Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode
22. Sitzung vom 28. Februar 1980
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Stellv. Präsident Sickert: Bitte, Herr Senator!
Ristock, Senator für Bau- und Wohnungswesen; Das ist mir so
zu abstrakt, so daß ich Ihnen noch einmal den Vorgang vor Augen
führe. Es fließen also über den Nordgraben 100 % Wasser, die
Menge, die einfließt, also 100 % gesetzt, dann schaffen wir 75 %
dieses Wassers quer durch die Stadt in einem sehr aufwendigen,
aber sinnvollen Röhrensystem in den Teltowkanal. Weitere 25 %
fließen immer noch in den Tegeler See. Dieses zu ändern, Kollege
Boroffka, ist das Ziel der Maßnahmen, die hier aufgezählt sind. Im
Gegenteil, wir wollen sogar mit der Phosphateliminationsanlage —
ich gehe davon aus, daß Sie sich das genau angesehen haben,
denn im Ausschuß werden wir das genau tun — gewisse Elemente,
also nicht nur das Wasser vom Norden her reinigen, sondern wir
wollen das Wasser im See selbst auch qualifizieren, wollen
durch einen komplizierten Rückstoßproz^ß vom Oberhavel
wasser, das in seiner Qualität nicht so schlecht ist wie das
Unterhavelwasser, zur Gesamtqualifizierung der Verbesserung
der Situation kommen. Deshalb haben wir inzwischen diese
Pumpanlagen eingebaut, zumindest als Ubergangsregelung.
Nun zum Teltowkanal: Sie haben von dem Rücklauf gespro
chen,
< Zuruf von der F.D.P.: Wannsee! >
— Wannsee haben Sie gesagt. Gibt es da eine Gesamtmeinung der
F.D.P.? — Wannsee haben Sie gesagt. Das Problem haben Sie
genau so gesehen, wie ich es auch sehen muß. Wir haben im
Moment einen Rückstau, der uns einen Teil des Dreckwassers in
den Wannsee hineintransportiert. Dieses wird nach dem Ausbau
des Teltowkanals der Vergangenheit angehören, weil die vernünf
tige Durchlässigkeit, die Entschlammung und Breite des Teltow
kanals und der natürliche Fluß den Rückstoß nicht mehr ermög
lichen. Das haben die gesagt, die es studiert haben und das
technisch verantworten müssen.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen zu einem
Thema, auf das Sie mit einer gewissen Verve und Freude zu
sprechen gekommen sind, Herr Boroffka. Das einzige, das mir
mißfiel - obgleich dem Senator nichts zu mißfallen hat - war, daß
Sie die Kritik mit so einer Lust vorgetragen haben. Ich kann nur
sagen, ich bedauere mit Ihnen, daß wir mit diesem Rückhalte
becken und dem großen Aufsfaubecken, in dem wir das, was
rausfließt, auffangen, wie zum Beispiel im Bereich Flughafensee
— das ist ein gesondertes Problem —, lösen müssen. Sie wissen,
daß unsere Enfwässerungswerke ein großes zusätzliches Pro
gramm aufgelegt haben, um das Problem der Reinigung der
Zuflüsse von Schlamm oder verschlammtem Wasser und noch viel
gefährlicher vom versalzenen Wasser
< Boroffka (CDU); Verwechseln Sie nicht
Regenwasser- und Mischwasserleitungen? >
— Nein, ich meine unsere Leitungen, die Straßenbauwerke, das,
was wir in die Erde versenkt haben, die großen Auffangbecken, die
wir dann nicht voll reinigen, nur vorreinigen, und diese laufen über,
weil wir noch nicht genügend Kapazität haben, Herr Boroffka. Ich
habe mir dies vor Ort angesehen; wenn Sie mit mir nach der
Bernauer Straße fahren, finden Sie an einem bestimmten Zipfel
ein Werk oder in Charlottenburg in der Sophie-Charlotte-Straße,
wenn das voll ist, fließt das in die Spree. Und zwar ohne
Absackung und ohne Ablagerung.
Lassen Sie mich hier zusammenfassen zu dem, was wir
vorgelegt haben; Wir haben in der Stadt, ich meine viel mehr als
andere Städte in der Bundesrepublik, eine Reihe von Maßnahmen,
die in dem Bericht aufgezählt sind, realisiert. Wir sind bei der
Realisierung einer großen Zahl von Maßnahmen, und wir sind bei
der Ausplanung von Maßnahmen, die wir in den achtziger Jahren
durchführen werden. Zusammengetaßl kann ich sagen, daß die
stehenden und liegenden Gewässer in dieser Stadt wesentlich
qualifiziert werden wegen der Pflanzen, Tiere und vor allen Dingen
wegen der Menschen, um den Freizeit- und Erholungswerf zu
erhöhen. Zum zweiten wollen wir auch erreichen, daß wir im
Bereich der Uferbereiche schützen, regenerieren, erhalten und
der weiteren Zerstörung entgegenwirken. Insofern dieses als
letzten Satz: Viele rätseln herum und meinen, die Uferkonzeption
sei gestorben. Nein, wir sind in ein großes Bürgergespräch
eingefreten. Wir haben eine allgemeine Zustimmung gefunden,
aber auch Kritik jeweils vor Ort. Wir werden Ende dieses Jahres, (C)
aber eben noch in diesem Jahr, die volle Zusammenfassung
dieser Uferkonzeption über den Senat in das Parlament einbringen
und werden dann sehen, ob jeder, der hier sehr mutig geredet hat,
mit uns und dem Senat stehen wird, diese Maßnahmen zur
Rettung unserer Ufer wirklich zu realisieren und jeweils nicht vor
Ort zurückweichen, weil irgendeine kleine Klientel ganz laut
schreit. Dazu sind Sie aufgefordert. Ich kann nur das Engagement
des Kollegen Boroffka und der anderen, die sich noch in der
Opposition betätigen, begrüßen und bitten: Helfen Sie mit, das zu
realisieren. — Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
< Beifall bei der SPD und der F.D.P, >
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Dr. Hassemer.
Dr. Hassemer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Zunächst einmal muß man in der Tat feststellen, und das
kann man schon tun, indem man die Summen zusammenrechnet,
daß in Berlin auf dem Gebiet der Gewässerreinhaltung außer
ordentlich .lei geschehen ist. Auch im Vergleich zu anderen
Städten, Hot Senator Ristock hat das auch erwähnt, viel ge
schehen ist. Irgend jemand sagte auch mit Recht, daß auch
„innovativ“ neue Ideen hier verwirklicht worden sind, um die
Gewässer rein zu halten.
Da kann ich allerdings nur sagen: Zunächst sind das Leistun
gen, die in starkem Maß das Abgeordnetenhaus mitgetragen hat.
Wir haben uns, wie ich weiß, über die Fraktionen hinweg dazu
durchgerungen, die Prioritäten im Sinne des Gewässerschutzes zu
setzen. Wir haben über alle Parteien hinweg erreicht, daß große
Investitionen in Berlin mehr als anderswo möglich waren — als
Leistung der Gesamtberliner Verantwortung in den unterschied
lichen Fraktionen und Parteien. Was wir heute zu diskutieren
haben, Herr Senator Ristock, ist, wie denn die Leistung des
Senats, der Verwaltung in diesem Zusammenhang aussieht. Da ( D )
spielen Dinge eine Rolle wie etwa Verzögerungen: ob denn
wirklich rechtzeitig das getan worden ist, was mal programma
tisch und haushaltstechnisch sichergestellt war. Da spielt auch
eine Rolle, ob man die Prioritäten richtig gesetzt hat. und — das ist
eigentlich der wesentliche Punkt der heutigen Debatte — da spielt
auch eine Rolle, ob man die Situation in einem Bericht schönt,
verschönt oder ob man sich realistisch auf den Boden dessen
stellt, was auch heute noch an Problemen der Gewässerreinhal
tung in Berlin zu erkennen ist. Darum möchte ich den beiden
Vorrednern — Boroffka und Swinne - sehr danken, daß sie in
zweifacher Hinsicht — und das ist mein Thema jetzt auch gerade
im Hinblick auf Ihre Antwort — mehr geholfen haben, Herr Senator
Ristock, als Sie es getan haben sowohl mit Ihrem Bericht als
auch mit Ihrer Stellungnahme.
Zum einen: Berlin ist in einer Situation, die — ähnlich wie die
Leistungen — auch in Ihrer Problematik unvergleichbar ist gegen
über anderen Situationen. Berlin hat eben nicht die Chance, sich
auch mit Seen zu beschäftigen, die in der weiteren Umgebung
liegen. Und Berlin hat auch eine Situation bei den Oberflächen
gewässern zu gewärtigen, die zunehmend — trotz allem —
bedrohlich wird, auch was die Wassermenge angeht. In einer
solchen Situation darf doch der Senator nicht sowohl in seinem
Bericht als auch in seiner Stellungnahme so tun, als sei so gut wie
alles in Butter. Das ist doch sträflich in Anbetracht seiner
Verantwortung in seinem Ressort.
< Beifall bei der CDU >
Ich will Ihnen ein Beispiel sagen: Ich bin verantwortlich für
einen Wahlkreis, der in einem sehr hervorragenden Bereich in
Berlin liegt. Machen Sie dort den Leuten mal klar, daß all Ihre
bisherigen Aktivitäten eben nicht verhindern konnten, daß zu
gewissen Zeiten im Sommer, wenn starker Regen eingesetzt hat,
dort zu beobachten ist, wie sich im Zeitlupentempo die Schmutz
fracht über diese ansonsten herrliche Grunewaldseenkette
schiebt. Da gehen Sie mal hin! Besuchen Sie die Leute mal, wenn
Sie den Mut dazu haben. Machen Sie ihnen dann mal klar, daß Sie
der „Beste aller Welten" sind im Bereich der Reinhaltung der