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Volume Nr. 20, 31. Januar 1980

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1980/81, 8. Wahlperiode, Band II, 1980/1981, 19.-53. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode 
20. Sitzung vom 31. Januar 1980 
843 
Sen Pätzold 
(A) sierbaren Maßnahmen zur Verringerung dieses Schadstoffes 
zum Inhalt hat. Ich sage aber gleich dazu, daß die Erstellung eines 
solchen Luftreinhalteplans nicht materielle Voraussetzung für die 
genannten Maßnahmen ist, 
< Boroffka (CDU): Eben! > 
so daß wir uns beim Luftreinhalteplan nicht etwa darüber werden 
unterhalten müssen, daß bis dahin nichts voranzubringen wäre. 
6. Ein Schwerpunkt wird die Überprüfung vorhandener um- 
weitbelastender Anlagen in Gewerbe und Industrie sein. Stellt 
sich nach Auswertung der erwähnten Emissionserklärungen und 
Messungen heraus, daß eine Anlage nicht dem Stand der Technik 
entspricht und schädliche Umwelteinwirkungen verursacht, kom 
men nachträgliche Anordnungen in Befracht, um die Emissionen 
zu verringern. Der Intensivierung der nach dem Bundes-Immis 
sionsschutzgesetz vorgesehenen Ermittlungen dient auch ein 
Begehungssystem, das inzwischen für die Überprüfung über 
wachungsbedürftiger Anlagen erarbeitet worden ist. 
7. Die Schadstoffe aus dem Kraftfahrzeugverkehr müssen so 
weit wie möglich vermindert werden. Der Senat will das Automobil 
nicht abschaffen — Mobilität ist für viele ein Teil der Lebensquali 
tät —, aber wir sollten versuchen, in unserer Stadt weniger Auto 
zu fahren. Es ist sehr gesund und umweltschonend, wenn ich das 
k einmal so pädagogisch sagen darf, wenigstens kurze Wege zu Fuß 
f zu gehen. Bei der Alternative Bequemlichkeit oder Umweltschutz 
sollten wir uns mehr als bisher für den öffentlichen Personennah 
verkehr entscheiden. 
Die Eindämmung des Individualverkehrs kann, verbunden mit 
verkehrslenkenden Maßnahmen, zu einer erheblichen Verkehrs 
beruhigung der Wohnstraßen und damit zur Verminderung der 
Luttschadstoffe führen. Die Einrichtung von Busspuren, die Er 
weiterung des Radwegenetzes sowie die Schaffung von verkehrs 
beruhigten Zonen zielen in diese Richtung. 
Da aber viele Arbeitnehmer weite Strecken zwischen Wohnung 
und Betrieb mit dem Kraftfahrzeug zurücklegen müssen, kommt 
(B) es zugleich darauf an, überbezirklichen Verkehr da, wo notwendig, 
auf Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen mit allen Schutzmög 
lichkeiten zu bündeln und dadurch insgesamt zur Luftverbesse 
rung beizutragen. 
Zur Förderung der Entwicklung emissionsarmer Kraftfahrzeuge 
findet in Berlin ein Großversuch statt. Von den praktischen Er 
kenntnissen erhofft sich der Senat weiferreichende Anstöße zur 
Verringerung der Kraftfahrzeug-Schadstoffe. 
Um das beim Kraftfahrzeug einmal ganz deutlich zu sagen: 
Von besonderer Bedeutung wird jedoch eine wesentliche Schad 
gasverminderung am herkömmlichen Kraftfahrzeug sein. Sie ist 
| technisch und preislich möglich, hängt aber von komplizierten 
* internationalen Abstimmungsvorgängen und handfesten inter 
nationalen wirtschaftlichen Interessen ab. 
Der Senat unterstützt deshalb die Bundesregierung nach 
drücklich bei ihren Bemühungen, 
8. Weitere Maßnahmen kann ich aus Zeitgründen nur stich 
wortartig nennen; doch sind sie alle im Verbund mit den größeren 
Vorhaben geeignet, die Luftgüte zu verbessern; 
a) Strengere Auflagen der Genehmigungsbehörden bei neuen 
gewerblichen Anlagen; 
I b) regelmäßige Überprüfung von 70 000 kleineren Feuerungs 
anlagen durch unsere Schornsteinfeger; 
c) Überwachung von Chemischreinigungsanlagen und holzver 
arbeitenden Anlagen; 
d) Kontrolle des Bleigehalts von Treibstoffen in Tanklagern 
und Tankstellen. 
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum 
Schluß. 
Von Bundes wegen wie in der Verantwortung Berlins ist viel 
zur Luftreinhaltung geschehen; vieles bleibt weiter voranzutrei 
ben. Insbesondere die wegweisenden Weichenstellungen des 
Senats zur Energieeinsparung, zur Wärmeversorgungsplanung 
und zum umfassenden Ausbau der Fernheizung beruhen auf 
grundlegenden Umweltschutz-Anstößen, zielen auf entschei- (C) 
dende Verbesserungen der Luftgüte und haben das Umwelt 
bewußtsein in der Bevölkerung weiter geprägt. Jeder muß sich 
immer wieder vergegenwärtigen, wie sehr sinnvoller Energie 
einsatz und Umweltschutz Zusammenhängen. Der Senat wird des 
halb seine Kampagnen zur Umweltschutz-Bildung gerade in 
diesem Bereich beharrlich fortsetzen. 
Auch die heutige Debatte, auch die kürzlichen Smog-Situationen 
sind hoffentlich ein Betrag dazu, allen vor Augen zu führen, wie 
lebenswichtig es gerade für unsere Stadt ist, diesen wegweisen 
den Weichenstellungen des Senats bald die weiteren konkreten 
Maßnahmen folgen zu lassen. Ich bitte deshalb alle, die Verant 
wortung tragen oder die die Entwicklung interessiert begleiten, 
um nachhaltige — nicht nur rhetorische - Unterstützung bei der 
Durchsetzung der erforderlichen Einzelschritte, die nicht immer 
populär sein werden und manche harte Interessenabwägung er 
fordern werden. Ich bedanke mich schon heute dafür, so wie ich 
für jeden weiteren realistischen Lösungsvorschlag dankbar und 
offen bin. 
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. > 
Präsident Lorenz: Ich eröffne die Aussprache über beide Ver 
handlungsgegenstände. Das Wort hat der Abgeordnete Boroffka, 
Boroffka (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen 
und Herren! Ein bekannter Architekt hat seine Ansichten über die 
Entwicklung dieser Stadt nach dem Krieg mit dem Titel überschrie 
ben: Die gemordete Stadt!, und ich meine, die Diskussion, die 
wir heute führen, ist eine Strophe im Klagelied über die gemor 
dete Stadt. Wenn Sie, Herr Senator, versuchten, sich hier dadurch 
ein wenig aus der Affäre zu ziehen, daß die Hälfte Ihrer Antwort 
nichts anderes war als der Hinweis auf bestehende Rechtsordnun 
gen, um das Interesse im Auditorium möglichst zu dämpfen, dann 
liegt das nicht nur an der Ihnen moderaten Art, die ich ansonsten 
sehr schätze. 
Aber das Problem ist ja nicht neu. Ich zitiere eine Schrift der 
Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin, da gibt es ein 
Kapitel „Berliner Luft in schlechtem Geruch“, und es heißt dort; 
Wie der Lufthygieneexperte vom Bundesgesundheitsamt 
feststellte, hat Berlin (West) nach dem Ruhrrevier unter allen 
deutschen Ballungsräumen die schmutzigste Luft, 
— es heißt dann weiter: 
dies, obwohl in Berlin besonders abgassfarke Industrien — 
Kohle, Zement, Stahl, Mineralöl, Schwerchemie — kaum ver 
treten sind. Der Dreck in der Berliner Luft stammt vor allem 
aus dem Schornsteinqualm der auf engem Raum zusammen 
gedrängten Hunderttausenden Kohle- und Ölöfen der Privat 
haushalte und aus fast 500 000 Autos. Aus deren Auspuff 
rohren blubbern jährlich 280 000 t Kohlenmonoxyd, 40 000 t 
Kohlenwasserstoff, 30 000 t Stickoxyde, 240 t Blei und an 
deres. 
— Und zum Schluß heißt es: 
Am 9. Dezember 1969 und am 10. Februar 1971 zum Beispiel 
verdunkelte der Smogdunst die City so, daß Autos mittags mit 
Scheinwerferlicht fahren mußten. 
Das heißt; Smog ist durchaus zu sehen. 
Dies alles entstammt einer Broschüre, die 1972 gedruckt wurde, 
Herr Senator, 
< Zuruf von der CDU: Hört, hört! > 
und wir schreiben, wenn ich nicht irre, 1980. Und dann stellen Sie 
sich hier hin und sagen so ganz nebenbei: Berlin steht ja gar nicht 
so schlecht da, denn die Situation hat sich nicht verschlechtert! — 
Das heißt doch zu deutsch: Sie hat sich nicht verbessert, es ist 
so geblieben, wie es’ damals schon Eekannt war, wie es damals 
beklagt wurde. 
< Beifall bei der CDU > 
und dies - ich wiederhole das noch einmal obwohl Berlin in 
einer im Grunde vergleichsweise günstigen Situation ist. Der Herr
	        
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