Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
53. Sitzung vom 9. April 1981
Adler
(A) im sozialen Wohnungsbau ein Jahr lang gefördert worden, oder
man hätte 32 ha anständiges Bauland kaufen können, oder an alle
Berliner Kinder unter sechs Jahre wäre ein Jahr lang eine monat
liche Zahlung von 100 DM möglich gewesen, oder die gezahlte Um
satzsteuer des Berliner Baugewerbes entspricht dem verbürgten
Betrag, und die Zahl der Stunden, die seit Christi Geburt bis zu
dieser Plenardebatte am 9. April vergangen sind, ist weniger als
diese verbürgte Summe, nämlich rund 104 Millionen I - Aber die Ge
nossen haben kein Verständnis für diese Zahlen, Sie denken da
zuerst in A- und B-Gruppen.
Keiner derjenigen, die damals politische Verantwortung trugen
und in dieser Sache vor dem Ausschuß gehört wurden, sah ein - so
jedenfalls unser Empfinden daß er heute ohne Amt dastand. Die
haben bis heute nicht begriffen, daß die Leute draußen das Ende
politischer Moral nicht mehr ohne Schaden hinnehmen wollten. Bis
zum heutigen Tage ist es ihnen unverständlich, daß es ausgerech
net sie erwischte. Bloß, man sollte sie dann einmal fragen, warum
denn hier der Vogel und seine Mit-Vögel sitzen, wenn sie ganz un
schuldig gewesen sind.
[Hucklenbroich und Vetter (F.D.P.): Als Adler würde
ich da sehr vorsichtig sein! - Heiterkeit]
Und so schließt sich denn der Kreis, und man stimmt einmal mehr
mit der Mathematik nicht überein, meine Damen und Herren. Die
Summe von Nullen ist eine gefährliche Zahl. - Danke schön!
[Beifall bei der CDU]
Präsident Lummer: Das Wort hat der Kollege Schneider.
Schneider (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Dank kann man gar nicht oft genug aussprechen, vor
allen Dingen dann, wenn es den Mitarbeitern gilt, die fast Über
menschliches an Pensum zu bewältigen hatten. Mein Dank geht
(B) auch an den Ausschußvorsitzenden, den Kollegen Rastemborski,
der sich durchweg um eine sehr faire Verhandlungsführung bemüht
hat, die ihm von seinen eigenen Fraktionskollegen nicht immer
leicht gemacht worden ist, der aber auch mit seiner heutigen Be
richterstattung diese Fairneß durchgehalten hat.
Ich verfüge nun nicht über diese schauspielerischen Qualitäten
des Kollegen Adler.
[Zurufe von der CDU]
Wir durften uns an dieser Locker-vom-Hocker-Manier auch schon
im Ausschuß so manches Mal erfreuen. Aber ich meine, nachdem
er dieses Podium zu einer parteipolitischen Kleinkunstbühne um
funktioniert hat, sollte man - der Schwere des Falles angemessen -
nun wieder zur Ernsthaftigkeit zurückkehren.
[Beifall bei der SPD]
Die SPD-Fraktion war an einer restlosen Aufklärung der Vor
gänge interessiert.
[Dr. Mahlo (CDU): Nana!]
Wir waren es, die um der Wahrheit und Klarheit willen noch vor den
Wahlen möglichst umfassend Untersuchungsergebnisse haben
wollten. Wir waren es deshalb auch, die zu Beginn der Ausschußar-
beit gegen die Opposition durchgesetzt haben, den gesamten
Untersuchungsgegenstand zu behandeln und uns nicht nur auf den
Komplex 1. Juli zu beschränken.
Wer sich nun den einstimmig verabschiedeten Bericht in seinen
wesentlichen Passagen ansieht - etwa die Aussagen über die Kre
ditwürdigkeitsprüfung oder die Prüfung der Voraussetzungen für
die Übernahme einer Landesbürgschaft wird unschwer feststel
len, daß die Zusammenfassung der Mehrheit des Ausschusses
durchaus eine kritische Würdigung des Sachverhalts nach allen
Seiten darstellt, während wir eine einseitige Schuldzumessung, -
womöglich noch personifiziert nach der Marke CDU - für eine miß
bräuchliche Zweckentfremdung des Untersuchungsausschusses
halten. Erfreulicherweise konnte während der ganzen Wochen der
Wahlkampf aus der Arbeit des Ausschusses herausgehalten wer
den. Desto bedauerlicher ist, daß nunmehr im Plenum einzig und (C),
allein dieser Stil von der Opposition versucht wird.
[Beifall bei der SPD]
Wir werden dies nicht mitmachen; wir werden uns weiterhin um ein
Höchstmaß an Objektivität bemühen, und wir bitten die interessier
ten Beobachter, die zusammenfassenden Feststellungen der Mehr
heit des Ausschusses anhand des einstimmigen Berichts gegenzu
checken.
Der Bericht zeigt zunächst deutlich, daß eine Schuld an dem
Bürgschaftsausschuß nicht personifiziert werden kann.
[Ach! bei der CDU - Buwitt (CDU): Nicht soll! -
Zemla (CDU): Die Heinzelmännchen sind es gewesen!]
Dies gilt auch und ausdrücklich für den ganzen Bereich des Ge
sprächs vom 1. Juli. Sinn und Zweck dieses Gesprächs war nach
allen Erkenntnissen des Ausschusses vor allem die Information des
damaligen Regierenden Bügermeisters, und es gab auch die Er
kenntnis im Ausschuß, daß Herr Stobbe entgegen den Vermerken
des Herrn Dr. Kehren in keiner Weise entscheidend in die Angele
genheit eingegriffen hat. Das Gespräch wurde im Gegenteil aus
drücklich mit dem Hinweis auf die zuständigen Entscheidungsgre
mien beendet. - Kommen wir zum damaligen Finanzsenalor Dr,
Riebschläger, der zunächst nur gelegentlich in seiner Eigenschaft
als Kreditausschußmitglied des Aufsichtsrats mit den Vorgängen
befaßt gewesen ist. Er erhob nachgewiesenermaßen massive
Bedenken und verhinderte durch Weisung am 28. Juni 1980 erst
mals eine positive Entscheidung des Bürgschaftsausschusses, um
einfach Zeit für eine genauere Überprüfung der beantragten
Kreditaufstockung zu gewinnen. Er war als erster derjenige, der
eine drohende Verlustfinanzierung bei dem Gesamtengagement er
kannt hatte. Allerdings konnte auch er im Sommer 1980 nicht nach-
weisen, daß ohne Erhöhung der Bürgschaft der Verlust für das
Land Berlin minimiert worden wäre. Er hätte hierzu den sogenann
ten Teufelsbeweis führen müssen, oder aber als einziger die Verant
wortung für den Verlust der damals bereits verbürgten rund 100 Mio
DM sowie den Zusammenbruch der Firma übernehmen müssen. (D) ,
Und hier - in der Tat - fiel das Wort von zu viel Historie in der Über
nahme dieser Entscheidung. - Herr Lüder spielte nach übereinstim
menden Aussagen während des gesamten Zeitraums nur eine Ne
benrolle, dies mag man bewerten, wie man will. Gleichwohl haben
sowohl Herr Dr, Riebschläger wie auch Herr Lüder die politische
Verantwortung für das Geschehen, das ihre Geschäftsbereiche be
traf, übernommen. Das war richtig so, und das entspricht auch gu
ten demokratischen Spielregeln.
In der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Verkehr hatte ganz
offensichtlich Herr Schlegel in seiner damaligen Funktion die weit
aus aktivste Rolle übernommen. Das Bürgschaftsengagement fiel
direkt in seine Zuständigkeit, und nach unseren Erkenntnissen küm
merte er sich auch laufend darum.
Eine unzulässige Einflußnahme auf die Berliner Bank oder auf
den Bürgschaftsausschuß konnte weder von Senatsseite noch von
dritter Seite festgestellt werden. Auch die Aktivitäten der Industrie-
und Handelskammer und des damaligen Präsidenten des Abgeord
netenhauses, Herrn Lorenz, sind eher der Grauzone eines
schnellen Anrufs zuzurechnen als dem Bereich der unzulässigen t
Einflußnahme. Obwohl Herr Lorenz in seiner Eigenschaftals Rechts
anwalt auf Grund seines Beratervertrages während der gesamten
70er Jahre bis 1979 zirka 80 000 DM an Honoraren, Spesen und
Reisekosten von Herrn Garski erhalten hat, konnte Herr Lorenz
doch vor dem Ausschuß überzeugend darstellen, daß er das Geld
jedenfalls nicht für weitergehende Aktivitäten in diesem Fall erhal
ten hat. - Es muß allerdings gesagt werden, daß diese
Empfehlungsschreiben hier und Anrufe da zweifelsohne dazu bei
getragen haben, insgesamt den Eindruck entstehen zu lassen, daß
es sich bei der Firma Garski um ein allseits geschätztes und seriö
ses Unternehmen gehandelt habe. Dies sei unbestritten.
Hinzu kam ferner, daß nicht zuletzt gerade zu diesem Zeitpunkt
im politisch-parlamentarischen Raum die Aufforderung zu größerer
Risikofreudigkeit erhoben wurde, was den Bereich der Bürgschaf
ten betraf. Am 11. Juli 1978 ist hier eine Änderung des Landesbürg
schaftsgesetzes eingebracht worden, mit der Bürgschaften auch
für Auslandsgeschäfte ermöglicht werden sollten. Der damalige
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