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Volume Nr. 22, 28. Februar 1980

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode 
22. Sitzung vom 28. Februar 1980 
Feilcke 
) bildungsplatz, keinen Arbeitsplatz bekommen und keine Chance 
haben, die ihrer beruflichen Perspektive dient, dann besteht die 
Gefahr, daß sie nicht nur in Hoffnungslosigkeit verfallen, diesen 
Mißerfolg sozusagen unserer Gesellschaft und Wirtschaftsordnung 
anlasten, sondern auch in Resignation, daß sie sogar bereif sind, 
sich gegen diese Gesellschaft zu stellen, aus dieser Gesellschaft 
auszusteigen. 
< Beifall bei der CDU > 
Ein weiterer wichtiger Grund, sich um dieses Problem zu küm 
mern, besteht darin, daß schon in wenigen Jahren damit gerechnet 
werden muß, daß der Nachwuchsbedarf der Wirtschaft an Fach 
kräften aus den Schulabgängerjahren Mitte der achtziger Jahre 
nicht mehr befriedigt werden kann. Auch deshalb ist heute Aus 
bildung notwendig — ich glaube, das haben alle Beteiligten 
erkannt. 
< Maerz (SPD): Sogar Herr Feilcke! > 
Die Prognosezahlen der Schulabgänger, die für die Jahre 1979 
und 1980 vorgelegt worden sind, geben uns Veranlassung - dar 
auf habe ich bereits zu Beginn meiner Ausführungen hingewie 
sen —, heute dieses Problem nicht nur anzusprechen, sondern 
zum ersten Mal auch die Befürchtung zu äußern, daß wir die Er 
folge der Vergangenheit nicht ohne weiteres wiederholen kön 
nen. 
Zur Frage 1 unserer Großen Anfrage: Die Nachfrage nach 
Ausbildungsplätzen ist im Jahre 1979 gestiegen, obwohl der Schul- 
senalor, der Senator für Arbeit und Soziales und alle in der Öffent 
lichkeit damit Befaßten davon ausgehen mußten, daß die Nach 
frage sinken wird. Damals ist das 10. Pflichtschuljahr eingeführt 
worden, wir haben das sogenannte Wanderloch bei den 
Abiturientenjahrgängen gehabt, und das Erstaunen war um so 
größer, als wir am Ende des Jahres Bilanz zogen und feststellen 
mußten, daß sowohl die Nachfrage als auch die Zahl der Schul 
abgänger wiederum gestiegen sind. Es gibt hier eine Diskrepanz 
zwischen der prognostizierten und der tatsächlichen Zahl der 
Schulabgänger. Der Herr Schulsenator ist gerade nicht im Raum; 
ich möchte ihm gern einiges zu den Zahlen sagen, aber vielleicht 
sitzt er im Kasino und hört zu. 
Noch vor einem Jahr wurden die Schülerabgangszahlen für 
den Sommer 1979 mit 16 900 — noch nicht einmal 17 000 - pro 
gnostiziert. Erst zu Beginn dieses Jahres liegen die tatsächlichen 
Zahlen vor, und wir erfahren, daß mehr als 18 000 Jugendliche 
die Schulen verlassen haben. Außerdem sind noch weitere 1 300 
in berufsbildende Lehrgänge gegangen. Ich trage mich, welchen 
Wert eigentlich Prognosen der Schulverwaltung haben, wenn nie 
mand in der Wirtschaft, wenn kein Ausbildungsbetrieb sich auch 
nur einigermaßen auf diese Zahlen verlassen und sie zur Grund 
lage seiner Planung der Ausbildungskapazität machen kann. 
< Beifall bei der CDU > 
Dann erfährt man, daß im Hause des Schulsenators gut bezahlte 
Menschen damit befaßt sind. 
< Landowsky (CDU): Da auch? > 
Ich habe mir sagen lassen, daß es beispielsweise einen Mann mit 
der Vergütungsgruppe I — das entspricht der Besoldung eines 
Regierungsdirektors — gibt, der für diese Prognosen zuständig 
ist. Vielleicht sollte man im Hause von Herrn Rasch überdenken, 
ob der Prognose des Ausbildungsbedarfs und der Schülerabgangs 
zahlen höhere Priorität eingeräumt werden muß, auch durch Ver 
änderungen bei den Personen, die die Berechnungen durchführen. 
Herr Senator Rasch, vielleicht sollten Sie zur Berechnung der 
Zahlen ein spezielles ABM-Programm auflegen. So schwer kann 
das doch nicht sein! 
Trotz der Diskrepanz, trotz geringerer Erwartungen hat es 
im Jahre 1979 noch einmal einen Ausgleich gegeben. Für das 
Jahr 1980 liegen uns jedoch Zahlen vor, die über das Bisherige 
weit hinausgehen. Es ist davon auszugehen, daß nicht - wie der 
Schulsenator noch vor wenigen Monaten erklärt hat — 22 800 Ju 
gendliche die Schulen verlassen, sondern 25 000, und daß demzu 
folge nach den derzeitigen Berechnungen die Gesamtzahl der 
Ausbildungsplätze in Berlin sich von etwa 31 050 auf 34 198 
erhöhen muß. Um diese Differenz von etwa 3 000 Ausbildungs 
plätzen geht es in unserem Antrag. Es ist nicht nur notwendig, 
alle bisher besetzten Ausbildungsplätze wieder zu besetzen, son- (C) 
dem zusätzliche 3 000 Plätze müssen mobilisiert werden. Ich 
hoffe, Herr Senator Sund, Sie können uns beruhigen, daß unsere 
Befürchtungen unbegründet sind. Wir wollen, daß alle diese Ju 
gendlichen, die 1980 die Schule verlassen, die Chance erhal 
ten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, und wir sind der Mei 
nung, daß jetzt darüber nachgedacht werden muß, ob die 
bisherigen Maßnahmen ausreichen und ob sie genügend Anreize 
für die Einrichtung neuer Ausbildungsplätze bieten. Wir wollen 
darüber hinaus auch wissen, wie es sich weiter entwickelt, wie es 
nach der Prognose — vielleicht Ihres Hauses, Herr Senator Sund — 
bis zum Jahre 1985 aussieht, ob schon jetzt erkennbar ist, wann 
der sogenannte Schülerberg überwunden sein wird und wann wie 
der mit einem Rückgang bei der Nachfrage nach Ausbildungs 
plätzen gerechnet werden kann. 
Zur 2. Frage: Wir haben im Jahre 1978 hier im Hause Förder 
richtlinien diskutiert und auch verabschiedet. Diese Förderricht 
linien waren damals sehr umstritten. Im Ausschuß für Arbeit und 
Soziales haben Sachverständige aus allen Bereichen ihre kri 
tische Meinung geäußert, und mir ist sehr deutlich im Ohr, daß 
alle Beteiligten aus dem Bereich der Wirtschaft die Praktikabilität 
dieser Maßnahmen bezweifelten. 
Sie sagten sinngemäß: Warum macht Ihr es kompliziert, wenn 
es auch unkonventionell geht? Es handelt sich doch um einen 
begrenzten Zeitraum von 2, 3, 4 Jahren, und für diesen begrenzten 
Zeitraum müssen doch nicht zusätzliche Ausbildungskapazitäten 
geschaffen werden, es sei denn, Ihr wollt Euch des Verdachtes 
aussetzen, das System der Ausbildung in Berlin verändern zu 
wollen. Gebt doch den Betrieben, die noch nirgendwo Ausbil 
dungskapazität haben, die finanziellen Möglichkeiten, auch über 
ihren Bedarf hinaus auszubilden, dann braucht Ihr das System 
nicht zu verändern, dann habt Ihr schnell geholfen! - So ist es 
mir in Erinnerung, das Wortprotokoll dieser Sitzung liegt ja allen 
vor. 
Unsere Befürchtungen haben wir auch im Plenum und im Aus 
schuß geäußert. Da von den im vergangenen Jahr zur Verfügung 
gestellten 14 Millionen DM tatsächlich nur zweieinhalb Millio- 
nen DM ausgegeben worden sind, haben wir den Eindruck, daß die 
bisherige, sehr erfolgreiche Steigerung der Zahl der Ausbildungs 
verhältnisse eben nicht in großem Umfang auf diese Förderricht 
linien zurückzuführen ist, sondern darauf, daß das duale System 
der Ausbildung ein hohes Maß an Flexibilität in Berlin hat. 
Im Jahr 1980 haben wir mehr als 18 Millionen DM zur Ver 
fügung. Es wird wohl erforderlich sein, die Richtlinien zu ändern, 
damit sie für die ausbildenden Betriebe akzeptabel sind und ange 
nommen werden können. 
Ich sage ohne Rechthaberei; Wir haben bereits 1977 einen 
derartigen Antrag formuliert, hier ein Programm zur Schaffung 
von Ausbildungsplätzen aufzulegen. Der ist aber nach bewährtem 
Strickmuster abgelehnt worden, und ein halbes Jahr später kam 
ein Senatsprogramm. Wir haben dem nicht widersprochen, wir 
haben unsere kritischen Bemerkungen dazu gemacht. Wir stim 
men ja auch in der Zielsetzung mit ihnen voll überein, nur die 
Praktikabilität, wie schon erwähnt, haben wir damals, wie es 
sich jetzt auch als berechtigt herausstellt, in Zweifel ge 
zogen. 
Damals hat der Sprecher der SPD gesagt: Na ja. Eure Beden 
ken können wir im Moment nicht überprüfen; setzt doch erst 
einmal diese Richtlinien in Kraft, und wenn sich dann heraus 
stellt, sie müssen geändert werden, dann ändern wir sie eben. 
- Unsere beiden Anträge, die wir seinerzeit zur Änderung dieser 
Richtlinien eingebracht haben, haben Sie inzwischen berück 
sichtigt. Ich freue mich über diese späte Einsicht hinsichtlich 
dieser Punkte, die wir damals kritisch angemerkt haben, näm 
lich Junktim zwischen überbetrieblicher und zwischenbetrieb 
licher Ausbildung, Junktim zwischen Förderung überbetrieblicher 
Ausbildung, die nur dann gefördert wird, wenn sie auch aus Bun 
desmitteln finanziert ist. Diese beiden Junktims gibt es nicht mehr, 
und das ist eine gute Sache. Dennoch reichen die Förderungs 
richtlinien und die zur Verfügung gestellten Mittel offensichtlich 
zur Zeit nicht aus, um das, was an Nachfrage auf uns zukommt, 
im Jahre 1980 und möglicherweise auch in den folgenden Jahren 
befriedigend zu lösen. 
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