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Volume Nr. 50, 12. März 1981

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
50. Sitzung vom 12. März 1981 
Diepgen 
(A) beteiligt. Aber das ist nicht nur eine Frage der innerdeutschen Re 
präsentanz der Kultureinrichtungen hier im Westteil der Stadt, die 
Diskriminierungsversuche reichen auch ins Ausland. Noch im De 
zember 1980 gab es dieselbe Problematik in Amsterdam. Ich 
frage mich, was hat den Senat veranlaßt, jetzt all diese Probleme zur 
Seite zu schieben und Im Rahmen einer Geste, aus Respekt vor 
Schinkel, Maßnahmen einzuleiten, die in ihren langfristigen Auswir 
kungen nicht zu übersehen sind, ja, die zum Schaden Berlins und 
der Kultureinrichtungen in dieser Stadt gereichen können. Was hat 
den Senat dazu veranlaßt? 
(Beifall bei der CDU - Unruhe bei der SPD - 
Momper (SPD): Respekt vor Schinkel war 
schon ein richtiges Stichwort! - 
Hauff (SPD): Weit weg vom Thema!] 
Aber nicht nur dieser Punkt ist hierzu beachten. Die Kollegen, die 
sich mit den Fragen des Ausschusses für Kulturelle Angelegenhei 
ten oder mit Finanzfragen oder mit Baufragen beschäftigen, wissen, 
daß wir in den vergangenen Jahren ja viel Geld aufgewandt haben, 
weil jeder Denkmalpfleger zu der Überzeugung gekommen ist, daß 
man Originale in der Öffentlichkeit nicht aufstellen kann, daß man 
Originale irgendwo unter Dach unterbringen muß. Ich stelle mir die 
Frage - wenn man nur als Geste zur Vervollständigung des Ensem 
bles der Schloßbrücke diese Skulpturen abgeben will -, warum 
man dann nicht Abgüsse abgibt. Warum müssen hier die Originale 
abgegeben werden, von denen man ganz genau weiß, daß sie unter 
denkmalpflegerischen Gesichtspunkten eben nicht auf dieser 
Schloßbrücke aufgestellt werden können? 
[Beifall des Abg. Dr. Biewald (CDU)] 
Das sind eine ganze Reihe von Fragen, die noch in den Antworten 
eben unausgegoren sind. 
Wenn ich den Begriff „unausgegoren“ hier benutze, dann auch 
vor dem Hintergrund der Geschichte der Regierungserklärung. 
Offensichtlich ist der Senat erst vor wenigen Tagen auf diese Idee 
gekommen. Dann wurden die Fraktionen kurzfristig von dieser Idee 
(B) unterrichtet, in einer Materie, die die gesamtdeutschen Fragen, ge 
samtberliner Fragen betreffen, in einer Materie, wo alle Fraktionen 
sich in den vergangenen Jahren darin einig waren, daß man ein 
Höchstmaß an Gemeinsamkeit erreichen will, wo man in dieser 
Stadt eigentlich mit Selbstverständlichkeit davon ausgeht, daß man 
vorher darüber redet, vorher alle diese Fragen miteinander abklärt. 
Dieser Senat hat es in dieser Frage nicht für nötig gehalten. In einer 
Frage, die eben Rückwirkungen hat auf die kulturellen Einrichtun 
gen des Landes Berlin und der kulturellen Einrichtungen, die im 
Lande Berlin angesiedelt sind. Dieses ist ein unmögliches Vor 
gehen. 
[Beifall bei der CDU] 
Und ich habe den Eindruck, daß dieses ein wenig vordergründig 
nur unter dem Aspekt gesehen wird, wie kann ich angesichts 
dieses Geburtstages noch sozusagen ein besonderes Ereignis 
selbst produzieren. Wenn ich besondere Ereignisse selbst produ 
zieren will, dann muß ich auch über diese besonderen Ereignisse 
in all ihren Rückwirkungen sorgfältig nachdenken, 
[Momper (SPD); Schinkels Geburtstag ist 
ein historischer Fakt, Herr Diepgen!] 
- Man weiß nun schon seif Jahren, wann dieser 200. Geburtstag 
Schinkels ansteht. Da kommt dieser Senat erst vor zwei Tagen auf 
die Idee, hier eine solche Geste Ost-Berlin gegenüber zu unterneh 
men. Und dieser Senat unterrichtet die Fraktionen des Abgeordne 
tenhauses eine halbe Stunde vor Beginn einer Plenarsitzung, und 
er unterrichtet die Fraktionen auch nur parallel mit dem Abschluß 
dieses Angebots einer Schenkung an Ost-Berlin; denn die Fakten 
sind im Grunde gesetzt. 
Dabei ist dann aber in der Eile noch etwas offensichtlich verges 
sen worden. In der Landeshaushaltsordnung ist eine Bestimmung 
zu lesen, wonach Wertgegenstände, Vermögensgegenstände nur 
gegen ihren vollen Wert veräußert werden dürfen. Inwieweit ist hier 
eine solche Schenkung überhaupt möglich? 
[Hauff (SPD): Es ist eine Schande! Das ist 
beschämend! - Unruhe bei der SPD] 
Inwieweit kann dies ohne die Zustimmung des Abgeordnetenhau 
ses geschehen, ohne die vorherige Abstimmung mit den Fraktio 
nen? Offensichtlich hat man in der Eile selbst diese Bestimmung 
übersehen. Wer die kulturpolitischen Rückwirkungen dieser Geste 
nicht sieht, wer nicht den Weg geht, den ich hier ausdrücklich für 
zulässig und möglich halten würde, daß man Ost-Berlin anbietet, 
diese Skulpturen auf der Schloßbrücke aufstellen zu dürfen, daß 
man über die Folgen im einzelnen, über die Bedingungen mit den 
Rückwirkungen auch auf die anderen Probleme, die ich hier ange 
sprochen habe, spricht, damit wären wir einverstanden gewesen. 
Das ist eine kulturpolitische Überlegung, die in diesem Hause wie 
derholt bereits vorgetragen worden ist; aber dazu hat man sich aber 
eben nicht entschließen können. 
[Momper (SPD): Herr Buchhalter, das sehen 
Sie vollkommen falsch!] 
Der Senat hat nur gesagt, sie bekommen - so die Unterrichtung, so 
die Mitteilung des Bürgermeisters - diese Skulpturen. Über die Ein 
zelheiten der Übergabe soll der Landeskonservator reden. 
Angesichts eines solchen Verhaltens kann ich nur fragen: Um 
Himmels willen, welche Stümper sind denn da am Werk? 
[Beifall bei der CDU] 
Präsident Lummer: Das Wort hat nun der Kollege Kollat. 
Kollat (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist 
wohl klar, daß meine Fraktion diese Geste des Senats, die heute 
hier zur Diskussion steht, begrüßt; 
[Beifall bei der SPD] 
denn es ist, wie der Bürgermeister dieser Stadt vorhin ausgeführt 
hat, eine Angelegenheit, bei der es in erster Linie um die Ehrung 
Schinkels geht. Eine solche Ehrung, meine Damen und Herren, kann 
man nicht in billiger Form vollziehen. Deswegen will ich gleich auf 
einen Punkt der Ausführungen des Kollegen Diepgen eingehen, der 
fragte: Warum gebt Ihr die Originale rüber und nicht die Abgüsse? 
Lieber Kollege Diepgen, wenn man Schinkel ehren will, kann man 
das nicht mit Surrogaten, das heißt, in Form von billigen Dingen tun. 
In diesem Fall wäre die Geste, von der hier die Rede ist, eine „billige 
Geste“, wenn wir einfach Abgüsse rübergäben. 
[Beifall bei der SPD - Wischner (CDU): Was wird 
denn aufgestellt in Ost-Berlin?] 
- Wenn einer der Herren Zwischenrufer fragt, was denn dort aufge 
stellt werde, dann muß ich ihm sagen: Das müssen wir wohl der 
anderen Seite überlassen, ob sie die Originale aufstellt oder ob sie 
entsprechende Abgüsse fertigt. 
Aber nun, meine Damen und Herren, bleiben wir noch einen Au 
genblick bei den Ausführungen des Bürgermeisters, die sich in 
einem Punkte sogar mit den Ausführungen des Kollegen Diepgen 
decken. 
Der Bürgermeister sagte: Es geht um die gemeinsame Ge 
schichte dieser Stadt. 
[Beifall bei der SPD] 
Es ist doch wohl niemand hier im Hause bereit zu behaupten, die 
Schloßbrücke sei nicht ein Stück der gemeinsamen Geschichte 
dieser Stadt, genau wie Schinkel. 
[Beifall bei der SPD] 
Präsident Lummer: Sie gestatten eine Zwischenfrage des 
Herrn Wronski? 
Kollat (SPD): Bitte! 
Wronski (CDU): Herr Kollege Kollat, weil Sie von Originalen 
sprechen: Ist Ihnen noch in Erinnerung, daß anläßlich der Übergabe 
der Quadriga für das Brandenburger Tor das Original von Ost-Berli 
ner Seite verändert wurde - übrigens pikanterweise des Symbols 
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