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Volume Nr. 50, 12. März 1981

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
50. Sitzung vom 12. März 1981 
(A) Dr. Brunner, Bürgermeister und Senator für Wirtschaft und Ver- 
1 kehr: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich 
nicht gemeldet, wenn diese Debatte nicht in einer Tonlage geführt 
würde, von der ich befürchte, daß sie den Erfordernissen, den 
Bedürfnissen der Berliner Bürger nicht gerecht wird. 
Ich bitte Sie eindringlich, sich zu überlegen, meine Damen und 
Herren von der Opposition, ob Sie dabei sind, dies zu tun. Sie 
haben jetzt die zweite oder dritte Aktuelle Stunde zu diesem Thema 
beantragt 
[Landowsky (CDU): Die letzte hatten Sie doch beantragt!] 
- Wir haben eine beantragt, als feststand, daß eine Beantragung 
sicher war. 
[Wronski (CDU): Machen Sie sich doch erst 
einmal sachkundig!] 
(B) - Wir stehen eben manchmal früher auf, ich kann Ihnen da nicht 
helfen. 
[Feilcke (CDU): Das machen Sie nur, 
wenn Sie es in der Presse bringen können!] 
Wir sind auch heute morgen früher aufgestanden. 
[Zuruf des Abg. Wronski (CDU)] 
- Herr Wronski, regen Sie sich nicht auf, das ist nicht gut für Ihren 
Blutdruck. Bleiben Sie bitte ganz ruhig. 
[Buwitt (CDU): Sie sind doch ein Meister 
an Selbstbeherrschung!] 
Ich frage Sie noch einmal: Ist dieses Verfahren richtig, daß Sie 
einmal ums andere, ohne daß neue Gegebenheiten in Berlin vor 
liegen - woanders hat es ja solche gegeben -, 
[Diepgen (CDU): Der Montag war schlimm, aber neu!] 
dieses Thema in einer Weise behandeln, die letzten Endes von der 
Fragestellung her, von der Art der Debatte her auf eine Schwarz- 
weiß-Diskussion hinauslaufen muß. Dies ist doch nicht das Richtige 
für Berlin und für die Berliner Bürger. Warum haben wir denn nicht 
alle die Ehrlichkeit, 
[Buwitt (CDU): Warum haben Sie sie eigentlich nicht?] 
dem Bürger in Berlin zu sagen: Hier haben wir vielleicht für lange 
Zeit eine schwierige Situation, bei der wir auch nicht mit allen 
Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, gewährleisten können, daß in 
jeder Hinsicht dies geschehen wird, was der Bürger nach den 
korrekten Regeln erwarten kann. Warum sagen wir denn nicht dem 
Bürger ehrlich: Wir werden uns bemühen, nach Kräften die rechts 
staatlichen Prinzipien zu wahren; wir wollen Dir aber zugleich etwas 
vom Leibe halten, was viel schlimmer wäre als eine gelegentliche 
Hinauszögerung einer Hausdurchsuchung oder die Verfolgung 
einer mit einer Hausbesetzung zusammenhängenden Straftat? Wir 
wollen Dir gewalttätige Zusammmenrottungen ersparen, von 
denen niemand von uns weiß, wo sie enden. Du hast einen An 
spruch darauf, vertraue uns! Wir wollen zusammen - alle Parteien 
in diesem Haus - dazu beitragen durch die Art und Weise, wie wir 
miteinander umgehen, durch die Vermeidung von Schärfen, daß ( 
Dein Vertrauen in den Rechtsstaat nicht erschüttert, sondern 
gestärkt wird! 
[Beifall bei der F.D.P. und der SPD] 
Ist dies zuviel verlangt? Kann der Berliner Bürger denn nicht die 
Wahrheit vertragen - Ihrer Meinung nach, meine Damen und Her 
ren der Opposition -, daß es in einer modernen Gesellschaft, in der 
es eine Fragmentierung von Interessengruppen gibt, in der sich - 
leider Gottes - an vielen Stellen Gewalt oder gewaltähnlicher 
Druck als Praxis ausgebildet hat, für den Rechtsstaat besonders 
schwer ist, das richtige Mittel zu finden, um vorzubeugen oder um 
zu ahnden? - Der Berliner Bürger ist intelligent genug, dies zu ver 
stehen. 
[Wronski (CDU): Frag ihn mal!] 
Gaukeln Sie doch bitte nicht dem Berliner Bürger vor, 
[Wronski (CDU): Mit wem kommen Sie eigentlich 
zusammen?] 
daß irgend jemand hier, irgend jemand in diesem Haus in der Lage 
wäre, sehr viel besser, sehr viel geschickter, sehr viel wirksamer ein 
unendlich schwieriges, leidvolles, gesellschaftliches, zwischen 
menschliches Problem zu bewältigen! Das glaubt der Berliner 
Bürger mit Recht nicht. Und wir alle täten gut daran, uns nicht 
gegenseitig so zu behandeln, als ob der andere ein unfähiger Trat- | 
tel wäre und man selbst das Patentrezept hätte zur Lösung von Pro- * 
blemen. Das ist doch nicht richtig; das kann doch kein Mensch in 
dieser Stadt glauben! Wir alle täten hingegen gut daran, an Morgen 
zu denken, daß wir wahrscheinlich - Gott sei es geklagt - über 
eine lange Strecke mit diesen Phänomenen leben müssen. Wir 
täten gut daran, uns gegenseitig aufzuklären und auch - wenn Sie 
wollen - kritisch zu verfolgen in dem, was wir tun - aber bitte: 
kritisch im Detail, fair im Maßstab, ohne Schwarz-weiß-Malerei, 
ohne die Pauschalbehauptung, daß nun die einen nicht mit der glei 
chen Leidenschaft und dem gleichen Engagement für den Rechts 
staat eintreten wie die anderen. Das ist nicht gut! 
(C 
Der Beginn einer solchen Debatte ist in sich selbst eine solche 
Schwächung des Rechtsstaats, 
[Landowsky (CDU): Der Beginn der Debatte?] 
daß jedermann in diesem Parlament es vermeiden sollte, in einer 
solchen Schwarz-weiß-Manier zu debattieren. Es gab Fragen 
[Landowsky (CDU); Wir haben keine Fragestunde, 
wir haben eine Aktuelle Stunde!] 
Stellv. Präsident Baetge; Herr Bürgermeister, eine Sekunde - 
Herr Boehm, besteht Ihre Zwischenfrage noch? 
[Boehm (CDU): Ja!] 
- Bitte schön, Sie haben das Wort. 
Boehm (CDU): Darf ich fragen, Herr Senator, ob Sie mit Ihren 
sehr allgemeinen Äußerungen als Senatsmitglied hier filibustern, 
um den Abgeordneten die Möglichkeit zu nehmen, die Aktuelle 
Stunde voll auszunutzen? 
[Zuruf von der SPD: Die Frage ist unerhört! 
und Unruhe bei der SPD - Zuruf von der CDU: 
Die war sehr gut, die Frage! — Hucklenbroich (F.D.P.): 
Die Redezeit des Senats wird gar nicht angerechnet!] 
Stellv. Präsident Baetge: Herr Abgeordneter Boehm, ich darf 
Sie darauf hinweisen, daß die Zeit, die vom Senat in Anspruch ge 
nommen wird, nachdiskutiert werden kann - es geht also nichts 
verloren. 
[Boehm (CDU): Danke, das war ein Mißverständnis! - 
Zuruf von der SPD: Er ist ja noch neu! - 
Diepgen (CDU): Das ist gegen das 11. Gebot!] 
Man tut dem Rechtsstaat keinen Gefallen, man tut dem Staat 
keinen Gefallen, wenn in schwierigen Situationen, in denen der 
Staat nur pragmatisch, vorsichtig, geschmeidig vergehen kann, man 
die Dinge reduziert auf ein Schwarz-weiß-Schema, das mit der Frage 
endet: Wer ist hier der Strammste? 
Ich glaube, wir alle und alle Parteien in diesem Haus wissen, daß 
wir dieses - und Sie haben es selber gesagt, Herr Kollege Diepgen 
- Problem noch über eine lange Strecke haben werden, daß es 
nicht leicht sein wird, dieses Problem zu lösen, daß wir sehr viel 
Unruhe haben werden, daß wir nur mit bruchstückhaften, mit nicht 
befriedigenden Lösungen über eine lange Strecke arbeiten werden 
müssen, wer auch immer in Berlin regieren wird. 
Nun frage ich mich, liegt es nicht im Interesse des Rechtsfrie 
dens dieser Stadt, wenn in einer solchen Situationen ein Thema, 
das wegen seiner Brisanz leicht zu Vergröberungen führen kann, 
leicht dazu führen kann, daß diejenigen, die zusammenstehen 
müssen, die demokratischen Parteien, sich zerstreiten, mit Zurück 
haltung und Sorgfalt behandelt wird? 
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