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Volume Nr. 47, 12. Februar 1981

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 8. Wahlperiode 
47. Sitzung vom 12. Februar 1981 
Stellv. Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Ich 
nehme nicht an, daß in der I. Lesung noch das Wort gewünscht 
wird. - Danke schön! Der Präsident hat den Gesetzentwurf bereits 
nach §32 Abs. 4 der Geschäftsordnung in den Ausschuß für Ver 
fassung und Geschäftsordnung überwiesen. Dazu möchte ich noch 
Ihre Zustimmung einholen. - Ich höre keinen Widerspruch; also ist 
dann so beschlossen. 
Nun rufe ich auf 
lfd. Nr. 7: 
Bericht über die Arbeit des Petitionsausschusses 
Das Wort hat die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Frau 
Abgeordnete Greift. Bitte, Frau Greift! 
Frau Greift (CDU), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Verehrte Kollegen! Es ist in dieser Wahlperiode 
voraussichtlich das letzte Mal, daß ich die Aufmerksamkeit des 
Hohen Hauses für einen Bericht über die Arbeit des Petitionsaus 
schusses in Anspruch nehmen muß. Um Sie nicht schon vorab mit 
statistischen Daten zu ermüden, haben wir diesmal alles Zahlen 
material auf einem Zettel zusammengefaßt, der Ihnen hektogra- 
phiert vorgelegt worden ist. Sie können darauf die Zahl der Ein 
gaben ersehen, die uns erreicht hat, ebenso die Zahl der Sitzungen, 
die der Ausschuß bis zum heutigen Tage in dieser Legislaturperio 
de abgehalten hat. Seien Sie sicher, daß die Mitglieder des Aus 
schusses ihre ganze Kraft eingesetzt haben, um die Arbeit auf für 
Sie und auch in Ihrem Namen zu leisten. 
Lassen Sie mich gleich zu einem Fall kommen, an dem eine der 
Hauptsorgen unserer Mitbürger ganz besonders deutlich gewor 
den ist. Im Bericht des Petitionsausschusses vom 22. November 
1979 habe ich Ihnen ausführlich die Probleme dargestellt, die Mie 
ter von Atelierwohnungen im Märkischen Viertel mit ihrer Vermiete 
rin, einer städtischen gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft, 
und einigen Behörden des Landes Berlin gehabt haben. Diese 
Atelierwohnungen waren von Anfang an mit erheblichen Mängeln 
behaftet, z. B. drang an verschiedenen Stellen immer wieder Was 
ser durch die Wände und Fenster. Sie werden sich erinnern, daß 
ich Ihnen damals vom 10. Jahrestag des Kampfes der Mieter um 
eine mangelfreie Wohnung berichtet hatte. Die Empörung der Mie 
ter wurde nicht nur vom Petitionausschuß, der sich mehrere Jahre 
und zwar zunächst ohne große Erfolge für sie eingesetzt hatte, son 
dern auch von dem damaligen Senator für Bau- und Wohnungs 
wesen, Herrn Ristock, geteilt. Im Bericht vom 29. Mai 1980 habe ich 
Ihnen dann mitteilen dürfen, daß zu den zahlreichen bereits bekann 
ten Mängeln weitere, andere hinzugekommen waren. Der Petitions 
ausschuß war es schließlich leid, diese Verzögerungen weiter hin 
zunehmen, Verzögerungen, die ausschließlich zu Lasten der städti 
schen Wohnungsbaugesellschaft, der Abteilung Bauwesen des 
zuständigen Bezirksamtes und - wenn auch in geringerem Maße - 
des Senators für Bau- und Wohnungswesen gingen. Der Ausschuß 
war es auch leid, immer wieder zu hören, nunmehr seien alle Män 
gel beseitigt, während sich dann immer wieder herausstellte, daß 
diese Meldungen lediglich auf frommen Wünschen der Verwaltung 
und der Wohnungsbaugesellschaft, nicht aber auf Tatsachen 
beruhten. Der Ausschuß hatte daher für den vergangenen Novem 
ber einen Termin zur Ortsbesichtigung in der Wohnung festgesetzt 
und dem damaligen Bausenator erklärt, daß er in seinem Beisein an 
diesem Tage die restlose und endgültige Beseitigung aller Mängel 
an Ort und Stelle fesfzustellen wünsche. Diese Methode hatte end 
lich Erfolg. Die Mängel wurden flugs samt und sonders zur Zufrie 
denheit der Mieter beseitigt. Herr Senator Ristock konnte den 
Mietern und den anwesenden Ausschußmitgliedern eine Wohnung 
präsentieren, die zum ersten Mal und 12 Jahre nach ihrem Bezug 
mängelfrei, ansehnlich und wohnlich wirkte. Wie uns die Petenten 
bei der Besichtigung mitteilten, sei in den frühen Morgenstunden 
ein Vertreter der städtischen gemeinnützigen Wohnungsbaugesell 
schaft bei ihnen gewesen, habe sich vom Stand der Dinge über 
zeugt und sich mit den freundlichen Worten: „Nun können die 
Kameraden ja kommen l“ verabschiedet. Es ist nicht überliefert, ob 
er vielleicht auch „Pappkameraden“ gesagt hat Aus dieser flapsi 
gen Bemerkung läßt sich unschwer erkennen, welche Einstellung 
diese Gesellschaft nicht nur gegenüber Parlament und Verwaltung, (C) 
sondern auch ihren Mietern gegenüber hat. 
Herr Senator Ristock wies bei der Ortsbesichtigung damals 
darauf hin, daß er gerade in dieser Angelegenheit gegenüber der 
Wohnungsbaugesellschaft - allerdings lange Zeit erfolglos - in 
einer Weise massiv geworden sei, wie er dies bisher niemals getan 
habe. Er teilte die seit langem bestehende Auffassung des Peti 
tionsausschusses, daß die städtischen Wohnungsbaugesellschaf 
ten sich in ihrem Handeln staatlicher Einflußnahme und Kontrolle 
weitgehend entzogen hätten. Dieser Punkt ist auch der Anlaß, wes 
halb ich Ihnen damals diese Ereignisse so ausführlich geschildert 
habe. Wir sind der Meinung, daß auch dies ein Beispiel für eine 
Fehlentwicklung in der Berliner Wohnungssituaton ist. Nur aus 
diesem Grunde komme ich heute auch noch einmal darauf zurück. 
Alle Verantwortlichen haben frühzeitig erkannt, daß in den moder 
nen Großstädten unseres Landes die Versorgung breiter Bevölke 
rungsschichten mit einigermaßen preiswertem, modernem Wohn- 
raum nicht allein die Aufgabe privater Unternehmer und Geldgeber 
sein könne. Das galt und gilt in besonderem Maße für das räumlich 
eingeengte und politisch lange Zeit so unsichere Berlin. Man hat 
folgerichtig Organisation, Förderung und Verwaltung des sozialen 
Wohnungsbaues zur zumindest auch öffentlichen Aufgabe erklärt. 
Neben einigen privaten Wohnungsbauunternehmen entstanden 
öffentliche Wohnungsbaugesellschaften, deren Anteile überwie 
gend oder ganz der öffentlichen Hand, zumal dem Land Berlin 
selbst, und das heißt: dem Steuerzahler, gehören. Dies alles ist be 
kannt und nichts Neues für Sie. Berlin hat dann seinerzeit nach ge- 
sellschaftsrechtlichen Vorschriften Unternehmungen geschaffen, 
sie mit Vorständen und Aufsichtsräten versehen, sie ganz oder 
überwiegend als berlineigene Wohnungsbaugesellschaften mit 
einem Grundkapital aus öffentlichen Mitteln ausgestattet und sie als 
„Organe städtischer Wohnungsbaupolitik“ definiert. So weit, so gut. 
Wohlversehen mit Kapital, geleitet von tüchtigen Geschäftsführern 
und beaufsichtigt von Senatoren und hohen Beamten dieser Stadt 
gingen sie ans Werk. Und nun trat - bei einigen mehr, bei anderen (D) 
weniger - eine merkwürdige Entwicklung ein. Diese Gesellschaf 
ten, wirtschaftliche Töchter des Landes Berlin wohlgemerkt, began 
nen ein Eigenleben zu entwickeln, das in einigen Fällen mehr an ihrer 
eigenen wirtschaftlichen Prosperität und mehr an der Herstellung 
von Mietvertragsbeziehungen zu - ich möchte es mal vorsichtig 
ausdrücken - unproblematischen, ruhigen und angepaßten Mietern 
orientiert ist denn an ihrer eigentlichen Zielvorgabe: Als Organ 
staatlicher Wohnungspolitik gerade auch dort auf dem Wohnungs 
markt regulierend und helfend einzugreifen, wo er problematisch ist 
und wo einzelne sich selbst nicht mehr helfen können. 
Seit Jahren bemüht sich der Petitionsausschuß, einer besonders 
benachteiligten Gruppe von Mitbürgern zu menschenwürdigem und 
preiswertem Wohnraum zu verhelfen. Sie alle wissen; ich meine die 
kinderreichen Familien. Schon intakte deutsche Familien mit meh 
reren Kindern, bei denen der Vater für den Brotwerb und die Mutter 
für die Kinder sorgt, sind sehr, sehr schwer unterzubringen. Da hilft 
auch der Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeitsstufe nichts. 
Wie Sie wissen, muß das Landesamt für Wohnungswesen einem 
Vermieterfür eine freie oderfreiwerdende Wohnung jeweils mehrere 
Bewerber vorschlagen. Die Auswahl obliegt ausschließlich dem 
Vermieter. Der allein entscheidet, welchen der vorgeschlagenen 
Bewerber er nehmen will. Was Wunder, daß Vermieter immer ge 
neigt sind, diejenigen Bewerber auszuwählen, von denen sie die 
wenigsten Schwierigkeiten erwarten. Und Kinder machen nun ein 
mal Schwierigkeiten, sie machen Krach, und je mehr sie sind, desto 
mehr können sie ihrer Umwelt auf die Nerven fallen. Das wissen wir 
alle. Bei einem privaten Vermieter kann man das möglicherweise 
noch bis zu einem gewissen Grade verstehen, wenn er diesen Pro 
blemen aus dem Wege gehen möchte. Daß aber auch die städti 
schen, gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften sich immer 
wieder und nachweisbar so verhalten, möchten wir eigentlich nicht 
hinnehmen. 
[Beifall bei der CDU]] 
Was ist Ihnen eben über die Schwierigkeiten intakter deutscher 
kinderreicher Familien bei der Wohnungsuche gesagt habe, gilt na- 
2013
	        
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