Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
50. Sitzung vom 12. März 1981
Frau Schmid-Petry
der Ausbildung als Friseuse in Großbetriebe und werden dort unge
lernte Arbeiter. Das ist für mich nicht Sinn einer Ausbildung.
Zum zweiten: Die Vermehrung von Ausbildungsplätzen muß in
haltlich auch für die Mädchen gelten. Was heißt das? - Die Aus
wahl an Berufen ist traditionell für Mädchen nach wie vor sehr viel
geringer als für Jungen. Sie können das rein zahlenmäßig überall
sehen. Sie kennen die klassischen Ausbildungsberufe für
Mädchen. Fragen Sie ein Mädchen, dann antwortet es Ihnen:
Friseuse, Verkäuferin, Arzthelferin oder Anwaltsgehilfin etc.
[Wronski (CDU): Das stimmt aber nicht so!]
Ich meine, daß es unsere und Aufgabe der Gesellschaft ist, ver
mehrt Anstrengungen zu unternehmen, Mädchen in technisch
gewerbliche Berufe zu bekommen. Wir sollten uns das Ziel setzen,
daß Berufe, in denen fast nur Jungen oder nur Mädchen ausgebil
det werden, zukünftig die Ausnahme sind. Ich halte es nur für einen
ersten Schritt, daß wir einen Modellversuch Mädchen in Männer
berufen, im gewerblich-technischen Bereich, ausgebildet haben.
Ich halte es für gut, daß 83 Mädchen diesen Schritt gewagt haben.
Fragen Sie diese 83 betroffenen Mädchen aber, in welchem Beruf
sie eigentlich ausgebildet werden wollten, so werden Sie feststel
len, daß in den allermeisten Fällen ein anderer Beruf genannt wird.
Diese Mädchen sind in den technischen Bereich gegangen, weil es
für sie erst einmal eine Notlösung war.
Die F.D.P.-Fraktion bittet daher den Senat, die Berufsfindungs
phase mit einer intensiveren Beratung auch der Eltern auszustatten.
Bei den Eltern müssen Vorurteile abgebaut werden. Die Unterstüt
zung durch die Berufsberater in den Schulen muß so früh wie mög
lich begonnen werden. Das gleiche gilt im übrigen für Behinderte
und Ausländer.
Nun komme ich zum dritten Punkt: Das sind die Ausländer. Ich
bin auf der einen Seite darüber erfreut, daß Herr Sund im Gegen
satz zu der Beantwortung einer Kleinen Anfrage von mir vom 26. Ja
nuar heute mitgeteilt hat, daß die damals vorübergehenden, zusätz
lichen 220 Arbeitsplätze nunmehr fest installiert worden sind. Herr
Sund sprach heute von 1350 festen Plätzen.
Herr Abgeordneter Feilcke, ich will Herrn Senator Sund nicht vor
greifen, aber ich kann wahrscheinlich Ihre Frage beantworten, weil
Herr Sund sie ja bereits beantwortet hat. Es erfüllt mich mit großer
Sorge, daß nur 5 Prozent der ausländischen Mitbürger, die die
MBSE-Maßnahmen durchlaufen, anschließend ein Ausbildungsver
hältnis bekommen. Von 100 ausländischen Jugendlichen sitzen 95
hinterher auf der Straße oder sind dafür qualifiziert, ungelernte
Arbeiter zu werden. Auch das halte ich für eine Gefahr, wenn die un
gelernten Arbeiter auf Dauer zumindestens sich in der Mehrzahl
aus ausländischen Jugendlichen rekrutieren. Es ist zu prüfen, ob
diese MBSE-Maßnahmen entweder nicht ausreichend sind, oder ob
man Appelle an die Arbeitgeber richten soll, ihre Vorurteile hier ab
zubauen. Ich stimme Herrn Senator Sund vorbehaltlos zu. Wir soll
ten uns während aller Legislaturperioden daran erinnern, daß mit
der Berufsausbildung die Weichen für die Zukunft gestellt werden.
- Ich danke Ihnen!
[Beifall bei der F.D.P. und bei der SPD]
Stellv. Präsident Baetge: Als nächster hat das Wort Herr
Senator Sund.
Sund, Senator für Arbeit und Soziales: Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Abgeordneter Feilcke,
ich glaube, daß es doch ganz nützlich ist, wenn man die Regie
rungserklärung und die Aussprache über die Regierungserklärung
noch einmal zur Hand nimmt. In dem Protokoll des Abgeordneten
hauses können Sie auf Seite 1994 der 47. Sitzung vom 12. Februar
1981 nachlesen, daß die Förderung der beruflichen Bildung in der
Aufzählung zu den selbstverständlich weiterzuführenden Schwer
punkten der Regierungspolitik gehört. Im übrigen muß ich sagen,
daß wir intensiv über die Perspektiven der jungen Menschen ge
sprochen haben. Dort ist die Rede,von der beruflichen Bildung. Soll
dies nun noch einmal alles katalogartig aufgezählt werden? - Hier
sind wir doch schon genau in das Zentrum gestoßen. Wer das nicht
in sich aufgenommen hat, der hat von dieser Regierungserklärung
und dem Geist, der sie trägt nichts verstanden.
[Feilcke (CDU): Das waren alles nur Phrasen!]
- Es stimmt nicht besonders kampfesfroh, Herr Abgeordneter
Feilcke, wenn ich in der Debatte über die berufliche Bildung mit
Ihnen immer wieder zwei Punkte hin- und herwende. Das ist einmal
die Frage der Post. Diese Schlacht ist bereits geschlagen. Ich muß
dies noch einmal ausdrücklich feststellen. Das andere Problem ist
die Frage des Berufsamts und wie es sich zusammensetzt. Ich muß
zum wiederholten Male sagen, daß keiner zum Berufsamt kommt, es
sei denn über die Berufsberatung des Arbeitsamtes. Das wollen wir
nun einmal für alle Zeiten festhalten, daß es nur diesen Weg dorthin
gibt und daß diese Voraussetzung, die seinerzeit unsere Geschäfts
grundlage gewesen ist, auch eingehallen worden ist.
[Feilcke (CDU): Aber die Zweckbestimmungen
waren andere!]
Zu Ihrer Anmerkung über die obskuren Einrichtungen kann ich
nur sagen, daß wir hier ein wenig sorgfältiger sein sollten.
Den Bereichen der Jugendhilfe, in denen man mit ganz besonde
ren zusätzlichen Anstrengungen mühsam Vertrauen schaffen muß,
tut es nicht gut, wenn man sie als obskure Einrichtungen abstem
pelt. Ich rate sehr, daß man sich diese Ansätze und die Arbeit, die
dabei geleistet wird, ein wenig sorgfältiger ansieht und hilft, sie zu
leisten, anstatt sie zu denunzieren.
[Feilcke (CDU): Erzählen Sie einmal von den
Ausbildungserfolgen! Es sind alles hohle Phrasen!]
Ich bin Ihnen dankbar, Frau Schmid-Petry, daß Sie meine Ausfüh
rungen in Erinnerung gebracht haben. Ich kann mich nicht hierher
stellen und sagen, daß es einen lückenlosen Übergang von den
Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Eingliederung in eine be
triebliche Vollausbildung gibt. Ich habe einiges über die Schwierig
keiten gesagt. Es wäre unredlich, wollte ich den Eindruck erwecken,
als ob wir dieses Problem in kürzester Zeit miteinander lösen
könnten. Da werden wir uns noch sehr viel einfallen lassen müssen,
um hier einen vernünftigen Anschluß herzustellen.
[Feilcke (CDU): Na dann mal los! Das wollten
wir heute hören!]
Meine Damen und Herren, ich möchte es bei diesem Versuch
einer kurzen Würdigung der Aussprache belassen. Ich bedanke
mich sehr für die Zustimmung, die dabei sichtbar geworden ist;
aber ich füge hinzu: Wenn man schon an einem Tag in einer ande
ren Stunde über Probleme des Rechtsstaates spricht, sollte man
dabei niemals aus den Augen lassen, daß Recht auf Ausbildung
und daß Recht auf Arbeit essentielle Bestandteile einer Debatte
über den Rechtsstaat sind.
[Beifall bei der SPD]
Stellv. Präsident Baetge: Weitere Wortmeldungen liegen
nicht vor. Damit hat die Große Anfrage ihre Erledigung gefunden.
Wir kommen nunmehr zu
ifd. Nr. 8, Drucksache 8/714:
Große Anfrage der Fraktion der CDU über Haushalts
kürzungen und PH-Integration
Wie verschiebt sich die Planung zur Durchführung der
Integration der Pädagogischen Hochschule Berlin (PH) in
die aufnehmenden Hochschulen aufgrund der veränderten
Haushaltslage?
a) Welches ist der Stand der räumlichen Integration?
b) Welche Probleme konnten bisher gelöst werden?
c) Welche Probleme sind noch ungelöst?
d) Welche Probleme erscheinen in den nächsten
3 Jahren nicht lösbar?
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