Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode
47. Sitzung vom 12. Februar 1981
Dr. Rass
(A) Herr Kollege Hucklenbroich hat einen Weg aufgezeigt, durch
Limitierung das Problem einzugrenzen. Ich möchte noch auf einen
zweiten Aspekt hinweisen. Wir können und wir müssen, und ich
hoffe, wir werden die große Zahl der Studenten auch dadurch zah
lenmäßig zurückbekommen, daß es gelingt, die Studienzeiten zu
verkürzen, denn auch dieses ist ein wichtiger Punkt. Es hat je keinen
Sinn, wenn wir auf der einen Seite sagen, acht oder zehn Semester,
dann müssen sie raus, es muß den Studenten die Möglichkeit ge
geben werden, in diesen acht oder zehn Semestern auch wirklich
ihr Studium abschließen zu können. Denn es ist ja nicht zu verges
sen, daß sich bei den Studenten sehr häufig die Katze in den
Schwanz beißt, weil sie in den Semesterferien, in denen sie eigent
lich lernen sollten, jobben müssen, um Geld zu kriegen, weil BAföG
nicht reicht, weil die Mieten zu hoch sind. Dadurch verlängert sich
das Studium, und auf der anderen Seite zwingen wir sie wiederum
aus dem einigermaßen preiswerten Wohnraum heraus. Sie müssen
also noch mehr jobben und verlängern dadurch ihr Studium noch
mehr. Unsere Aufgabe ist es, durch entsprechende Maßnahmen für
klare, präzise Studiengänge zu sorgen, um dadurch auch die Stu
dienzeiten zu verkürzen.
Ein vorletzter Punkt, meine Damen und Herren: Wir sollten nicht
vergessen, daß in früheren Zeiten, und das wurde erwähnt, der pri
vate Wohnraum eigentlich als Großteil für die Lösung dieses Pro
blems zur Verfügung stand. Es wurde schon analysiert, warum das
heute nicht mehr so ist. - Wir wissen allerdings auch - und dies
möchte ich ganz klar sagen daß die Berliner ansprechbar sind.
Jedes Mal, wenn zu Semesterbeginn Dank der Medien das Problem
wieder ins Bewußtsein gerückt wird, werden nach dem Aufruf in
den Medien einige hundert neue Wohnmöglichkeiten für Studenten
gemeldet. Dies ist nicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, son
dern ein erfreuliches Ergebnis. Ich bitte von dieser Stelle aus die
Medien, auch weiterhin mitzuhelfen! Gerade, weil es, wie gesagt
wurde, noch genügend Reserven im privaten Wohnraum gibt, müs
sen wir uns gemeinsam bemühen, auf die Bevölkerung einzuwir
ken. Und wenn eben nur für zwei Semester die Mansarde, die man
einmal im Jahr als Gästezimmer benutzt, für einen Studenten zur
(B) Verfügung gestellt wird, und wenn dies wechselweise geschieht,
dann wird in einer Großstadt wie Berlin genügend Wohnraum frei
werden.
Meine Damen und Herren, soweit meine Ausführungen zu dem
Thema. Ich sage noch einmal zum Schluß, es ist erfreulich, daß alle
Fraktionen hier an einem Strang ziehen. Ich sehe eigentlich auch
nur eine Möglichkeit, mit dem Problem voranzukommen, nämlich
wenn die staatliche Seite, wenn die Studenten selbst und wenn der
private Markt noch besser und stärker als bisher Zusammenarbei
ten. - Vielen Dank!
[Beifall bei der SPD]
Präsident Lummer: Der Kollege Dr. Dittberner hat das Wort.
Dr. Dittberner (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Als Anfragender bin ich mit dem bisherigen Verlauf der Debatte
sehr zufrieden, insbesondere deswegen, weil wir Einigkeit darüber
erzielt haben, daß die Lücke von dreitausend Wohnungen in den
Studentenwohnheimen in einem angemessenen Zeitraum gefüllt
werden soll, aber insbesondere auch deswegen, weil hier der
Aspekt der Studentenwohnungen angesprochen worden ist, der
den Rest der achtzig Prozent der Studenten betrifft, die eben nicht
in Studentenwohnheimen wohnen werden. Und ich finde es sehr
gut, daß Senator Gaus gesagt hat, man wolle sich darum bemühen,
diesen Bereich der freien Wohngemeinschaften ebenfalls stärker
zu beachten und dort, wenn das geht und zu machen ist, Anregun
gen geben, daß das in der Tat weiter stattfinden und eine Verbesse
rung erfolgen kann.
Wir sollten auch darauf achten, daß Studenten tatsächlich stärker
in ganz normale Wohnungen einziehen können. Und ich bedauere
ein wenig in diesem Zusammenhang - es hilft ja nun nichts mehr,
aber man sollte es wenigstens noch einmal sagen - daß, als wir hier
über den Neubau an der Ecke KantVUhlandstraße gesprochen
haben, es nicht möglich war, in dieser zentralen Lage einen Teil von
Wohnungen für Studenten zu errichten. Das wäre eigentlich ein
sinnvolles Konzept gewesen, zusammen mit anderen Wohnungen,
die dort errichtet werden sollten. Aber das ist ja nun nicht mehr
rückgängig zu machen.
Ich wollte etwas sagen zum Studentenwohnheim, insbesondere
zum Studentenwerk. Hier hat es ja die schon mehrfach angespro
chene Mittelkürzung bei der Haushaltsberatung gegeben, und ich
kann nur feststellen, daß das bisher jedenfalls für eine innere Wil
lensbildung und für die Geschäftigkeit und die Phantasie des Stu
dentenwerks, die Herr Rass hier angesprochen hat, hilfreich gewe
sen ist. Mit liegen hier vor Richtlinien für die Vergabe von Wohnplät-
zen des Studentenwerks in der Neufassung vom - man höre -
16.Dezember 1980. Und da heißt es unter §3 - Wohnzeitbegren-
zung: ,1. Die Wohnzeit in allen vom Studentenwerk Berlin verwalte
ten Wohnheimen ist für Studenten an Fachhochschulen auf vier
Jahre, für Studenten an anderen Hochschulen auf fünf Jahre be
grenzt.“ Das ist doch was!
[Wohlrabe (CDU): Das habt Ihr doch nicht
durchgeführt, steht doch nur auf dem Papier,
ist doch Makulatur!]
- Daß dies jetzt vom Studentenwerk versucht wird, ist ein Ergebnis
unserer Beratungen hier, Herr Kollege Wohlrabe. Und das Studen
tenwerk ist bemüht, dies durchzusetzen, natürlich für diejenigen, die
jetzt neu in die Studentenheime hineinkommen. Wir haben bei den
alten Verträgen im Nachhinein nicht die Möglichkeit, sie außer Kraft
zu setzen. Das sollten auch Sie wissen.
Desgleichen wissen wir, daß sich das Studentenwerk bemüht,
was wir auch wollen, und wir wollen es darin weiter unterstützen,
den Personalbereich abzubauen, der in der Tat etwas überbesetzt
gewesen ist. So meine ich, hier ist in der Tat schon einiges getan
worden in dem Sinne, wie wir es vorhatten. Aber ich komme auf
meine Bemerkung von vorhin zurück; Wir sollten uns wirklich nicht
nur auf den Wohnheimbau konzentrieren, sondern sollten die Initia
tive und die Eigenhilfe unterstützen, und dies dient eigentlich auch
dem Grundsatz der sozialen Integration, den wir ja allenthalben ver
folgen.
Ich wiederhole noch einmal, ich bin mit dem bisherigen Gang der
Debatte sehr zufrieden!
[Beifall bei der F.D.P.]
Präsident Lummer: Das Wort hat der Kollege Boroffka.
Boroffka (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
glaube, so ruhig, wie die Debatte bisher war, kann sie nicht bleiben.
Kollege Dittberner, zunächst einmal eine Frage; Ich habe mich ja
gewundert, als ich davon las, daß Sie hier eine Große Anfrage ein-
bringen, denn Große Anfragen sind das Mittel des Parlaments, Tat
bestände abzufragen. Es könnte so der Eindruck entstehen, als
hätte sich das Parlament mit der Situation des Studentenwohn-
raums in Berlin bisher nie befaßt. Ich habe mir dann einmal sämt
liche Unterlagen des Wissenschaftsausschusses zusammenstel
len lassen, Kollege Dittberner. Nahezu Jahr für Jahr in den letzten
zehn Jahren hat sich der Wissenschattsausschuß aber mit diesem
Thema befaßt; Sie selber, Kollege Dittberner, haben zweimal An
träge zu diesem Thema gestellt, und deshalb hätte auch jetzt ein
Antrag an diese Stelle gehört und nicht eine Große Anfrage,
denn, Verzeihung, Herr Gaus, nichts von dem, was Sie sagten, ist
dem Ausschuß neu.
Ich will aus all den Protokollen nur ein einziges zitieren. Da steht
im Protokoll:
Der Abgeordnete
- ich sag gleich noch den Namen -
drückt die Meinung aus, es bestehe wohl Einigkeit, daß die
Wohnsituation der Studenten katastrophal sei. Die Zukunfts
vorstellungen des Senats seien dürftig; da die Studentenzah
len weiter unverhältnismäßig wachsen würden, werde infolge
des Wohnraummangels ein sozialer Numerus clausus entste
hen. Er fordert den Senat auf, weitergehende Vorstellungen als
bisher zu entwickeln.
2026