Abgeordnetenhaus von Berlin — 8. Wahlperiode
20. Sitzung vom 31. Januar 1980
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Sen Pätzold
(A) sierbaren Maßnahmen zur Verringerung dieses Schadstoffes
zum Inhalt hat. Ich sage aber gleich dazu, daß die Erstellung eines
solchen Luftreinhalteplans nicht materielle Voraussetzung für die
genannten Maßnahmen ist,
< Boroffka (CDU): Eben! >
so daß wir uns beim Luftreinhalteplan nicht etwa darüber werden
unterhalten müssen, daß bis dahin nichts voranzubringen wäre.
6. Ein Schwerpunkt wird die Überprüfung vorhandener um-
weitbelastender Anlagen in Gewerbe und Industrie sein. Stellt
sich nach Auswertung der erwähnten Emissionserklärungen und
Messungen heraus, daß eine Anlage nicht dem Stand der Technik
entspricht und schädliche Umwelteinwirkungen verursacht, kom
men nachträgliche Anordnungen in Befracht, um die Emissionen
zu verringern. Der Intensivierung der nach dem Bundes-Immis
sionsschutzgesetz vorgesehenen Ermittlungen dient auch ein
Begehungssystem, das inzwischen für die Überprüfung über
wachungsbedürftiger Anlagen erarbeitet worden ist.
7. Die Schadstoffe aus dem Kraftfahrzeugverkehr müssen so
weit wie möglich vermindert werden. Der Senat will das Automobil
nicht abschaffen — Mobilität ist für viele ein Teil der Lebensquali
tät —, aber wir sollten versuchen, in unserer Stadt weniger Auto
zu fahren. Es ist sehr gesund und umweltschonend, wenn ich das
k einmal so pädagogisch sagen darf, wenigstens kurze Wege zu Fuß
f zu gehen. Bei der Alternative Bequemlichkeit oder Umweltschutz
sollten wir uns mehr als bisher für den öffentlichen Personennah
verkehr entscheiden.
Die Eindämmung des Individualverkehrs kann, verbunden mit
verkehrslenkenden Maßnahmen, zu einer erheblichen Verkehrs
beruhigung der Wohnstraßen und damit zur Verminderung der
Luttschadstoffe führen. Die Einrichtung von Busspuren, die Er
weiterung des Radwegenetzes sowie die Schaffung von verkehrs
beruhigten Zonen zielen in diese Richtung.
Da aber viele Arbeitnehmer weite Strecken zwischen Wohnung
und Betrieb mit dem Kraftfahrzeug zurücklegen müssen, kommt
(B) es zugleich darauf an, überbezirklichen Verkehr da, wo notwendig,
auf Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen mit allen Schutzmög
lichkeiten zu bündeln und dadurch insgesamt zur Luftverbesse
rung beizutragen.
Zur Förderung der Entwicklung emissionsarmer Kraftfahrzeuge
findet in Berlin ein Großversuch statt. Von den praktischen Er
kenntnissen erhofft sich der Senat weiferreichende Anstöße zur
Verringerung der Kraftfahrzeug-Schadstoffe.
Um das beim Kraftfahrzeug einmal ganz deutlich zu sagen:
Von besonderer Bedeutung wird jedoch eine wesentliche Schad
gasverminderung am herkömmlichen Kraftfahrzeug sein. Sie ist
| technisch und preislich möglich, hängt aber von komplizierten
* internationalen Abstimmungsvorgängen und handfesten inter
nationalen wirtschaftlichen Interessen ab.
Der Senat unterstützt deshalb die Bundesregierung nach
drücklich bei ihren Bemühungen,
8. Weitere Maßnahmen kann ich aus Zeitgründen nur stich
wortartig nennen; doch sind sie alle im Verbund mit den größeren
Vorhaben geeignet, die Luftgüte zu verbessern;
a) Strengere Auflagen der Genehmigungsbehörden bei neuen
gewerblichen Anlagen;
I b) regelmäßige Überprüfung von 70 000 kleineren Feuerungs
anlagen durch unsere Schornsteinfeger;
c) Überwachung von Chemischreinigungsanlagen und holzver
arbeitenden Anlagen;
d) Kontrolle des Bleigehalts von Treibstoffen in Tanklagern
und Tankstellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum
Schluß.
Von Bundes wegen wie in der Verantwortung Berlins ist viel
zur Luftreinhaltung geschehen; vieles bleibt weiter voranzutrei
ben. Insbesondere die wegweisenden Weichenstellungen des
Senats zur Energieeinsparung, zur Wärmeversorgungsplanung
und zum umfassenden Ausbau der Fernheizung beruhen auf
grundlegenden Umweltschutz-Anstößen, zielen auf entschei- (C)
dende Verbesserungen der Luftgüte und haben das Umwelt
bewußtsein in der Bevölkerung weiter geprägt. Jeder muß sich
immer wieder vergegenwärtigen, wie sehr sinnvoller Energie
einsatz und Umweltschutz Zusammenhängen. Der Senat wird des
halb seine Kampagnen zur Umweltschutz-Bildung gerade in
diesem Bereich beharrlich fortsetzen.
Auch die heutige Debatte, auch die kürzlichen Smog-Situationen
sind hoffentlich ein Betrag dazu, allen vor Augen zu führen, wie
lebenswichtig es gerade für unsere Stadt ist, diesen wegweisen
den Weichenstellungen des Senats bald die weiteren konkreten
Maßnahmen folgen zu lassen. Ich bitte deshalb alle, die Verant
wortung tragen oder die die Entwicklung interessiert begleiten,
um nachhaltige — nicht nur rhetorische - Unterstützung bei der
Durchsetzung der erforderlichen Einzelschritte, die nicht immer
populär sein werden und manche harte Interessenabwägung er
fordern werden. Ich bedanke mich schon heute dafür, so wie ich
für jeden weiteren realistischen Lösungsvorschlag dankbar und
offen bin.
< Beifall bei der SPD und der F.D.P. >
Präsident Lorenz: Ich eröffne die Aussprache über beide Ver
handlungsgegenstände. Das Wort hat der Abgeordnete Boroffka,
Boroffka (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen
und Herren! Ein bekannter Architekt hat seine Ansichten über die
Entwicklung dieser Stadt nach dem Krieg mit dem Titel überschrie
ben: Die gemordete Stadt!, und ich meine, die Diskussion, die
wir heute führen, ist eine Strophe im Klagelied über die gemor
dete Stadt. Wenn Sie, Herr Senator, versuchten, sich hier dadurch
ein wenig aus der Affäre zu ziehen, daß die Hälfte Ihrer Antwort
nichts anderes war als der Hinweis auf bestehende Rechtsordnun
gen, um das Interesse im Auditorium möglichst zu dämpfen, dann
liegt das nicht nur an der Ihnen moderaten Art, die ich ansonsten
sehr schätze.
Aber das Problem ist ja nicht neu. Ich zitiere eine Schrift der
Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin, da gibt es ein
Kapitel „Berliner Luft in schlechtem Geruch“, und es heißt dort;
Wie der Lufthygieneexperte vom Bundesgesundheitsamt
feststellte, hat Berlin (West) nach dem Ruhrrevier unter allen
deutschen Ballungsräumen die schmutzigste Luft,
— es heißt dann weiter:
dies, obwohl in Berlin besonders abgassfarke Industrien —
Kohle, Zement, Stahl, Mineralöl, Schwerchemie — kaum ver
treten sind. Der Dreck in der Berliner Luft stammt vor allem
aus dem Schornsteinqualm der auf engem Raum zusammen
gedrängten Hunderttausenden Kohle- und Ölöfen der Privat
haushalte und aus fast 500 000 Autos. Aus deren Auspuff
rohren blubbern jährlich 280 000 t Kohlenmonoxyd, 40 000 t
Kohlenwasserstoff, 30 000 t Stickoxyde, 240 t Blei und an
deres.
— Und zum Schluß heißt es:
Am 9. Dezember 1969 und am 10. Februar 1971 zum Beispiel
verdunkelte der Smogdunst die City so, daß Autos mittags mit
Scheinwerferlicht fahren mußten.
Das heißt; Smog ist durchaus zu sehen.
Dies alles entstammt einer Broschüre, die 1972 gedruckt wurde,
Herr Senator,
< Zuruf von der CDU: Hört, hört! >
und wir schreiben, wenn ich nicht irre, 1980. Und dann stellen Sie
sich hier hin und sagen so ganz nebenbei: Berlin steht ja gar nicht
so schlecht da, denn die Situation hat sich nicht verschlechtert! —
Das heißt doch zu deutsch: Sie hat sich nicht verbessert, es ist
so geblieben, wie es’ damals schon Eekannt war, wie es damals
beklagt wurde.
< Beifall bei der CDU >
und dies - ich wiederhole das noch einmal obwohl Berlin in
einer im Grunde vergleichsweise günstigen Situation ist. Der Herr