Wort tätig gewesen; leider ist
das irgendwo versandet —; Es wäre also ein möglicher Ansatz
punkt, dies neu zu beleben, den Versuch zu machen, die ersten
Gelder zu bekommen, damit eine Altersversorgung möglich wird.
Dieses rege ich hier noch einmal an.
Aber, ich muß auch sagen, es fehlen in dem Berichtsauftrag
mindestens noch drei Dinge, und um die würde ich doch noch
bitten. Es fehlt: Erstens natürlich die Auswirkung der Literatur
auf Film, Funk und Fernsehen. Das sind ja doch heute quasi
indirekt die großen Mäzene. Hierzu muß noch eine Erörterung
stattfinden, und da ja, wie ich hoffe, die Protokolle dieser Reden
dem Berichtsauftrag beigefügt werden, sollte derjenige, der nach
her die Berichte zu verfassen hat, sich das noch einmal zu Herzen
nehmen und sehen, was er darüber berichten kann.
Zweitens: Sicherlich ist es auch sehr hilfreich, wenn man mal ((
die Autorenverbände, die hier in Berlin ansässig sind, untersuchen
würde; mich interessiert da ganz speziell: Welche gibt es und
— beinahe noch wichtiger — wie werden sie gefördert? Ob da also
eine gewisse Gleichgewichtigkeit ist, ob man alle relevanten
Gruppen fördert, die pluralistisch in der Gesellschaft vorhanden
sind und sich anbieten. Dies zu wissen, wäre interessant und
sollte mit aufgenommen werden. — Ich sagte schon zur Frage 2:
Der Branchen-Schlüssel sollte mit beigegeben werden, dann
wären wir zunächst mit dem Berichtsauffrag zufrieden. Wir wer
den dem zusfimmen und sind darüber hinaus der Meinung, Herr
Dr. Kunze, als einer der Antragsteller, wir könnten diesen Antrag
gleich verabschieden und müßten nicht unbedingt mit ihm erst
in den Ausschuß gehen. Dies würde uns Zeit sparen. Wenn wir
den Vorberichf haben, müssen wir sowieso im Ausschuß darüber
sprechen. Insofern können wir dem also zustimmen, was bean
tragt ist.
< Beifall bei der CDU >
Präsident Lorenz; Das Wort hat der Abgeordnete Papenfuß,
PapenfuB (SPD): Meine Damen und Herren! Wir begrüßen
den Antrag und freuen uns, daß die CDU gleich zustimmen will.
In der Tat sehen wir auch das Problem der knappen Zeit, zumal
ja ein Berichtsverlangen noch läuft hinsichtlich des Bibliotheks
wesens. Und daß hier die Verknüpfung geschaffen wird zwischen
der sozialen Situation der Literaturerzeuger und dem Bibliotheks
wesen, finde ich richtig, aber man muß sehen, daß es bei der
Senatsverwalfung für Kulturelle Angelegenheiten der gleiche
Mann ist, der dies zu bearbeiten hat. Ich würde also meinen, daß
wir großzügig sein sollten, wenn die Frist um drei bis vier Wochen
überschritten wird. Dann bräuchten wir die Sache nicht zu ver
tagen, sondern die können gleich anfangen.
< Zustimmung bei Dr. Kunze (F.D.P.) >
— Ich sehe, daß Herr Dr. Kunze nickt; ich bin ihm sehr dankbar.
Es ist sicher richtig, Herr Dr. Biewald, daß dieser Antrag nur
ein Anstoß sein kann und keine flächendeckenden Erkenntnisse
bringen kann, denn in der gesetzten Zeit ist dies nicht möglich.
Ein Bericht von der Qualität der Kunst-Enquete des Bundes von
1974 wird dabei sicherlich nicht herauskommen.
Ich bin der Meinung, daß man über den Antrag hinaus sein
Augenmerk verstärkt aut die Verbindungen zum Rundfunk und vor
allem zum Fernsehen richten muß, denn viele, die Literatur
produzieren, leben von den kleinen Beiträgen, die sie bei den
Rundfunk- und Fernsehanstalfen machen, wobei sich ja da dann
auch noch der interessante Aspekt der Rückkoppelung durch
Fest- bzw. Zeitanstellungen ergibt: wer da fest angestellt ist, fällt,
glaube ich, langfristig als Literaturproduzent aus; das ist eine sehr
interessante Frage, ein Bereich, in dem sich soziale Sicherung
und Produktivität möglicherweise nicht unbedingt fördern.
< Lummer (CDU): Sehr richtig! >
Also, wir unterstützen den Antrag und hoffen, daß damit ein
Anstoß gegeben wird und wir uns mit dem Ergebnis des Berichts,
das ja nicht erschöpfend sein kann in der Kürze der Zeit, nicht
zufriedengeben werden, sondern dann nachstoßen. — Ich bedanke
mich für Ihre Aufmerksamkeit.
> Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Präsident Lorenz; Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lehmann-
Brauns.
Dr. Lehmann-Brauns (CDU); Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Nachdem hier alle dem Antrag zustimmen und die
Anwesenheit hier im Raum etwa 1:7 ist - ein Teil anwesend,
sieben Teile abwesend ist es natürlich noch schwieriger, etwas
Kritisches zu diesem Antrag zu sagen, der sicher gut gemeint ist.
Da hier von Schriftstellern die Rede ist, muß es erlaubt sein, noch
einmal die Sprache dieses Antrags kritisch zu prüfen. Punkt 1 —
Zahl und soziale Lage der Schriftsteller —: Das klingt ja sehr