Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
50. Sitzung vom 12. März 1981
Frau Brinckmeier
' (A) Krankengymnastinnen und Beschäftigungstherapeuten. Wir hof
fen - dies ist ein großes Randproblem daß es gelingen wird, ein
strukturelles Problem des Krankenheims mittelfristig zu lösen. Ich
meine den derzeitigen Verzicht auf eine finanzielle Beteiligung der
Krankenkassen am Pflegesatz. Es muß endlich gelingen - eine seit
langem schon, auch von Sozialdemokraten erhobene Forderung -,
daß Riegebedürftigkeit zu einem Versicherungstatbestand ge
macht wird.
[Vetter (CDU): Aber nicht nur von Ihnen!]
- Ich habe ja „auch sozialdemokratische Forderung“ gesagt. - Hier
zu bedarf es natürlich der Initiative auf Bundesebene.
Als letzte, kurze Bemerkung ein paar Worte zu der schrittweisen
Einführung einer bedarfs- und flächendeckenden häuslichen Kran
kenpflege. Wir sind außerordentlich erleichtert, als wir eben hörten,
daß diese endlich gesichert erscheint - wenn hier natürlich auch
nach wie vor noch Finanzierungsfragen offen sind. Mit einer gewis
sen Neugierde - das muß ich zwar sagen - sehen wir der lang an
gekündigten Auswertung des wissenschaftlich begleiteten Modell
versuchs entgegen und auch der entsprechenden Senatsvorlage,
die bisher noch nicht bei uns eingegangen ist. Immerhin scheinen
die Erkenntnisse, die man daraus gewonnen hat, ermutigend genug
zu sein, daß man sich trotz der schwierigen Finanzsituation Berlins
zu einem stufenweisen Ausbau der häuslichen Krankenpflege in
Zusammenarbeit mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege
entschlossen hat.
[Schicks (CDU): Ach, Sie kennen die Vorlage schon, ja?]
Uns ist zumindest aus Gesprächen, die wir vor kurzem mit Vertre
tern der Liga hatten, bekannt, daß die Gespräche zwischen den Ver
bänden und dem Senat zur beiderseitigen außerordentlichen Zu
friedenheit verlaufen sein sollen - insofern glaube ich, daß man
dann von einem ermutigenden Zeichen sprechen darf.
[Zwischenruf von Herrn Schicks]
I - Ich habe gesagt, Herr Schicks, sie ist uns auch noch nicht zuge-
( (ß) gangen, aber es haben entsprechende Gespräche - sicherlich
auch in Ihrer Fraktion - stattgefunden; wir haben permanent Ge
spräche mit den entsprechenden, gesellschaftspolitisch relevanten
Gruppen geführt.
[Vetter (CDU): Nach unserer guten Vorarbeit - na klar!]
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber doch noch darauf
aufmerksam machen, daß die SPD-Fraktion immer der Meinung
war, daß die häusliche Krankenpflege und die Schaffung von Kran
kenheimplätzen als flankierende Maßnahmen des Bettenbedarfs
plans parallel zur Bettenrücknahme laufen müssen - insofern ein
kleiner Widerspruch zu den Ausführungen des Herrn Senators,
denn das war auch Voraussetzung für unsere damalige Zustim
mung zu der Gesamtplanung der Bettenbedarfsplanung. Wir erhof
fen selbstverständlich auf längere Sicht eine entsprechende Entla
stung durch diese flankierenden Maßnahmen für die stationäre Ver
sorgung. - So weit erst einmal mein Redebeitrag; Herr Kollege
Mertsch wird sicherlich nachher noch einiges weitere sagen.
Danke!
[Beifall bei der SPD und der F.D.P.]
Stellv. Präsident Baetge; Als nächster hat das Wort der Kol
lege Swinne. - Bitte schön!
Swinne (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit
der ersten und zweiten Frage, die die Opposition in ihrer Großen
Anfrage über die stationäre Krankenversorgung stellt, eröffnet die
CDU-Fraktion in diesem Haus recht unterkühlt die an sich im Herbst
zu führende Aussprache und die Erörterungen über die vom Senat
angekündigte Zwischenkontrolle zum Krankenhausbedarfsplan
1978. Die Opposition hat natürlich recht,
[Vetter (CDU): Wie immer!]
wenn sie verlangt, daß die Daten aus den vergangenen Jahren ver
öffentlicht werden sollen. Eine Debatte über die Revision des Kran
kenhausbedarfsplans ist nur zu führen, wenn das Datenmaterial
über die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten, Verweildauer,
Auslastung und Bettendichte vorliegt. Sie haben mit Recht darauf
hingewiesen - ich glaube, auch die Vertreter von der SPD-Frak
tion -, daß das bisher vorgelegte Datenmaterial noch nicht als
ausreichend für eine sinnvolle Vordebatte zu bezeichnen ist.
(Schicks (CDU): Überhaupt nicht als solches zu bezeichnen!]
Nun, ich glaube, der Senator für Gesundheit und Umweltschutz hat
aber mit seiner ersten Stellungnahme vorhin aufgezeigt, wie es wei
tergehen soll. Sie werden mir nachsehen, daß ich in diesem Zusam
menhang erwähne, daß der von meiner Fraktion eingebrachte An
trag zur Führung einer Morbiditätsstatistik, der - Gott sei Dank -
einstimmig angenommen wurde,
[Vetter (CDU): Der war ja auch gut!]
in ähnlicher Weise wie die Fragen 1 und 2 der Opposition darauf
zielt, weiteres objektives Datenmaterial zur Überprüfung des Kran
kenhausbedarfsplans zu erhalten.
[Vetter (CDU): So kann man sich ergänzen!]
- Jawohl, das ist auch sehr sinnvoll, daß die Opposition da mit uns
mitgestimmt hat. Ich wußte bis dahin noch nicht, daß dieser Punkt
auch in Ihr Programm aufgenommen worden ist. - Die Anforderung
dieses Materials ist keine Spielerei des Parlaments, diese Daten
werden benötigt, um die notwendigen Entscheidungen in der Kran
kenhausmodernisierung und -erneuerung möglichst sachgerecht
zu treffen. Die hohen Kosten im Krankenhauswesen zwingen uns
dazu, sorgfältig die notwendigen Entscheidungen zu treffen.
In der Frage 3 erkundigt sich die Opposition nach der Versor
gung der Chronischkranken und fordert Sofortmaßnahmen, die
eine Besserung der Situation bringen sollen. Ich habe noch einmal
im Protokoll nachgelesen, was Herr Schicks im Rahmen der Haus
haltsdebatte im Dezember 1980 zu diesem Themenkomplex sagte.
Schon damals gab es in der Beschreibung der Situation - die Herr
Schicks hier vortrug - keinen Dissens zwischen den Fraktionen. Er
skizzierte bereits damals kurz und knapp Anspruch und Wirklich
keit der Seniorenheime: mit voller Verpflegung und Betreuung, der
Riegeheime beziehungsweise Riegestationen mit dem erhöhten
Betreuungsaufwand, der Krankenheime, mit erheblicher Riege
bedürftigkeit in den Krankenhäusern mit Fachabteilungen für Chro
nischkranke. Natürlich wissen wir auch, daß zum Beispiel das Kran
kenheim nur dann voll seiner Aufgabe nachkommen kann, wenn es
durch niedergelassene Arzte in ausreichender Weise besucht wird.
Wir wissen auch, daß die Angebote zur Rehabilitation mehr als be
scheiden auf Chroniker-Stationen sind - darauf hat auch Herr
Schneider in seinem Beitrag hingewiesen. Wir wissen auch, daß
die Fluktuation des Riegepersonals mit dem bedauerlichen Trend,
daß gerade das qualifizierte Personal oft aus dem Chroniker-Be
reich abwandert, die Betreuungssituation und die medizinische Ver
sorgung schwierig, oft sehr schwierig gestaltet. Aber auch in Kennt
nis dieser Mängel, die diese Einrichtungen im Enzelfall aufweisen,
hat das abgestufte System der Betreuung seinen Sinn behalten.
Aus der Sicht meiner Fraktion sollte noch einmal darauf hinge
wiesen werden, daß die Rückbesinnung auf die ambulante Versor
gung eine Alternative ist, die in bestimmten Situationen hilft, das so
ziale Umfeld des Patienten zu stützen. Es ist für mich eine Tatsache,
daß es in der Regel zweckmäßiger ist, wenn ein Riegebedürftiger
oder Kranker Hilfe und Zuwendung durch seine Familie erhält. Der
Staat sollte verstärkt die Selbsthilfe der Familie stützen durch die
flankierende Maßnahme der häuslichen Krankenpflege, die organi
satorisch - nach unserer Auffassung - in Sozialstationen eingebet
tet und dezentralisiert organisiert sein sollte. In dieser Frage gibt es,
glaube ich, im Grundsatz zwischen den Fraktionen keine so großen
Unterschiede, wobei ich vielleicht doch anmerken muß, daß die
Opposition in dieser Frage uns ein wenig - zumindest atmosphä
risch - näher steht als die andere Regierungspartei.
[Schicks (CDU): Das ist ja sehr sympathisch,
Herr Swinne I]
Mit der Frage 4 trifft die CDU-Fraktion in der Tat einen wunden
Punkt, wenn man zum Beispiel an die Probleme der Umwidmung
der Akutbetten im Krankenheim denkt. Die von der CDU erwähnten
Hemmnisse und Verunsicherungen sollten aber auch beim Namen
genannt werden. Der Senator für Gesundheitswesen hat das
bereits in recht offener Weise getan. Da gibt es auch die
Berufsverbände und Gewerkschaften, die aufgrund des unter-
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