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Volume Nr. 48, 26. Februar 1981

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
48. Sitzung vom 26. Februar 1981 
Oxfort 
muß hier unterstrichen werden, in einer solchen Situation mit einer 
solchen weiß-blau-gestreiften - Entschuldigung, Frau Senatorin 
Brunn, -, ich muß wohl sagen, weiß-blau-rot-gestreiften Mannschaft 
hier anzutreten und sozusagen die Berliner SPD und das leckge 
wordene Staatsschiff instandzubesetzen. Aber mit der Transplanta 
tion ist das so eine Sache. Wir alle wünschen uns, daß die 
Probleme, die in dieser Stadt entstanden sind, möglichst schnell in 
den Griff bekommen werden. Aber die Transplantation allein, 
insbesondere wenn es um die Transplantation von Köpfen geht, 
vermag das Problem, das wir in dieser Stadt bisher erlebt haben, 
nicht zu lösen. 
[Beifall bei der CDU - Boroffka (CDU): Das hat Thomas 
Mann schon ... beschrieben!] 
Ich habe vor wenigen Tagen ein Fernsehgespräch zwischen Herrn 
Fest und dem Hamburger Bürgermeister Weichmann mitangehört 
und muß sagen, daß mich dieses Gespräch außerordentlich beein 
druckt hat. Es war eigentlich bedauerlich, daß es zu so später 
Stunde gesendet wurde und daß deshalb vielleicht zuwenig Men 
schen in diesem Lande Gelegenheit hatten, dieses Gespräch zu hö 
ren. - Herr Weichmann ist für mich, nicht seines Alters wegen und 
weil er nicht mehr in der Regierung ist, sondern wegen seiner Aus 
sagen und seiner Festigkeit, einer der bedeutensten politischen 
Köpfe, die wir in Deutschland gehabt haben. Es wäre sinnvoll, wenn 
man einigen seiner Aussagen ein paar Minuten der Diskussion wid 
men würde, weil vieles, was er dort angesprochen hat, einschließ 
lich seiner Irrtümer, uns alle bewegt. Das waren keine Hamburger 
Probleme, die da besprochen worden sind, sondern das waren Pro 
bleme, die uns alle beschäftigen. 
Er hat zum Beispiel sich selbst - welcher Mut gehört dazu - als 
einen Mann von Law und Order bezeichnet. Was hat er wohl damit 
gemeint? Er hat ganz sicher damit nicht gemeint, daß er Gesetz und 
Recht und die Forderung der Durchsetzung von Gesetz und Recht 
nur so in den Mund nimmt und in Wahrheit, wenn es dann soweit ist 
zu handeln, anders handelt. Sondern er hat es gesagt als ein Mann, 
der begriffen hat, daß ein Staat sittlich auf die Dauer nur zu führen 
ist, wenn Recht und Gesetz in diesem Staat respektiert werden und 
jedermann den Versuch unternimmt, sich hieran zu halten. 
[Beifall bei der CDU und der F.D.P.] 
Er hat - wie ich finde, in sehr bezeichnender Weise - vom Gewalt 
vorbehalt des Staates gsprochen - auch ein Punkt, über den wir 
nachzudenken haben in einer Zeit, in der man geneigt ist, Gewalt 
gegen Sachen und vielleicht auch gegen Personen nicht mehr so 
schwer zu nehmen, wie sie eigentlich genommen werden muß. Nun 
ist in Hamburg auf ihn in einigem Abstand der Bürgermeister Klose 
gefolgt, und es ist eindrucksvoll, den Unterschied zwischen beiden 
Personen zu sehen und dabei gleichzeitig zu begreifen, was auf die 
Dauer dabei herauskommt, wenn der politische Weg, den die politi 
schen Parteien gehen, sich allzusehr von einmal gewonnenen Er 
kenntnissen absetzt. 
Ich will hier nur auf das eine Beispiel verweisen, nämlich auf das 
Problem der Energiepolitik. Auch wenn wir in Berlin uns nicht mit 
denselben Problemen herumzuschlagen haben, wie dies im übri 
gen Bereich des Bundesrepublik Deutschland geschieht, aber ge 
rade an der Energiepolitik wird deutlich, wie schwierig es geworden 
ist, politische Standpunkte, die man als richtig erkannt hat, auch 
durchzusetzen und insbesondere auch innerparteilich, wie sehr die 
politischen Parteien sich dabei zerreißen. Wladimir lljitsch Uljanow, 
den man Lenin genannt hat, hat einmal den Kommunismus so defi 
niert: Kommunismus sei Rätesystem plus Elektrifizierung. Viele in 
Deutschland haben den Eindruck, wenn Lenin heute noch lebte, 
wüde er sagen: Sozialdemokratie ist Rätesystem minus Elektrifizie 
rung. 
[Beifall bei der CDU] 
Aber kommen wir auf Berlin zurück. Ich möchte, Herr Regieren 
der Bürgermeister, Ihnen meinen ganz besonderen Respekt entge 
genbringen. Gerade Ihre heutige Rede vordem Abgeordnetenhaus 
und auch die Reaktion Ihrer Fraktion hat gezeigt, was dieser Stadt 
jahrelang gefehlt hat. Sie sind ein Mann, der in der Bundesrepublik 
Deutschland auf kommunaler und staatlicher Ebene große Vedien- 
ste erworben hat, und Sie sind ein Mann, der die Dinge in den Griff 
bekommen kann. Man muß aber hinzufügen, daß auf Dauer ein Re 
gierender Bürgermeister nicht besser sein kann, als seine eigene 
Partei es zuläßt. Sie haben in sehr eindrucksvoller Weise in Ihrer 
Rede das Problem der politischen Kultur aufgegriffen; ja, man 
könnte sagen, es ist zu einem Schlagwort geworden. Lassen Sie 
mich dazu ein paar Bemerkungen machen. 
Herr Senator Dahrendorf hat, wenn ich mich richtig erinnere, in 
der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses die Besetzung der 
Kreisgeschäftsstelle der SPD in Kreuzberg, beziehungsweise die 
Art und Weise, wie die davon betroffene Partei hierauf reagiert hat, 
als ein Musterbeispiel dafür hingestellt, wie man Besetzungen ent 
gegentreten soll. Ich glaube, wir sollten dies in Gedanken hier 
schon einmal aufgreifen, verehrter Herr Momper, weil im nachhinein 
möglicherweise der Eindruck entstanden ist, daß das doch nicht 
ganz so war, wie es damals dargestellt worden ist. Ich will ja nicht 
davon sprechen, ob es sinnvoll war, den Besetzern belegte Bröt 
chen und Fernsehgeräte hineinzureichen. 
[Gelächter bei der CDU] 
Das wird der Senat auch ganz sicher nicht aus Anlaß des Jubiläums 
der hundertsten Hausbesetzung tun. Ich meine aber, daß die Erklä 
rungen, die Sie nach der Besetzung abgegeben haben, ein typi 
sches Beispiel dafür sind, Herr Momper, wie man sich in Wider 
spruch zu dem setzen kann, was man vorher gesagt und getan hat. 
Sie selbst haben zum Beispiel den Sicherheitstrakten in den Straf 
anstalten zugestimmt, aber sie haben es nicht auslassen können, 
sich in Ihrer Presseerklärung dagegen zu wenden und den Beset 
zern nach dem Munde zu reden. 
[Dr. Gerl (SPD): Nein!] 
Sehen Sie, das ist genau das, was in dieser Stadt nicht passieren 
darf! 
[Beifall bei der CDU] 
Wenn ich einen Standpunkt einmal als richtig erkannt habe, dann 
muß ich auch in der Lage sein, diesen unter allen Umständen auf 
rechtzuerhalten und denen entgegenzusetzen, die vielleicht in grö 
ßerer Zahl anderer Meinung sind und denen ich nicht nach dem 
Munde reden darf. 
Junge Menschen brauchen Motivation, und sie brauchen in 
unserer Zeit mehr denn je auch die Motivation für den Rechtsstaat. 
Mein großes Vorbild Thomas Dehler, der erste Justizminister der 
Bundesrepublik Deutschland, ist für mich vor allem deshalb ein 
großes Vermächtnis, weil er nach den bösen Jahren der Nazi-Dikta 
tur das Bekenntnis zum Recht und seine Bedeutung für Staat und 
Gesellschaft in so hervorragender Weise herausgestellt hat. Ich 
meine, es ist seitdem zuwenig geschehen in unserer politischen 
Landschaft, um die Bedeutung des Rechtsstaates, die Bedeutung 
des Bekenntnisses zum Recht hinreichend deutlich zu machen. - 
Das soll keine Kritik an Ihnen sein, Herr Regierender Bürgermeister, 
für Ihre Tätigkeit als Justizminister. Sondern im Gegenteil, ich will 
Ihnen bescheinigen, daß wir in wesentlichen Fragen gut haben Zu 
sammenarbeiten können. Es ist dies vielmehr der Versuch, Sie alle 
dazu aufzurufen, sich mehr als bisher für den Rechtsstaat und auch 
für die kulturelle und die politische Bedeutung der Geltung des 
Rechts einzusetzen. 
Wenn wir von politischer Kultur sprechen, dann wird wohl in 
diesem Zusammenhang auch der Mißtrauensantrag der Opposition 
gegen Herrn Senator Meyer erörtert werden müssen. Meine Damen 
und Herren, es fällt mir nicht leicht, an dieser Stelle über dieses 
Thema zu sprechen. Aber gerade weil ich das Amt des Senators 
für Justiz von diesem Hause hatte, muß ich hier für mich erklären 
dürfen, daß es sich bei dem, was Herrn Senator Meyer vorgeworfen 
wird, eben nicht nur um die Frage handelt, Herr Regierender Bür 
germeister, ob Herr Meyer eine zweckmäßige Entscheidung 
getroffen hat. Das war aus meiner Sicht eine unzulässige 
Verkürzung des Problems. 
[Zurufe von der CDU: So ist es! - Beifall bei der CDU] 
In Wahrheit, meine Damen und Herren, geht es doch um die Frage, 
ob man angesichts der Einheit von Person und Amt bestimmte 
Grenzen überhaupt überschreiten darf. Ich meine, man kann in der 
Tat politisch heftig darüber diskutieren, ob unter dem Ge 
sichtspunkt der Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel die 
Strafverfolgung in bestimmten Bereichen zurückgestellt wird und 
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